Dänemark:Schön sparsam

Kopenhagen

Altbauten werden saniert, Neubauten müssen effizient sein: Um das Klimaziel zu erreichen, hat Kopenhagen die Gebäude ins Visier genommen.

(Foto: Copenhagen Media Center/Jacob Schjørring & Simon Lau)

Kopenhagen will 2025 als erste Hauptstadt der Welt klimaneutral sein. Gelingen soll das mit Hunderten von Einzelprojekten und vielen neuen Ideen.

Von Julia Graven

Ein Parkhaus ist meist ein seelenloser Klotz, ein zementierter Beweis für die Abhängigkeit vom Auto. Aber was, wenn oben auf dem sechsstöckigen Gebäude ein Spielplatz ist? Wenn der Ausblick über Stadt und Hafen jede Menge Touristen anlockt? Wenn eine Digitalanzeige Freizeitsportlern anzeigt, wie schnell sie die Treppe aufs Dach hochlaufen? Das Lüders Parkhaus im neuen Stadtteil Nordhavn ist ein Symbol für die nachhaltige Stadtplanung der dänischen Hauptstadt Kopenhagen. Ein Zweckbau für eine automobilbegeisterte Gesellschaft wird hier zum Freizeitort, der außerdem noch gut für die Umwelt sein soll. Denn das Parkhaus ist auch ein Energiespeicher. In Zukunft sollen geparkte Elektroautos Energie nach Bedarf zwischenspeichern oder an das Stromnetz abgeben können. Bis es so weit ist, übernimmt eine große Batterie im Erdgeschoss diese Funktion. Sie kann überschüssige Energie von Windrädern oder Solaranlagen speichern und 60 Haushalte einen Tag lang mit Strom versorgen.

Kopenhagen demonstriert, wie eine Großstadt trotz Platzmangel, knapper werdender Ressourcen und Klimawandel lebenswert bleibt. 2025 will man klimaneutral sein - und sieht sich hierbei als Vorbild für viele andere Metropolen. Schließlich verursachen Städte nahezu drei Viertel aller weltweiten CO₂-Emissionen.

Jørgen Abildgaard, Projektleiter für den Klimaplan bei der Stadtverwaltung, hat Hunderte Einzelprojekte im Blick. Die Stadt will den Energieverbrauch senken, komplett auf klimafreundliche Energieerzeugung umstellen und den Verkehr grün machen. Eine Herausforderung dabei ist das Wachstum: Die Stadt zählt Monat für Monat tausend Einwohner mehr. Kopenhagen zieht Menschen an, die gut verdienen und gut leben wollen. Die Stadt ist hip, die Einkommen sind neben denen in Zürich die höchsten in Europa. "Mittlerweile kommen sogar Start-up-Gründer aus London, weil sie mit ihren Familien hier besser leben können", sagt der Architekt Bo Christensen.

Die Stadtplaner tun alles, damit diese Menschen nicht den Umzugswagen in die Vororte nehmen. 2,5 Millionen Quadratmeter neuer Wohnraum entstehen in sechs großen Neubauquartieren. Alle sind weniger als zehn Kilometer vom historischen Puppenstuben-Zentrum der Stadt entfernt. Die Metropole wächst nach innen. Immer neue Fahrradwege und Brücken über den Hafen halten die Wege für Radfahrer und Fußgänger kurz. Schon jetzt fahren 45 Prozent aller Kopenhagener mit dem Fahrrad in die Arbeit oder Uni.

Die konservative Regierung hat die Einführung einer Citymaut für Autos verhindert

Acht Jahre bleiben noch, bis die Stadt klimaneutral sein soll. Aktuell hinkt Kopenhagen leicht hinterher. Gegenwind kommt von der konservativen dänischen Regierung. Die hat zum Beispiel eine Citymaut für Autos verhindert. Auch beim Energiesparen laufe es noch nicht rund, sagt Jørgen Abildgaard. Doch die meisten Kopenhagener stünden hinter den Plänen der Kommune. Im Moment kämpft der Projektleiter gegen lautes Bohren und Hämmern aus dem Nachbarbüro an. "Im Haus werden gerade die Fenster ausgetauscht", sagt er entschuldigend. Auch das ist Teil des Plans. 20 000 Tonnen CO₂ will die Stadtverwaltung selbst bis 2025 einsparen. Müllwagen fahren mit Biogas, die Straßenlaternen wurden 2016 komplett mit LEDs ausgerüstet. Schulen, Kindergärten und Verwaltungsgebäude werden nach und nach energetisch saniert.

Der Strom- und Wärmeverbrauch soll bis 2025 um 20 Prozent sinken. "In den vergangenen Monaten haben wir für jedes einzelne Gebäude in Kopenhagen Energiedaten gesammelt", erzählt Abildgaard. "Wir wissen genau, wo die Probleme liegen." Jetzt bringe die Stadt private Hausbesitzer zusammen, sagt Abildgaard: "Wenn wir die Eigentümer von zehn Mietshäusern aus der Jahrhundertwende zusammenbringen, tun die sich viel leichter, jemanden zu finden, der die Sanierung zu einem guten Preis übernimmt." Subventionen oder Fördermittel gibt es kaum.

Bei den großen Wohnungsunternehmen setzt Kopenhagen ebenfalls auf Kooperation. Gerade hat die Stadt mit 22 von ihnen vereinbart, bis 2025 mindestens zehn Prozent Energie einzusparen. Im Gegenzug helfen Techniker des Versorgers Hofor bei der optimalen Einstellung der Heizungsanlagen. Außerdem haben sie in fast alle Gebäude der Projektpartner Messgeräte eingebaut, die Wasser- und Heizungsverbrauch messen und Probleme erkennen. Peter Lassen, Partner bei Colliers International, sagt: "Kopenhagens Klimaziele nützen auch uns, um die Stadt bei internationalen Unternehmen und Investoren zu bewerben."

Neben den freiwilligen Verpflichtungen gibt es auch klare gesetzliche Vorgaben: Ab 2020 dürfen neue Wohngebäude in ganz Dänemark im Jahr nicht mehr als 20 Kilowattstunden pro Quadratmeter für Heizung, Warmwasser oder Kühlen verbrauchen. Im neuen Stadtteil Nordhavn schreibt die Stadt diesen Wert schon jetzt vor. Trotzdem ist der ehemals triste Industriehafen bei Investoren und Käufern begehrt. In der obersten Etage eines ehemaligen Silos steht eine Wohnung zum historischen Höchstpreis von vier Millionen Euro zum Verkauf. Das dänische Pendant zur Hamburger Hafencity wird schick, teuer - und ökologisch vorbildlich.

Das Forschungsprojekt Energy Lab Nordhavn hat die ersten Wohnungen mit Sensoren ausgestattet, die zum Beispiel über die Wandtemperatur genau messen können, wie lange sich die Heizung ausschalten kann, ohne dass die Bewohner es überhaupt merken. Die intelligente Technik soll trotz schwankender Ausbeute von Windrädern und Solaranlagen zuverlässig Wärme und Strom liefern. Zum Beispiel können Wohnungen im Voraus geheizt werden, wenn Verbrauchsspitzen anstehen. So werden die Gebäude selbst zu Energiespeichern. Büros werden mit Meerwasser gekühlt, der Müll wird unterirdisch gesammelt und abgesaugt, Parkplätze verschwinden von der Straße: Das urbane Leben ist nicht mehr von Verkehr, Lärm und Beton geprägt, sondern von Grün. Das hilft zugleich beim Umgang mit dem Klimawandel. Kopenhagen hatte schon in der Vergangenheit mit heftigem Starkregen zu kämpfen. In kürzester Zeit war die Kanalisation überlastet, Straßen wurden überflutet. In Zukunft rechnen Experten mit immer häufigeren extremen Regenfällen. Deshalb hat Kopenhagen einen "Cloudburst Management Plan" aufgestellt.

Eines der ersten von 300 Einzelprojekten war der Umbau des historischen Sankt Annæ Plads in der Altstadt. Hier zeigt sich, wie technischer Klimaschutz gleichzeitig die Lebensqualität verbessern kann. Der lang gezogene Platz mit seiner eleganten Bebauung ist zur grünen Oase geworden, die eine fast aufreizende Art Ruhe ausstrahlt. Mehr als 200 Parkplätze wurden hier entfernt, die Straße wurde verschmälert. Dafür wurde in der Mitte ein etwas tiefer liegender Grünstreifen mit Rasen und Bäumen angelegt. Bei schönem Wetter ist das ein idealer Ort für eine Mittagspause, bei Regen das Auffangbecken für die Wassermassen. Darunterliegende Abflussrohre leiten das Wasser in den Hafen. "Hedonistische Nachhaltigkeit" nennt der dänische Architekt Bjarke Ingels das. Thomas Auer, Professor für Gebäudetechnologie und klimagerechtes Bauen an der TU München, ist beeindruckt: "Eine solche ganzheitliche Klimaplanung kenne ich aus keiner deutschen Stadt", sagt er. "Da ist Kopenhagen schon sehr, sehr weit."

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