Vogelgrippe:Gans gefährlich? - Gans in Gefahr!

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Kritische Überlegungen zu einer Import-Erkrankung.

Zu "Gans gefährlich" vom 1. Dezember:

Nicht die Gänse sind "gefährlich", sondern die Gänse sind gefährdet! Durch einen Virus, den wir Menschen in Geflügel-Massentierhaltungen in Südostasien erzeugt haben. Bei den Wasservögeln, die sich am Hinterbrühler See aufhalten, handelt es sich um lokal lebende Individuen, die vielen der dortigen Vogelfreunde sogar persönlich bekannt sind. Diese Vögel (Graugänse, Mandarinenten, flugunfähige Laufenten) verlassen München nie und können sich daher nur in München selbst, zum Beispiel am ebenfalls stark frequentierten und vermüllten Flaucher angesteckt haben.

Leider hat sich das Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) schon seit den ersten Ausbrüchen der hochvirulenten Formen der Klassischen Geflügelpest in Deutschland einseitig und vorschnell auf eine Verbreitung der gefährlichen Viren über Wildvögel festgelegt, ohne dafür bisher Beweise vorlegen zu können. Die derzeitigen Ausbrüche der Geflügelpest bei Wildvögeln sind lediglich ein trauriger Beleg, dass auch wilde Vögel Opfer der verfehlten, weltweit vernetzten Geflügelwirtschaft werden, aber keineswegs deren Problem darstellen. So sind nach wie vor die Mehrheit der Krankheitsausbrüche in geschlossenen Nutzgeflügelhaltungen aufgetreten - bei einer Verbreitung der Krankheit durch Wildvögel müssten jedoch Freilandhaltungen und in viel stärkerem Maße zunächst auch Wildvögel betroffen sein, bevor die Erkrankung bei Nutzgeflügel auftritt.

Tatsächlich traten Vogelgrippefälle in der Vergangenheit jedoch stets (zuerst) in geschlossenen Nutztierställen auf oder im aktuellen Fall zumindest gleichzeitig, beziehungsweise auffälligerweise fast immer zuerst und gehäuft in der Umgebung des FLI selbst (Greifswalder Bodden südlich von Rügen). Dies spricht dafür, dass sich Wildvögel und Nutzgeflügel an derselben Quelle infiziert haben beziehungsweise kontaminiertes Material sowohl in die Ställe als auch ins Freiland gelangt ist - und dies auf beängstigende Weise offensichtlich an verschiedenen Stellen in Deutschland, vor allem in Grenzregionen.

Der aktuelle Virustyp stammt aus Ostasien und hat über Indien den Sprung nach Ungarn (Putenmastanlage, ein Höckerschwan) geschafft, bevor der Virus Mitteleuropa erreichte. Es gibt überhaupt keine Zugrouten auf dieser Strecke, schon gar nicht im Herbst (im Frühjahr wäre die Teilstrecke von Ungarn nach Mitteleuropa zumindest denkbar, aber ebenfalls nicht wahrscheinlich: bei Verbreitung über Wildvögel müssten dann die Ausbrüche im Baltikum und Finnland/Skandinavien auftreten). Aus dem "Hohen Norden" macht überhaupt keinen Sinn, da dort AI-Viren oder Krankheitsfälle noch nie aufgetreten sind (trotz intensiver Suche durch das FLI) und sich die Krankheitswelle über Nordwestrussland sowie Baltikum und Polen zu uns hätte ausbreiten müssen.

Auch von "zweifelsfrei" kann bei dem Befund keineswegs die Rede sein. Erinnern Sie sich an die Empfehlung, die Patienten bei einer positiven Diagnose auf HIV gegeben wird: Lassen Sie den Test wiederholen! Bei Geflügelpest besteht dieselbe Unsicherheit, aber der Test wird nicht wiederholt, es wird gekeult. Bei Testreihen der Weltgesundheits-Organisation (WHO, 2008) mit präparierten Proben waren etwa ein Drittel der "Nationalen Influenzazentren" nicht in der Lage, alle Proben korrekt zu bestimmen - bei bis zu 30 Prozent Fehlerrate. Silke Sorge, München

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© SZ vom 19.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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