BGH-Urteile 2016:Getäuscht, gezahlt, gerechnet

BGH verhandelt über Rechte biologischer Väter bei der Anfechtun

Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat wieder viele Regeln präzisiert. 2016 gab es wichtige Entscheidungen zu Betriebskosten und Kündigungen.

(Foto: Uli Deck/dpa)

Wer muss den Garten pflegen, was sind Betriebskosten? Das klärt in letzter Instanz der Bundesgerichtshof.

Vorgetäuscht. Eine Kündigung wegen Eigenbedarfs kann unwirksam sein, wenn die Wohnung schon nach kurzer Zeit unvermietet verkauft wird. In dem Fall wollte der Eigentümer die Wohnung schon seit Längerem verkaufen. Er meldete für seinen Neffen Eigenbedarf an und kündigte den Mietern. Doch schon nach neun Monaten verkaufte der Eigentümer die Wohnung - unvermietet. Der Neffe war schon wieder ausgezogen. Die Mieter verlangten daher gut 60 000 Euro Schadenersatz, bekamen in der Vorinstanzen aber nicht recht. Der BGH dagegen hält es für möglich, dass der Vermieter den Eigenbedarf nur vorgeschoben hat, um die Wohnung zu einem besseren Preis verkaufen zu können. Ein solches Verhalten wäre ein vorgetäuschter Eigenbedarf, ein Schadenersatzanspruch stünde dem Mieter zu. (Beschluss vom 10. Mai 2016, VIII ZR 214/15).

Gepflegt. Die Kosten für die Pflege der Außenanlagen können in der Betriebskostenabrechnung auf den Mieter umgelegt werden. Zu den umlagefähigen Ausgaben gehören unter anderem das Rasenmähen, das Bewässern und Säubern, das Beschneiden der Hecken, das Fällen von kranken oder morschen Bäumen oder das Abfahren von Gartenabfällen. Ebenfalls dazu gehört die Beseitigung von Verunreinigungen wie zum Beispiel Hundekot (Urteil vom 10. Februar 2016, VIII ZR 33/15). Ist die Gartenanlage allerdings der Öffentlichkeit zugänglich, müssen Mieter nicht zahlen: Wenn jedermann die Flächen nutzen darf, unabhängig davon, ob er eine Wohnung in der Wohnanlage gemietet hat, können die Gartenarbeiten nicht als Betriebskosten umgelegt werden.

Einbehalten. Wenn das Mietverhältnis beendet ist, hat der Vermieter bis zu sechs Monate Zeit, über die Kaution abzurechnen. Für eventuelle Betriebskostennachforderungen darf der Vermieter einen Teil der Kaution über die Frist hinaus einbehalten, bis er die Abrechnung von der Verwaltung erhalten hat. Sind die Forderungen allerdings verjährt, darf der Vermieter dafür nicht die Kaution zurückbehalten (Urteil vom 20. Juli 2016, VIII ZR 263/14).

Verloren. Erwirbt ein Mieter seine Wohnung durch Ausübung seines Vorkaufsrechts, kann er sich nicht auf Nutzungsrechte berufen, die er als Mieter hatte. Wurde die Wohnung dem Mieter zum Beispiel ohne das Sondernutzungsrecht an dem Gartenanteil verkauft, der von ihm als Mieter genutzt worden war, besteht kein Recht auf weitere Nutzung des Gartens (Urteil vom 27. April 2016, VIII ZR 323/14).

Vereinbart. Die Frage, ob es sich bei einer Klausel im Mietvertrag um eine vorformulierte Vertragsklausel oder um eine individuell ausgehandelte Vereinbarung handelt, kann von entscheidender Bedeutung sein. In einer Individualvereinbarung haben Vermieter und Mieter einen viel größeren Spielraum. Allerdings werden an die Wirksamkeit einer Individualvereinbarung strenge Bedingungen geknüpft. Voraussetzung ist unter anderem, dass der Mieter Einfluss auf den Inhalt der Klausel nehmen konnte. Dazu ist erforderlich, so der BGH, dass der Mieter Gelegenheit hat, eigene Vorschläge zu machen. Das sei aber nicht gegeben, wenn der Vermieter dem Mieter den Vertrag nur mit der Bitte übersende, Anmerkungen oder Änderungswünsche mitzuteilen. Dies signalisiere lediglich eine gewisse Verhandlungsbereitschaft und führe nicht automatisch zu einer Individualvereinbarung (Urteil vom 20. Januar 2016, VIII ZR 26/15).

Abgerechnet. Bei bestimmten Betriebskostenarten, zum Beispiel den Hausmeisterkosten, kann der Betrag nicht komplett auf den Mieter umgelegt werden. Das liegt daran, dass der Hausmeister nur teilweise umlagefähige Arbeiten verrichtet. Verwaltungsarbeiten können zum Beispiel nicht umgelegt werden. Während dies bisher für den Mieter transparent im Einzelnen dargelegt werden musste, hat der BGH diese Rechtsprechung nun geändert. Es genügt, wenn der Vermieter bei der jeweiligen Betriebskostenart den Betrag angibt, den er auf die Wohnungsmieter umlegt. Der Mieter habe schließlich Anspruch auf Einsicht in die Abrechnungsunterlagen und Belege (Urteil vom 20. Januar 2016, VIII ZR 93/15).

Angekreuzt. Wurde im Mietvertrag versehentlich sowohl die Variante "Betriebskostenpauschale" als auch "Betriebskostenvorauszahlung" angekreuzt, führt das nicht dazu, dass der Mieter gar keine Betriebskosten zahlen muss (Beschluss vom 7. Juni 2016, VIII ZR 274/15).

Gewöhnt. Auch wenn ein Vermieter über einen längeren Zeitraum nicht über die Betriebskostenvorauszahlungen abrechnet, der Mieter aber trotzdem die Vorauszahlungen vorbehaltlos weiterzahlt, führt dies nicht zu einer stillschweigenden Umstellung des Mietvertrags. Für eine Umstellung hin zu einer Pauschale muss ein entsprechender Vertragsänderungswille erkennbar sein. Stillschweigen genügt nicht, entschied der BGH. (Urteil vom 16. März 2016, VIII ZR 326/14).

Verspätet. Wurden im Mietvertrag Vorauszahlungen auf die Betriebskosten vereinbart, muss der Vermieter innerhalb von zwölf Monaten über die Betriebskosten abrechnen. Innerhalb dieses Zeitraums kann er Nachforderungen stellen - auch dann, wenn im Mietvertrag eine frühere Frist für die Abrechnung vereinbart wurde. In dem Fall hieß es im Mietvertrag: "Spätestens am 30. Juni eines jeden Jahres ist über die vorangegangene Heizperiode abzurechnen." Die Vermieterin rechnete etwas später ab. Der Mieter muss dennoch die Nachforderung begleichen, so der BGH. Die Verspätung berechtigte ihn lediglich, Vorauszahlungen zurückzubehalten. (Urteil vom 20. Januar 2016, VIII ZR 152/15).

Verrechnet. Auch Mieter müssen spätestens zwölf Monate nach Erhalt der Betriebskostenabrechnung Fehler reklamieren. Das gilt unabhängig davon, wie fehlerhaft die Abrechnung ist oder auch, wie oft der Mieter bei früheren Abrechnungen diesen Fehler schon reklamiert hat. In dem Fall hatte der Vermieter 700 Euro Vorauszahlungen des Mieters nicht berücksichtigt und außerdem Kosten für Instandhaltung und Verwaltung abgerechnet. Der Mieter rügte diese Fehler, allerdings erst nach 22 Monaten. Zu spät, wie die Richter entschieden (Az. VIII ZR 209/15).

Vereinfacht. Umlage ohne Erläuterung. Die Übertragung von Betriebskosten auf den Mieter kann mit der Klausel "die Betriebskosten trägt der Mieter" erfolgen. Der Betriebskostenkatalog muss nicht beigelegt werden, ebenso wenig muss auf die Betriebskostenverordnung Bezug genommen werden (Urteil vom 10. Februar 2016, VIII ZR 137/15).

Überwiesen. Beim Überweisen ihrer Miete können sich Mieter künftig mehr Zeit lassen. Die übliche Klausel im Mietvertrag, wonach die Miete bis zum dritten Werktag des Monats eingegangen sein muss, ist unwirksam, wie der BGH entschied. Danach reicht es aus, wenn Mieter die Miete am dritten Werktag des Monats bei ihrer Bank anweisen. (Az. VIII ZR 222/15)

Eingetreten. Vermieter können Schäden, die Polizisten bei Wohnungsdurchsuchungen anrichten, nicht ohne Weiteres auf den Mieter abwälzen. Dies ist nur möglich, wenn ein Mieter die Wohnung etwa als Drogenlager benutzt und damit gegen seine Pflicht verstößt, die "Mietsache schonend und pfleglich zu behandeln", heißt es in einem vom Bundesgerichtshof verkündeten Urteil. Im vorliegenden Fall hatten Beamte die Wohnungstür eines mutmaßlichen Drogendealers mit Gewalt geöffnet und dabei einen Schaden von mehr als 1500 Euro verursacht. Die Vermieterin wollte diesen Betrag vom Mieter einklagen. Doch bei ihm war nur sehr wenig Marihuana gefunden worden. (Az.VIII ZR 49/16)

Gekauft. Eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann eine Wohnung wegen Eigenbedarfs eines ihrer Gesellschafter oder dessen Angehörigen kündigen. Damit hält der BGH an seiner Rechtsprechung fest. Im aktuellen Fall hatte eine aus vier Gesellschaftern bestehende GbR ein Mietshaus im Münchener Stadtteil Lehel gekauft, um die Immobilie zu sanieren und in Eigentumswohnungen aufzuteilen. Einem alten Ehepaar, das dort seit 1985 in der letzten nicht sanierten Wohnung mit 166 Quadratmetern für 1370 Euro Miete wohnte, kündigte ein Gesellschafter dann wegen Eigenbedarfs seiner Tochter. Dies geschah zu Recht, wie nun der BGH entschied: Anspruch auf Eigenbedarfskündigungen hätten zwar nur natürliche, nicht aber juristische Personen. Die Gesellschafter einer GbR unterschieden sich in solch einem Fall aber letztlich nicht von einer Hauseigentümer- oder Erbengemeinschaft, die auch aus vielen Personen mit einem Anspruch auf Eigenbedarf bestehen könne. (Az. VIII ZR 232/15)

Gekündigt. Zahlt ein Mieter die Miete nicht, kann der Vermieter auch noch Monate später den Mietvertrag kündigen. Die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses wegen Zahlungsverzugs muss nicht innerhalb einer "angemessenen Frist" erfolgen. Ein Vermieter kann laut BGH auch noch nach mehr als sieben Monaten, nachdem er von den aufgelaufenen Mietrückständen und damit von dem Kündigungsgrund erfahren hat, fristlos kündigen (BGH VIII ZR 296/15).

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