Brennstoffzellenautos:Wasserstoffautos drohen, an der Infrastruktur zu scheitern

Toyota Mirai

Wasserstoff auf Tour: Das Bild zeigt einen Toyota Mirai auf einer Fahrt von Köln nach Oslo.

(Foto: Firmenauto)

Und zwar lange, bevor sie sich etabliert haben. Unser Autor wäre im Toyota Mirai fast gestrandet, weil es kaum Tankstellen gibt - und viele von ihnen auch noch kaputt sind.

Von Joachim Becker

Nichts geht mehr. Nach gut 1000 Kilometern ist in München Schluss. Mit dem Reservetank kommen Autos meist locker zur nächsten Tankstelle. Doch der Toyota Mirai ist anders. Und jede funktionierende Wasserstoff-Zapfsäule ist eine halbe Tagesreise entfernt.

Dabei liegen Tage des Planens, Telefonierens, Hoffen und Bangens hinter uns. Es ist wie in den Zeiten der Flugpioniere: Mit dem Zirkel (heute: Navigations-App) über die Karten wandern, Distanzen prüfen und Landeplätze absichern. Kein Problem bei rund 400 Flugplätzen in Deutschland. Knapp zwei Dutzend Tankstellen für Wasserstoff (H₂) verschärfen die Situation jedoch erheblich. Vor allem, wenn alle Ampeln der Echtzeitanzeige im Internet plötzlich auf Rot stehen: Grün heißt tankbereit, Das rote Symbol bedeutet Wartung. Das kann eine Nacht dauern oder auch länger.

Toyota hat erst 27 Mirai in Deutschland verkauft

"Wir haben eine Auslieferung in Düsseldorf wegen eines Defekts der H₂-Tankstelle um neun Wochen verschieben müssen", sagt der genervte Toyota-Techniksprecher Dirk Breuer: "50 Wasserstoff-Tankstellen waren für 2015 in Deutschland angekündigt, am Ende gab es nur 19", klagt Breuer, "es gibt eine Vielzahl von Gründen, warum es nicht schneller geht, aber mir fehlt die Sichtbarkeit beim Ausbau der Infrastruktur." Auch 2016 kamen lediglich drei neue Tankstellen hinzu. Hätte Hyundai nicht im letzten Moment eine Zapfsäule in Offenbach eröffnet, wäre die Langstreckenfahrt von München nach Nordhessen und retour gar nicht möglich gewesen.

Kein Wunder, dass Toyota bisher erst 27 Mirai an Kunden übergeben hat. Insgesamt sind hierzulande 250 der emissionsfreien Töfftöffs unterwegs. Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Doch das häufigste chemische Element im Universum kann unauffindbar sein. Zumindest in verdichteter Form für den Antrieb.

Ab 2017 kümmern sich die Autohersteller um die Infrastruktur

Eigentlich will die Bundesregierung Brennstoffzellen fördern. So steht es jedenfalls im Abschlussbericht der Clean Energy Partnership (CEP). Einen Tag vor unserer Testfahrt stellten die Projektpartner die Bilanz aus den Jahren 2002 bis 2016 vor: "Das Fazit aller Arbeitsgruppen ist sehr positiv: Die Dekarbonisierung des Verkehrssektors ist mit Wasserstoff möglich, mehr noch: Die emissions- und geräuscharme Mobilität mit Wasserstoff ist bereits heute Realität", so die Jubelprosa über Europas größtes Projekt für Wasserstoffmobilität. In Wirklichkeit ist wenig passiert unter Leitung des Bundesverkehrsministeriums (BMVI).

Ab 2017 kümmern sich die Autohersteller und Energiekonzerne selbst um die Infrastruktur: Die Initiative H₂-Mobility soll 2017 endlich die 50 versprochenen Tankstellen erreichen. Doch dann könnte der Zug für die Brennstoffzellen schon abgefahren sein.

Dass H₂-Stromer nur Wasser ausstoßen, macht sie zum Hoffnungsträger. Intensive Forschung ließ die Kosten des alternativen Antriebs seit 2002 um 75 Prozent sinken. Reine Batteriefahrzeuge haben allerdings ähnliche Fortschritte erzielt. Deshalb gilt der beliebte Verweis auf kürzere Tankzeiten und größere Reichweiten nur noch bedingt. Die Wasserstofftanks lassen sich zwar ähnlich schnell füllen wie ein Benzintank. Nur: Die Reichweite ist ziemlich enttäuschend.

Batteriefahrzeuge holen auf

"Mobilität für die nächsten 100 Jahre" hatte Toyota bei der Premiere des Mirai versprochen. Doch die immer wieder proklamierte Reichweite von 500 Kilometern ist reine Theorie. Mit einem Praxisverbrauch von rund einem Kilogramm Wasserstoff auf hundert Kilometer liegt der Mirai 25 Prozent über dem Normwert. Hinzu kommt, dass deutlich weniger als die versprochenen fünf Kilogramm Wasserstoff in die Drucktanks passen. Selbst bei nahezu leeren Tanks lassen sich nur 3,5 Kilogramm oder enttäuschende 350 Kilometer Reichweite nachfüllen. Das kann ein Tesla mit großer Batterie genauso gut.

Im Ausscheidungsrennen der Elektroautos zählt nicht nur die Umweltbilanz, sondern auch die Praxistauglichkeit. Reine Batteriestromer sind bei der Infrastruktur grundsätzlich im Vorteil, weil sie notfalls an jeder Haushaltssteckdose tanken können. Trotzdem hält das BMVI an Brennstoffzellen fest: Sie sollen in Deutschland gebaut werden, während Batteriezellen größtenteils aus Japan und Korea stammen. Letzteres ist dem Bundesverkehrsminister ein Dorn im Auge: "Wir erleben international einen neuen Wettbewerb um den Antrieb der Zukunft. Mit im Zentrum steht dabei die Brennstoffzelle als eine Schlüsseltechnologie der Mobilität 4.0", so Alexander Dobrindt, "Deutschland muss hier als Autoland die Innovationsführerschaft übernehmen."

An Versuchen, die Brennstoffzelle stärker ins öffentliche Bewusstsein zu heben, hat es nicht gemangelt. Daimler ließ 2011 drei Mercedes B-Klasse F-Cell um die Welt fahren. Innerhalb von 125 Tagen legten sie jeweils rund 30 000 Kilometer zurück. Damit etablierte sich zwar die 700-bar-Technologie. Wirklich langstreckentauglich wurden die drei Brennstoffzellenfahrzeuge aber erst durch eine eigens gebaute, mobile Betankungsanlage. Rund um die Welt lieferte Linde den hochreinen Industrie-Wasserstoff per Tanklastwagen an. Dann wurde das Gas mit der mobilen Pumpe auf Auto-gerechte 700 bar verdichtet. Nur zum Vergleich: Ein prall gefüllter Autoreifen kommt auf rund 2,5 bar. Kein Wunder, dass sich die mobile Pumpstation wie ein Stier beim Bullenreiten schüttelte. Gebracht hat der Kampf mit der Technik wenig: Kurze Zeit nach der Wasserstoff-Welttournee verschob Daimler den Serienstart auf das Jahr 2017.

Eine Revolution sieht anders aus

Kommt der Durchbruch im nächsten Jahr? Mercedes wird den GLC F-Cell als Serienfahrzeug auf der IAA 2017 präsentieren. Erstmals passen die Brennstoffzellen (Fuel Cell oder kurz F-Cell) samt Elektromotor in den Motorraum. Doch für genügend Energiespeicher ist zu wenig Platz. In dem engen Fahrzeugboden kommen lediglich zwei relativ kleine Zylinder für vier Kilogramm Wasserstoff unter. Für (theoretische) 500 Kilometer Reichweite braucht das 4,66 Meter lange Crossover-Modellzusätzlich eine Lithium-Ionen-Batterie unter der Rückbank: Der zweite Energiespeicher treibt das Gewicht und die Kosten des Plug-in-Hybrids in die Höhe. Mercedes rechnet daher nur mit einem vierstelligen Gesamtabsatz: Eine Revolution sieht anders aus.

Hat die H₂-Technologie made in Germany eine Zukunft? Nach den Erfahrungen mit dem Mirai dürfte auch der GLC F-Cell kein Reichweitenwunder werden. Weil die energiesparende Schleichfahrt ermüdend ist, nutzten wir jeden Tankstopp auf unserer Testfahrt für eine Kaffeepause. Und siehe da: In der Zeit hätte sich auch der Tesla am Supercharger wieder satt genuckelt. Entgegen allen Erwartungen sind aktuelle Brennstoffzellenfahrzeuge also nicht die klaren Marathon-Sieger unter den alternativen Antrieben. In der Stadt haben sie ohnehin das Nachsehen, weil das Temperieren und Entlüften Energie kostet: Brennstoffzellen brauchen knapp 100 Grad Celsius, damit der Wasserstoff mit der Außenluft reagieren kann.

Da ist es wieder, das Henne-Ei-Problem

Von der kontrollierten Knallgasreaktion in Hunderten hauchdünnen Brennstoffzellen bekommen die Passagiere außer einem leisen Lüfterpfeifen kaum etwas mit. Der Mirai läuft angenehm ruhig und komfortabel. Seine hausgemachte elektrische Energie reicht für 113 kW (154 PS) Leistung. Klingt ordentlich, ist bei einem Leergewicht von 1850 Kilogramm aber kein Grund für Freudensprünge. Zumal der Cockpitcomputer behutsames Beschleunigen anmahnt. Dabei waren wir als rollendes Verkehrshindernis unterwegs.

Mehr Reichweite selbst bei höherer Leistung brächte die tiefkalte Speicherung von Wasserstoff als Flüssiggas. Doch selbst die beste Isolierung kann nicht verhindern, dass der Kryo-Tank leerdampft, wenn der Wagen nicht gefahren wird. Also bleibt es erst einmal bei den 700-bar-Zapfsäulen. Bis 2018 soll es 100 Stationen in sechs großen Metropolregionen und an deren Verbindungsachsen in Deutschland geben. Bis 2023 plant H₂-Mobility ein Versorgungsnetz von bis zu 400 Tankstellen. Aber nur wenn die Zahl der Brennstoffzellenfahrzeuge kräftig steigt. Bei dem dürftigen H₂-Tankstellennetz, der wachsenden Elektroinfrastruktur und zunehmenden Batteriereichweiten sieht die Wasserstoffzukunft nicht gerade rosig aus.

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