Der Gewinner:"Wir haben vieles gelernt"

Der Gewinner: Holger Schmieding, 59, ist Chefökonom der Berenberg-Bank - und Prognostiker des Jahres 2016. Er lag als einziger Forscher bei allen Kriterien richtig: bei Wirtschaftswachstum, Export, Konsum und Investitionen.

Holger Schmieding, 59, ist Chefökonom der Berenberg-Bank - und Prognostiker des Jahres 2016. Er lag als einziger Forscher bei allen Kriterien richtig: bei Wirtschaftswachstum, Export, Konsum und Investitionen.

(Foto: oh)

Ökonom Schmieding erklärt, wie er die Konjunktur in Deutschland so präzise vorhersagen konnte.

Interview von Thomas Fricke, Berlin

Etwas Abstand zu haben, kann hilfreich sein. Die besten Vorhersagen für Deutschland kamen in den vergangenen Jahren oft aus der Ferne - etwa von Holger Schmieding, der lange Zeit bei der Bank of America arbeitete und heute für die Berenberg-Bank zwischen London und Hamburg pendelt. Für 2016 gab er unter 51 Kollegen die treffendste Prognose ab.

SZ: Herr Schmieding, 2016 hat Europa Terroranschläge und einen Politschock nach dem anderen erlebt. Trotzdem lief die Konjunktur in Deutschland ziemlich genau so, wie Sie und die meisten Ihrer Kollegen schon Ende 2015 vorhergesagt haben. Wie haben Sie das gemacht?

Holger Schmieding: Wir haben in Deutschland seit mittlerweile zwei bis drei Jahren einen Aufschwung, der die Wirtschaft mit relativ konstanten Raten wachsen lässt. Das macht es einfacher, dies fortzuschreiben.

Die vielfach prophezeite Rezession nach dem Brexit blieb aus, der Absturz nach der Wahl von Donald Trump bisher auch. Ist der Wirtschaft egal, was auf der Welt politisch los ist?

Hätte man mir Ende vergangenen Jahres gesagt, dass 2016 die Briten für den Brexit und die Amerikaner für Donald Trump stimmen würden, wäre ich sicher skeptischer gewesen. Aber die Wirtschaft scheint nach den Erfahrungen der vergangenen Jahre abgehärtet zu sein gegen politische Unwägbarkeiten. Es gibt da eine größere Gelassenheit, ein Gefühl, erst einmal abzuwarten, was zum Beispiel das Brexit-Votum tatsächlich bedeutet.

Kommt der große Schock denn noch?

Es ist schon so, dass die Investitionen nachlassen, auch in Deutschland, was mit dem Brexit zu tun haben könnte. Ich glaube aber nicht, dass es infolge des Brexit noch zu einer abrupten Krise, einer Rezession kommen wird. Das wird eher schleichend wirken und die Wachstumspotenziale der britischen Wirtschaft schwächen.

Gilt das auch für den künftigen US-Präsidenten?

Viele in der Wirtschaft scheinen derzeit vor allem das Positive zu sehen: dass im Kongress jetzt erstmals wieder in beiden Kammern die Republikaner eine Mehrheit haben. Dies erhöht die Chancen auf eine Steuerreform.

Also herrscht eher Optimismus?

Ja, es gibt auch das Risiko, dass der Streit mit China eskaliert und es zum Handelskrieg kommt. Diese Gefahr wird derzeit aber durch die Hoffnung auf sinkende Steuern überlagert.

Sie haben für 2016 prognostiziert, dass aus dem großen Investitionsaufschwung der deutschen Wirtschaft wieder nichts wird, zu Recht. Hat es mit der politischen Unsicherheit zu tun, wenn Firmen vor größeren Engagements zurückschrecken?

Das spielt mit Sicherheit eine Rolle. Die Investitionen sind ja in vielen Ländern schwach. Das dürfte allerdings auch damit zu tun haben, dass Unternehmer und Investoren noch den Schock der großen Finanzkrise spüren. Viele sind seitdem vorsichtig geworden, halten das Geld lieber zusammen, statt zu investieren. Das ist ja auch der Grund, warum die Zinsen so niedrig sind. Die Niedrigzinsen sind niedrig, weil die Leute weniger Kredit aufnehmen wollen. Das hat nur bedingt mit den Notenbanken zu tun.

Sind für Deutschland die Zeiten vorbei, in denen der Export mit zweistelligen Prozentraten boomte?

Ja, definitiv. Solche Raten, wie wir sie in den 2000er-Jahren hatten, waren eine Ausnahme. Damals gab es in China einen großen Hunger auf Investitionen - und damit auf deutsche Investitionsgüter. Und es gab eine Nachfrage, die durch Kreditblasen etwa in den USA, Spanien und Großbritannien genährt wurde. Das wird es so nicht mehr geben.

Die Unfähigkeit, die Finanzkrise vorherzusehen, hat die Prognostiker-Zunft in eine Glaubwürdigkeitskrise gestürzt. Jetzt werden wieder sehr gute Prognosen gemacht.

Ich denke, wir haben vieles gelernt. Die Konjunkturexperten achten heute natürlich viel mehr darauf, was in der Finanzbranche geschieht, ob es etwa Kreditexzesse gibt. Ob das reicht, um die nächste Krise vorherzusagen, sollte man deshalb aber noch nicht versprechen. Damals kam es ja auch deshalb zur Krise, weil die Politiker falsch reagiert und Lehman haben pleitegehen lassen.

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