Liebe, Sex und Krieg:Wunderwaffe Pin-up

Propaganda mit erotischen Bildern, Wehrmachtsbordelle und üppige Blondinen: In einer Ausstellung des Pariser Musée de l'Armée finden Liebe, Sex und Krieg zueinander.

Johannes Willms

Auch wenn der Krieg vor allem Männersache ist, was nicht zuletzt durch Ernst Jünger verbürgt ist, so spielen Frauen in allen Konflikten der Menschheitsgeschichte dennoch eine große Rolle. Früher waren sie sogar bisweilen der Anlass dafür, dass sich Männer scharenweise nach dem Leben trachteten, wie das Zeugnis von Christopher Marlowe belegt, der im "Doctor Faustus" von der Trojanischen Helena sagte: "A face that launch'd a thousand ships."

Liebe, Sex und Krieg: In den letzten Kriegswochen des Jahres 1945 enstand diese Aufnahme von Ingrid Bergman, die hier als blonde, unwiderstehliche Siegesgöttin zu posieren scheint.

In den letzten Kriegswochen des Jahres 1945 enstand diese Aufnahme von Ingrid Bergman, die hier als blonde, unwiderstehliche Siegesgöttin zu posieren scheint.

(Foto: Foto: Yank, the Army Weekly)

Das ist bereits länger her, auch hat sich seitdem der Zusammenhang zwischen Krieg und Liebe, Mann und Frau zwar einerseits hormonell und sexuell versachlicht, andererseits aber auch kompliziert. Wie sehr, darüber kann man sich Aufschluss verschaffen, indem man die Ausstellung durchwandert, die im Pariser "Musée de l'Armée" zum Thema "Amours, guerres et sexualité 1914-1945" gezeigt wird.

Das Thema hat, wie diese leider reichlich verwirrend strukturierte und arrangierte Schau demonstriert, eine überraschend große Fülle von sehr unterschiedlichen Facetten. Das gilt beispielsweise für die Kriegspropaganda, die sich eindeutig erotisch aufgeladener Bilder bedient und die Sexualität mehr oder minder offensichtlich als Waffe gegen den Gegner verwendet. Gleichwohl sollte man sich davor hüten, in jedem Geschoss und jeder Granate einen Phallus zu erkennen, wie dies die Bildlegenden zu suggerieren suchen.

Gerade aber wegen dieser thematischen Übereinstimmung fallen die den unterschiedlichen kulturellen Prägungen der den Kriegsgegnern geschuldeten Differenzen in der bildlichen Umsetzung umso mehr auf. Kaum überraschend deshalb, dass die hier gezeigten amerikanischen Plakate und Fotografien am modernsten und als Reklame am verführerischsten wirken.

Ebenso bezeichnend ist andererseits, dass das obrigkeitlich geförderte und hygienisch strikt kontrollierte Sexualleben der Soldaten in der Etappe aufseiten der Deutschen mit besonders umsichtiger Gründlichkeit vonstattenging. Ein besonders erschütterndes Dokument dafür ist die Fotografie eines Wehrmachtsbordells in der französischen Hafenstadt Brest, das in einer Synagoge eingerichtet wurde: Die Sexualhygiene findet sich hier mit der mörderischen "Rassenhygiene" der Nazis umstandslos verschwistert. Breiten Raum nehmen schließlich auch die erotischen Phantasien der Soldaten ein, die in allerhand Zeichnungen, Schnitzereien, Gravuren oder sogar kleinen Skulpturen ihren Niederschlag fanden.

Aber selbst hier werden die kulturellen Differenzen deutlich, wie eine Fotografie zeigt, auf der zwei deutsche Soldaten das große Pin-up einer üppigen Blondine bestaunen, die den Treibstofftank eines amerikanischen Bombers ziert. Solche "Wunderwaffen" waren konkurrenzlos, weshalb es auch nur konsequent war, dass ein besonders bemerkenswertes Pin-up auf dem Umschlag der amerikanischen Militärillustrierten Yank vom 16. März 1945 prangte: Ingrid Bergman, blond, strahlend und wenigstens so unwiderstehlich wie einst die Trojanische Helena, als zeitgemäße Ikone einer Göttin von Sieg und Frieden.

"Amours, guerres et sexualité", Pariser Musée de l'Armée, bis 31. Dezember . Katalog 23 Euro. Info: www.invalides.org

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