Doppelmonarchie Österreich-Ungarn:Otto von Habsburgs Nachlass geht nach Ungarn

Jahreswechsel - Die Toten des Jahres 2011

Otto Habsburg, Sohn des letzten Kaisers von Österreich.

(Foto: dpa)

Das entschieden die Söhne des letzten österreichischen Kronprinzen. Für Premier Orbán ist das ein vorweihnachtlicher Coup - in Wien ist man verstimmt.

Von Cathrin Kahlweit, Wien

Die Unterkirche der Benediktinerabtei Pannonhalma in Ungarn ist ein eindrucksvoller Ort: Hinter einem Tor aus Rotmarmor liegt ein Kreuzgewölbe, gestützt auf achtkantige Sockel und Säulen, deren Kapitele mit Blattornamenten und Knospen bedeckt sind. Hier wurde kurz nach seinem Tod 2011 das Herz von Otto Habsburg-Lothringen beigesetzt.

Der frühere Kronprinz, der einst als "Kaiserliche und Königliche Hoheit, Kaiserlicher Prinz, Erzherzog von Österreich und Königlicher Prinz von Ungarn" firmierte, war der älteste Sohn des letzten Kaisers, Karl I. Er war in der Nähe der Abtei einige Monate zur Schule gegangen und später Mitglied der benediktinischen Studentenverbindung Pannonhalma gewesen.

Traditionell ließen die Habsburger ihre Körper in der Kapuzinergruft in der Hauptstadt bestatten, das Herz aber an einem Herzensort. Otto Habsburg, der mehrere Staatsbürgerschaften besaß, entschied sich für Ungarn. Nun haben sich seine Söhne, Karl und Georg, dafür entschieden, auch seinen Nachlass nach Ungarn zu geben, konkreter: in das Burgviertel von Budapest.

Ministerpräsident Viktor Orbán lässt es gerade aufwendig um- und ausbauen. Ein historisches Palais als neuer Amtssitz für Orbán steht kurz vor der Vollendung. Der habe der Familie ein Angebot gemacht, das man nicht habe ablehnen können, heißt es nun in einer Erklärung der Habsburger. Dafür wurde sogar extra ein neues Stiftungsgesetz vom Budapester Parlament verabschiedet; erstes Sujet ist die Stiftung für den Nachlass des einstigen CSU-Politikers und Europa-Parlamentariers, der mit der Schirmherrschaft für das Paneuropäische Picknick 1989 ein Stück Mauerfall-Geschichte schrieb.

Offenbar hat Orbán persönlich dafür gesorgt, dass das Habsburg-Archiv üppig ausgestattet ist und 2018, nach Fertigstellung der Burg, in seiner Nähe untergebracht wird. Für den Ungarn ist das ein kleiner Coup. Denn unter anderem an den Finanzen war der Verbleib der Akten und Briefe, die Zeitgeschichte aus einem ganzen Jahrhundert enthalten, in Österreich gescheitert.

Dort ist man nun mehr als verstimmt. Sein Körper in Österreich, sein Herz in Ungarn - so hatte es Otto Habsburg lange vor seinem Tod verfügt. Aber dass nun sein gesamter Nachlass nicht - wie alle anderen Dokumente, Korrespondenzen, historisch relevanten Unterlagen des Geschlechts, die bis ins 13. Jahrhundert zurückreichen - im "Haus-, Hof- und Staatsarchiv" in der Wiener Hofburg liegen sollen, wird in Wien als kleiner politischer Skandal gewertet - und als Affront des aktuellen Familienoberhaupts Karl Habsburg sowie seines jüngeren Bruders.

Die unterzeichnen übrigens, wie viele ihrer blaublütigen Landsleute, immer noch mit "von", wenngleich das Recht zum Tragen von Adelstiteln 1919 formal aufgehoben wurde. Wichtig sei für ihn gewesen, sagt Karl Habsburg, dass das Archiv im Eigentum der Familie bleibe. Es habe nicht zur Debatte gestanden, die Unterlagen in ein staatliches Archiv einzugliedern.

Rainhard Kloucek, Sprecher der Paneuropabewegung, der Otto Habsburg angehörte und die er prominent gemacht hat, verweist darauf, dass Otto selbst nie Herrscher gewesen sei, nachdem sein Vater auf jeden Anteil an den Staatsgeschäften verzichtet hatte (Karl I. dankte 1918 nicht offiziell ab). Seine Korrespondenzen, Reden, politischen Schriften gehörten nicht zwingend ins Staatsarchiv. Außerdem: "Seine Familie musste ja das Land verlassen, sie hatte ohnehin keine Wahl", so Kloucek.

Zwei Jahre verhandelte die Familie nach Ottos Tod mit Niederösterreich

Die Familie verhandelte nach dem Tod Ottos lieber zwei Jahre lang mit dem Land Niederösterreich über die Gründung eines Privatarchivs im Stift Klosterneuburg, das dem Orden der Augustiner Chorherren gehört. Dort hätten, so der Plan, Räumlichkeiten eingerichtet und womöglich Mitarbeiter bereitgestellt werden sollen. Ein Sprecher des Landes Niederösterreich sagt, man sei von den Habsburgern aber schlussendlich "vor vollendete Tatsachen gestellt" worden. Kloucek sagt, die vollendeten Tatsachen seien erst eingetreten, als sich das Land Niederösterreich nicht ausreichend bewegt habe.

Sei's drum. Wichtiger - aus Wiener Sicht - dürfte ohnehin sein, dass diesmal Budapest am längeren Hebel sitzt. In der langen, wechselhaften Geschichte der Donaumonarchie, in der Budapest immer die kleinere, weniger prächtige Schwester der Metropole Wien gewesen war, ist das eindeutig eine hübsche Pointe.

Die Ungarn hatten sich mit einer veritablen Revolution Mitte des 19. Jahrhunderts gegen den Patronismus und die Übermacht des Habsburger Kaisertums aufgelehnt. 1867 hatten sie die Wiederherstellung des ungarischen Reichstages sowie der ungarischen Krone und damit innenpolitische Autonomie erzwungen.

Franz Joseph I. wurde im Rahmen des sogenannten Ausgleichs zum König von Ungarn gekrönt. Das ist lange her. Aber für Ungarns Premier Viktor Orbán, der noch nicht ganz so lang am neuen Ruhm des Magyarentums arbeitet, dürfte die jüngste Volte ein schönes Weihnachtsgeschenk gewesen sein.

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