Umwelt:Harte Zeiten für Rentiere

Satelliten-Daten zeigen: Die Tiere müssen immer weiter wandern; die Bestände sind teils dramatisch geschrumpft. Schuld ist der Klimawandel - aber nicht allein.

Von Marlene Weiss

Die größte Rentierherde der Welt ist dramatisch geschrumpft: Um etwa 40 Prozent sei die Zahl der Tiere auf der Taimyr-Halbinsel in Nordrussland seit dem Jahrtausendwechsel zurückgegangen. Das berichteten Forscher um Andrey Petrov von der University of Northern Iowa beim Jahrestreffen der American Geophysical Union (AGU). Demnach leben in der betroffenen Region im Norden Russlands derzeit noch etwa 600 000 Rentiere.

Der Klimawandel scheint den Tieren zuzusetzen, aber auch der Mensch. Aus Satelliten-Daten und Beobachtungen aus der Luft schließen Petrov und seine Kollegen, dass die Herden weiter östlich leben als früher, um Siedlungen auszuweichen. Zugleich ziehen sie im Sommer weiter nach Norden und in höher gelegene Gebiete - mutmaßlich auf der Flucht vor steigenden Temperaturen und den damit einhergehenden Mückenplagen. Das aber macht das Leben härter für die Tiere: "Taimyr-Rentiere müssen weitere Strecken zwischen den Sommer- und Wintergebieten überwinden, das steigert die Kälber-Sterblichkeit", sagte Petrov bei einer Pressekonferenz. Auch seien Flüsse immer früher eisfrei, sodass die Rentiere auf ihrer Wanderung hindurchschwimmen müssen.

Nach Petrovs Daten sind die Rentier-Bestände fast überall zurückgegangen, nur in Ostkanada, Alaska und der Tschuktschen-Halbinsel gibt es noch einzelne wachsende Herden. Im diesjährigen Update der Roten Liste der Internationalen Naturschutz-Union IUCN wurden die Tiere erstmals als "verletzlich" eingestuft. Insgesamt sollen die Bestände über drei Generationen - etwa 24 Jahre - von 4,8 Millionen Tieren auf 2,9 Millionen zurückgegangen sein, wobei die Unsicherheit groß ist. Auch die IUCN nennt als Gründe schrumpfenden Lebensraum und den Klimawandel.

Allerdings waren die Taimyr-Bestände auch schon weit kleiner als heute. Nach einem starken Rückgang in den Dreißigerjahren, als unkontrollierte Jagd und Attacken durch Wölfe die Bestände dezimiert hatten, sollen in der Region nur noch gut 110 000 Rentiere gelebt haben. Bis 1969, dem ersten Jahr, aus dem es verlässliche Daten gibt, hatte sich die Herde schon auf mehr als 300 000 Tiere erholt, auch danach wuchs sie immer weiter, bis um das Jahr 2000 der Höchststand von mehr als einer Million Tiere erreicht war. Seither jedoch scheint es wieder deutlich abwärtszugehen.

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