Mieten:Die ungewöhnlichsten Dienstwohnungen Münchens

Die einen Münchner wohnen im Tierpark, andere direkt neben dem Olympiaturm - und eine Wohnung im fünften Stock des Rathauses wollte einfach niemand haben.

Von Christina Hertel

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Mit Löwen als Nachbarn

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Quelle: Catherina Hess

Den schönsten Garten Münchens hat Sabine Eitel - zumindest sagt sie das selbst über ihr Zuhause. Seit 22 Jahren lebt Eitel, eine schlanke Frau Ende 40, im Tierpark Hellabrunn - mit Löwen, Giraffen, einigen Kollegen und ihrem Chef als Nachbarn. Geplant war das nie. Eigentlich hatte sie eine Lehre in einer Bank gemacht. Aber den ganzen Tag im Büro sitzen - auf Dauer konnte sich Eitel damit nicht so recht anfreunden und begann eine neue Ausbildung als Zootierpflegerin. Um Löwen und Elefanten kümmert sie sich aber nicht, Eitel ist für die Haustiere zuständig, also Pony, Ziege, Kaninchen, oder Schwein.

1994 zog sie mit Mitte 20 in den Tierpark. Damals lag ihre Wohnung in einem kleinen Häuschen, mitten im Zoo zwischen Antilopen- und Giraffengehege, in der Nähe der Isar. Aber irgendwann wurde das Gebäude zu alt und zu baufällig - Eitel musste umziehen. Und zwar "zurück in die Zivilisation", wie sie sagt. Ihre Wohnung befindet sich in der Nähe des Flamingo-Eingangs, dort wo auch die Zooverwaltung ist. "Jetzt sehe ich leider deutlich mehr Zweibeiner", meint Eitel. Es klingt nicht so, als würde sie sich sonderlich darüber freuen.

Die Tiere liegen ihr ehrlich am Herzen, das merkt man gleich. Im Sommer, nach Feierabend, wenn schon längst alle Besucher draußen sind, spaziert sie immer noch einmal durch den Zoo und schaut nach dem Rechten. Wenn die Nacht lau und alles ruhig ist, genießt die 48-Jährige diese Rundgänge. Aber natürlich ist ein Leben im Zoo nicht immer so angenehm. Eitel ist auch zur Stelle, wenn es draußen stürmt, wenn die Tiere eine Kolik haben oder Junge gebären. Dafür steht sie manchmal mitten in der Nacht auf. Verpflichtet wäre Eitel dazu eigentlich nicht. "Aber ich fühle mich eben für meine Tiere verantwortlich", sagt sie.

Bis zur Rente möchte Eitel auf jeden Fall in Hellabrunn wohnen. "Wichtig ist nur, dass man sich nach Feierabend auch um sein eigenes Leben kümmert." In ihrem Fall heißt das aber wieder Stall ausmisten - von ihrem Pferd.

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Nachts im Museum

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Quelle: Robert Haas

Mit seinem Hut sieht Gerard Alberts ein bisschen aus wie Indiana Jones. Für Tempel, Schätze und Abenteuer interessiert sich Alberts allerdings eher nicht. Er erforscht alte Computer, die Geschichte der Informatik sozusagen - eigentlich in Amsterdam, aber das vergangene halbe Jahr lebte Alberts im Deutschen Museum in München und betrieb hier seine Forschungen. Das ist nichts Außergewöhnliches: In dem Museum gibt es acht Appartements für Wissenschaftler, die manchmal ein Jahr, manchmal nur ein paar Monate dort bleiben. Außerdem befinden sich auf der Museumsinsel noch drei Dienstwohnungen für Hausmeister und andere Mitarbeiter.

Die ersten Monate wohnte Alberts im Uhrenturm, also dem Gebäudeteil, an dem die große blaue astronomische Uhr mit den goldenen Sternzeichen hängt. "Alle Viertstunde läutet sie, dann vibriert das ganze Haus", sagt Alberts. Immerhin wusste er dann immer, wie spät es gerade ist. Und noch einen Vorteil hatte die Lage. Von seinem Fenster aus konnte Alberts auf den Hof gucken und die Menschen beobachten. Er sah, wie Eltern ihre Kinder ins Museum führten, hörte, wie sie sagten: "Als ich beim letzten Mal hier war . . ." Alberts zog daraus einen Schluss: "Das Deutsche Museum muss für die Menschen hier eine ganz besondere Bedeutung haben. In Holland gibt es so etwas gar nicht." Weil die Wohnung im Uhrenturm dann aber renoviert werden musste, zog er nach ein paar Monaten in ein anderes Appartement in der Nähe der Bibliothek des Museums. Es sieht aus wie eine Mischung aus Studentenwohnheim und Hotelzimmer. Doch Alberts ist zufrieden. Seine Zeit in München habe er genossen, sagt er. Besonders, weil es anderswo nicht gerade viele Historiker gibt, die sich wie er mit Informatik beschäftigen - im Deutschen Museum allerdings schon. Auf dem Gang, wo Alberts Büro ist, forscht eine ganze Reihe von Wissenschaftlern, die sich mit alten Rechenmaschinen und Computern auskennen. Diesen Austausch wird Alberts vermissen.

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Schön grün hier

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Quelle: Robert Haas

Ein Immobilienmakler würde es wohl so formulieren: Hübsche 90-Quadratmeter-Wohnung mit 85 Hektar großem Park und angrenzender Aussichtsterrasse. Ulrich Bodammer, der seit 15 Jahren als Betriebsleiter im Olympiapark arbeitet, wohnt dort, wo die Besucher des Olympiaturms für ihre Tickets anstehen. Also fast. Es geht noch einen schmalen Gang entlang, der mehr nach Verwaltung als nach Wohnung aussieht. Und dann steht man schon vor Bodammers Tür.

Dahinter ist es wesentlich gemütlicher als draußen auf dem Gang. 90 Quadratmeter ist die Wohnung etwa groß, und vom Wohnzimmer aus blickt man auf die Olympiahalle. Trotzdem ist es erstaunlich leise. Egal, welche Veranstaltung im Park stattfinde, ob Hardrock-Festival oder Munich Mash, "hier ist es ruhig wie im Sanatorium", sagt der 57-jährige Elektrotechniker. Als er 2001 den Job im Olympiapark annahm, war die Bedingung, hier herzuziehen. Neben Bodammer wohnen noch drei weitere Mitarbeiter im Park. Einer hat immer Bereitschaftsdienst. Wenn zum Beispiel die Kühltechnik beim Eisstadion ausfällt, oder es einen Feueralarm gibt, muss einer der vier Techniker immer zur Stelle sein. "Dann kann ich nicht sagen, ich bin gerade in der Innenstadt Schuhe kaufen und komme in einer Stunde."

Bereut hat es Bodammer trotzdem nie, dass er im Olympiapark lebt und arbeitet. Immerhin muss er sich nicht mit dem Münchner Wohnungsmarkt herumärgern. Wie viel Miete er jeden Monat tatsächlich bezahlt, weiß Bodammer gar nicht so genau. Das, was ihm sein Arbeitgeber erlässt, kommt zum Teil als Steuer wieder drauf. Besonders gefällt Bodammer an seiner Wohnlage aber ohnehin etwas anderes: "Da, wo andere in ihrer Freizeit extra hinfahren müssen, lebe ich." Der 57-Jährige könnte an sämtlichen Veranstaltungen im Park teilnehmen. Aber das tut er nur selten, weil er dort ohnehin nicht abschalten könnte - die ganze Zeit, sagt Bodammer, hätte er dabei die Arbeit im Kopf. Nur bei AC/DC sieht man ihn auf jeden Fall im Publikum.

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Mein Heim, meine Burg

Grünwald, Burg, Kastellan Robert Heinzl,

Quelle: Angelika Bardehle

Von November bis Ostern hat Hausmeister Robert Heinzl die Burg Grünwald für sich alleine. In dieser Zeit bleibt das große Holztor zu, es kommen keine Besucher. Einsam und verlassen auf einer Burg - wie gruselig? Überhaupt nicht, findet Heinzl. Alleine fühlt er sich sowieso nicht, schließlich hat er in Grünwald viele Bekannte. Und Angst hatte er auf seiner Burg überhaupt noch nie. "Hier ist es sicher wie auf Fort Knox", sagt er.

Heinzl ist Ende 40, ein drahtiger Mann in Schlappen und Jeans. Ursprünglich kommt er aus Niederbayern, seine Herkunft hört man ihm an, obwohl er mittlerweile seit sieben Jahren auf der Burg wohnt. Aber Heimat bleibt eben Heimat - auch wenn Heinzl den Umzug nach Oberbayern nie bereut hat. In Passau fand der gelernte Elektriker einfach keinen Job mehr, also ging er auf die Burg. "Wie ein Sechser im Lotto" sei das gewesen, sagt Heinzl. Vier Zimmer hat er auf Burg Grünwald für sich alleine. Von seiner Wohnung aus kann er auf die Isar schauen, wenn das Wetter gut ist, sogar bis zur Zugspitze. An Silvester steigt Heinzl jedes Jahr auf den Turm. "Die Stadt sieht dann aus, als würde sie brennen."

Heinzl sagt, er habe einen besonderen Job. Solange er nichts falsch macht, hört er von seinem Chef nichts. Er ist sein eigener Herr und das gefällt ihm. Langweilig wird es ihm auch im Winter nicht. Denn zu tun gibt es in so einem alten Gemäuer immer etwas: die Wände ausbessern, Büros herrichten, den Efeu stutzen. Und wenn alles erledigt, freut sich Heinzl, wenn er seine Tür zumachen kann und die Musik aufdrehen, am liebsten Hardrock und am liebsten laut - Nachbarn, die er stören könnte, gibt es ja nicht.

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Erste Adresse

Der Münchner Marienplatz

Quelle: dpa

Eigentlich ist es kaum zu glauben: am Marienplatz steht seit einem knappen Jahr eine Wohnung leer - und zwar im Rathaus. Insgesamt drei Dienstwohnungen der Stadt gibt es dort. In der einen wohnt ein Schlosser, in der anderen ein Elektriker, doch für die dritte ließ sich einfach kein Mieter finden.

Dabei hört sich die Wohnung im fünften Stock des Rathauses nicht gerade übel an: drei Zimmer, 80 Quadratmeter, und zum Einkaufen müsste man ja eigentlich nur aus der Haustür fallen. Wie viel die Miete beträgt, will das zuständige Kommunalreferat nicht verraten. Billiger als sonst in der Altstadt ist sie aber bestimmt. Voraussetzung für einen Einzug ist, dass man in der Hausverwaltung des Rathauses arbeitet - und exorbitante Gehälter gibt es wohl nicht. Trotzdem will niemand der städtischen Mitarbeiter, die in Frage kommen würden, in die leere Dienstwohnung einziehen.

Weil es sich die Stadt aber auch nicht leisten will, im Rathaus Zimmer leerstehen zu lassen, wird die Wohnung nun einfach zu Büros umgebaut. Was aber ist denn der Haken an der Wohnung? Vielleicht liegt es schlicht daran, dass es sich mit dem Chef als Nachbarn auch in der Freizeit schlecht abschalten lässt.

© SZ.de/jey
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