Ein Aufsatz:Wie Afrika sich selbst entdeckte

Der kongolesische Schriftsteller Alain Mabanckou spricht in seiner Antrittsvorlesung am Collège de France kämpferisch über die afrikanische Literatur. Nachzulesen in der Zeitschrift "Sinn und Form".

Von Lothar Müller

Fast wäre im vergangenen Jahr ein Jubiläum unbemerkt vorübergegangen. Aber der Schriftsteller Alain Mabanckou machte in seiner Antrittsrede am "Collège de France" in Paris darauf aufmerksam: 1916 begann in Frankreich die Werbekampagne für das Schokoladengetränk "Banania", mit Plakaten, die das koloniale Bild des schwarzen Afrikaners nachhaltig prägten.

Alain Mabanckou ist 1966 in Pointe-Noire im Kongo geboren, schreibt seine Romane, Gedichte und Essays auf Französisch und pendelt zwischen Europa, Afrika und Santa Monica, wo er seinen Hauptwohnsitz hat und an der University of California lehrt. Seine im März 2016 gehaltene Antrittsvorlesung an der französischen Elite-Institution, von Beate Thill vorzüglich übersetzt, bringt die Zeitschrift Sinn und Form in ihrer aktuellen Ausgabe (Alain Mabanckou: "Lettre Noires". Afrikanische Literaturen heute, 69. Jahrgang, Erstes Heft, Berlin 2017).

Die Vorlesung ist mehr als ein Überblick über das Wechselspiel zwischen der Literatur französischer Reisender, Abenteuerschriftsteller und Forscher und der von Afrikanern verfassten frankofonen Literatur. Sie enthält die Genealogie des Autors Mabanckou selber, der sich der postkolonialen Situation zuordnet, in der die afrikanische Literatur auf eine Welt reagiert, in der "der weiße Kolonialherr durch den schwarzen Diktator ersetzt" wurde.

In "Zerbrochenes Glas" (2013), einem der auf Deutsch im Liebeskind Verlag erschienenen Romane Alain Mabanckous, kann der Wirt der Bar "Angeschrieben wird nicht" in Brazzaville "Binsenweisheiten von der Art, wenn in Afrika ein Greis stirbt, verbrennt eine Bibliothek, nicht leiden, und wenn er dieses ausgelatschte Klischee hört, wird er mehr als sauer". Wie dieser Wirt kann sein Autor die Festlegung Afrikas auf eine verklärte "Oralität" nicht leiden. Mabanckous Vorlesung handelt von der Entstehung des Selbstbewusstseins der afrikanischen Literatur.

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