Türkei:Deutschland tut so, als sei der PKK-Terror allein Erdoğans Problem

Kurden-Demonstration in Köln

Kurdische Demonstrantinnen halten im September in Köln Flaggen und Bilder des inhaftierten PKK-Anführers Abdullah Öcalan hoch.

(Foto: Henning Kaiser/dpa)

Ein Friedensprozess zwischen den türkischen Kurden und dem Staat ist nicht mehr denkbar. Kanzlerin Merkel hat Erdoğan Hilfe im Anti-Terror-Kampf zugesagt. Schwenkt Berlin nun in seiner Kurden-Politik um?

Kommentar von Mike Szymanski

Die PKK und ihre Ableger haben ihr zerstörerisches Werk bald vollendet. Der kurdisch geprägte Südosten des Landes ist schon wieder Kriegsgebiet. Am Samstag hat ihr Terror Istanbul erreicht. Bei einem Attentat starben mehr als 40 Menschen. Auch die politische Konkurrenz in Gestalt der kurdischen Partei HDP ist beinahe zerschlagen. Dafür sorgt der türkische Staatspräsident. Recep Tayyip Erdoğan will in der kleinen Partei nur noch Terrorhelfer der PKK sehen und keine Vermittler mehr in einem lange anhaltenden Konflikt, der erwiesenermaßen mit Waffen nicht zu gewinnen ist.

Die PKK-Terroristen ernähren sich von Gewalt, sie brauchen Blut

Wie wenig die terroristischen Fraktionen der PKK an Frieden in der Türkei interessiert sind, lässt sich am Ort des Anschlags ablesen. Er traf nicht nur das Stadion des Fußball-Erstligisten Beşiktaş. Der Dolmabahçe-Palast ist nur einige Schritte entfernt. Das ist der Ort, an dem Regierung und HDP Anfang 2015 einen Fahrplan zur Versöhnung präsentiert hatten. So greifbar nah war der Frieden. Die PKK-Terroristen ernähren sich aber von Gewalt, sie brauchen Blut. In einer friedlichen Umgebung können sie nicht existieren. Deshalb war der Aufstieg der prokurdischen HDP als Friedensvermittler auch eine Bedrohung.

Fürchten muss die HDP nun keiner mehr. Ihr charismatischer Chef Selahattin Demirtaş kann sich heute nur noch aus dem Gefängnis zu Wort melden. Nach dem Anschlag hat die Regierung ihre Verhaftungswelle gegen HDP-Politiker und Funktionäre fortgesetzt. Bald dürfte nicht mehr viel von ihren Strukturen übrig sein. Dann gibt es niemanden mehr zum Reden.

Ein kurdischer Friedensprozess kann nicht mehr gelingen

Es ist gut möglich, dass von Anfang an zu große Hoffnungen auf Demirtaş und seiner Partei ruhten. Die HDP hatte immer schon Schwierigkeiten, sich vom Terror zu distanzieren. Sie hätte sich nach Beginn der Gewaltwelle komplett von der PKK abwenden müssen. Jetzt scheint es dafür zu spät zu sein. Im Parlament wird die HDP von allen anderen Parteien gemieden. Sie hat ihre Glaubwürdigkeit verloren. Sie ist kaputt.

In diesem Klima der Ausweglosigkeit hat Kanzlerin Merkel Erdoğan zugesagt, ihn im Anti-Terror-Kampf zu unterstützen. Sie wird ihn nur enttäuschen können. Die aufgepeitschte türkische Seele wünscht sich die Todesstrafe zurück. Ein "Im Zweifel-für-den-Angeklagten" kennt die Justiz nicht mehr, weil sie überhaupt keine Zweifel mehr zulässt. Egal was Merkel macht, aus türkischer Sicht wird es nie genug sein. Das ist nicht ihr Fehler.

Ein Anfang könnte darin liegen, die Haltung zum PKK-Terror zu überdenken. Denn auch Politiker in Deutschland tun so, als sei der allein Erdoğans Problem. Sie haben lieber das Bild vom heldenhaften Peschmerga-Kämpfer vor Augen, der die Steinzeit-Islamisten in Syrien und im Irak vertreibt. Dafür überlässt der Westen ihnen Kriegsgerät. Die Sorge der Türken, dass sich diese Waffen gegen sie richten könnten, sind alles andere als unbegründet. Wer der Türkei entgegenkommen will, muss sich zumindest eingestehen, dass die Fraktionen mittelbar verwoben sind.

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