Polka:Da möchte man beinahe tanzen

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Viel Holz und ein Kontrast von Hell und Dunkel: Auch was die Deko angeht, liebt man hier das Einfache. (Foto: Stephan Rumpf)

Das kleine Restaurant "Polka" am Pariser Platz überzeugt mit Einfachheit und Raffinesse gleichermaßen - ein bisschen gemütlicher allerdings dürfte es sein.

Von Marcelinus Sturm

München hat zweifellos nicht die größte Kompetenz, was lockere Restaurants angeht. In Berlin-Mitte tut man sich da leicht, da verlegt man die Leitungen halt einfach auf Putz (wenn man überhaupt Putz auf der Wand hat), und schon sieht's lässig aus. In München geht das nicht, da hat der Tresen zu blitzen, und die Barhocker sind gefälligst mit Antilopensamtleder bezogen, damit man auch ja gemütlich sitzt.

Verständlich, dass viele Junggastronomen damit wenig anfangen können und es unkomplizierter haben wollen. Leider schlägt sich das manchmal auch in der Küche nieder, die dann arg langweilig wird. Aber es gibt auch geglückte Gegenbeispiele. Zum Beispiel das neue Lokal Polka am Pariser Platz in Haidhausen.

Polka
:Dunkelblauer Salon mit klarem Konzept

Im Restaurant Polka bekommt man einfache, aber feine Speisen und raffiniert abgewandelte Klassiker. Und das in der Regel in Bioqualität.

Hier haben sich vier Menschen zusammengetan, die bisher schon auf unterschiedliche Weise in der Münchner Gastro-, Theater- und Musikerszene unterwegs waren. Im Frühjahr eröffneten sie zusammen die Polka-Bar im Keller, im Sommer kam nun das Lokal im ehemaligen Ristorante Dal vero italiano im Erdgeschoss hinzu. Den Charme einer italienischen Bar hat man sich erhalten; der eine Gastraum ist in tiefem Blau gehalten, der andere hell gestrichen, aber ebenso schlicht.

Nur die türkisen Kacheln und die Holzlamellenbar sowie das Röhrenradio setzen Akzente. Stühle und Tische aus Holz sind betont einfach, manche jedoch arg niedrig, so dass man die stets freundliche Bedienung beinahe um ein Sitzkissen bitten möchte, weil man sich sonst wie beim Elternabend im Kindergarten fühlt. Zumindest im dunkelblauen Salon gibt es weitere Nachteile: Ist er voll besetzt, versteht man kaum sein eigenes Wort, und es ist dort schlicht auch zu dunkel. Man möchte ja doch genauer wissen, was man so auf dem Teller hat.

Denn das kann sich wirklich sehen lassen. Küchenchef Jacob Ebnet - er kochte zuvor in der Goldmarie im Schlachthofviertel - setzt auf ein einfaches und klares Konzept. Vier "Kleinigkeiten", vier Vorspeisen, vier Hauptspeisen und drei Desserts, und das alles von Lieferanten aus Bayern, in der Regel in Bioqualität und allesamt auf der Speisekarte ausgewiesen. Die "Kleinigkeiten" (jeweils 3,00 bis 4,00 Euro) sind tatsächlich welche, mal nur Oliven, dann wieder weiße Bohnenmousse mit Rosmarin, aber gelegentlich auch Perlhuhnflügel mit Thymian und Honig oder Kalbsbries.

Bei den Vorspeisen zeigen sich dann bereits die ersten Präferenzen der Küche: Es geht oft um raffiniert abgewandelte Klassiker der Alpenküche mit kleinen Ausflügen ins Mediterrane. Ein schönes Beispiel dafür: der Saiblingsmatjes (9,00). Er war ausgesprochen zart und mild, erinnerte eher an Ceviche, jene südamerikanische Technik des Kaltgarens mittels Zitronensäure, denn an die niederländisch-norddeutsche Methode der Heringsbehandlung mit Salzlake. Apfelwürfel, Meerrettichsoße, gestiftelte Rote Bete und Schnittlauch rundeten den Geschmack perfekt ab. So etwas isst man mit Freude und mit Andacht zugleich.

Gespannt waren wir natürlich auch auf das Käsesoufflé (6,00) - handelt es sich da schließlich um ein Gericht, das auf heimischen Speisekarten so gut wie ausgestorben ist und ein fast nur noch museales Dasein in den alten Kochbüchern der Haute Cuisine, etwa von Auguste Escoffier oder Alfred Walterspiel, fristet. Sehr zu Unrecht! Das Soufflé selbst war traumhaft luftig, was gut zum etwas rassen Geschmack des Ziegenkäses passte. Die Kombination mit zweierlei Kohlsorten und Preiselbeeren harmonierte dazu ebenso gut wie der Friséesalat beim ersten Besuch. Überhaupt variiert man gerne in der Polka - je nachdem, was das Tagesangebot so bringt, werden die Gerichte abgewandelt. Das zeigt, welchen Wert die Küche auf Frische legt, ein gutes Zeichen.

Auf Gastroschnickschnack und Gourmetstreberei wird verzichtet

Das gilt natürlich auch für die Hauptspeisen. Zu den festen Programmpunkten gehören hier Ravioli (12,00) und Tagliatelle (10,00) in verschiedenen Variationen. Schön auf den Punkt gebraten war die Forelle in Weißwein mit roter Bete, Sellerie und Joghurt (16,00). Auch die Perlhuhnbrust (20,00), saftig das Fleisch und knusprig die Haut, gefiel. Spuren von Kletzen, also Dörrbirne, mit Portwein gaben eine weihnachtliche Note; die "cremige Polenta" war in Ordnung, auch wenn sie an Babybrei aus dem Gläschen erinnerte. Eine unnötige Reminiszenz an die Sechzigerjahre waren die Silberzwiebeln, wegen ihrer starken Säure störten sie eher.

Die Weihnachtsplätzchen zum Nachtisch, die man sich aus der Blechdose selber aussuchen darf (1,00), waren etwas zu weich, sie sollten vielleicht noch ein paar Tage im Leinensackerl in der Kammer hängen, bis sie die richtige Konsistenz haben. Ansonsten: ein Ziegenkäse mit Kiwi ohne Fehl und Tadel (6,00) und endlich mal eine Schokotarte ohne flüssigen Kern (5,00)! Kaum zu glauben, liebe Münchner Gastronomen: Das geht! Und schmeckt trotzdem hervorragend!

Auch die Weinkarte überzeugt mit dem erdigen Sauvignon Blanc vom Weingut Tamara Kögl aus der Südsteiermark (7,50 für 0,2 Liter) oder der recht fruchtigen Bioscheurebe vom Weingut Krämer aus dem fränkischen Iphofen (0,2 für 6,50): sehr solide Getränke.

Einfachheit mit Raffinesse, souveräne Gelassenheit und hohe Produktqualität - das trifft in der Polka für Küche wie Keller zu. Schön, dass es in München auch mal ohne Gourmetstreberei und Gastroschnickschnack geht.

© SZ vom 15.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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