Informatiklehrer:"Da ist mehr Mut für Experimente"

Informatiklehrer: Lehrer Peter Brichzin will seine Schüler jetzt mit Praxiswissen für den Job in der IT-Branche begeistern.

Lehrer Peter Brichzin will seine Schüler jetzt mit Praxiswissen für den Job in der IT-Branche begeistern.

(Foto: Claus Schunk)

Peter Brichzin wechselte für ein Jahr vom Gymnasium Ottobrunn in ein IT-Unternehmen. Ein Gespräch über den echten Feierabend, idealistische Lehrer und gute Entscheidungen

Interview von Ulrike Schuster, Ottobrunn

Es ist bundesweit nach 15 Jahren immer noch ein einmaliges Projekt. Hinter "Lehrer in der Wirtschaft" stehen die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft (vbw) und das Kultusministerium. Das Prinzip: Ein Lehrer verlässt für ein Jahr sein Gymnasium, um in einem Unternehmen zu arbeiten. Seit 2001 waren 117 Lehrer in 39 Unternehmen im Einsatz, die meisten in den Bereichen Personal, Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit. Der Informatiklehrer vom Ottobrunner Gymnasium, Peter Brichzin, 48, war ein Jahr lang bei dem IT-Unternehmen QAWare in München angestellt.

SZ: Herr Brichzin, wie hart war es, den Halbtagsjob Lehrer aufzugeben?

Peter Brichzin: Ich hatte noch nie so viel freie Zeit wie in der Wirtschaft. Zu Hause ist Feierabend. In der Schule heißt dagegen Feierabend korrigieren. Der Sonntag geht für Vorbereitung drauf und in den Ferien - bis auf die im Sommer - wird auch korrigiert.

Sie haben das Jahr in der Wirtschaft also zur Erholung genutzt?

Erholsam war es, dass Arbeit und Freizeit klar definiert und getrennt sind. Die eine Welt wird nicht mit der anderen vermischt. Das produziert weniger Stress.

Haben Ihre Kollegen Sie, den Theoretiker, denn ernst genommen?

Man kommt mit der Zeit auf Augenhöhe. Am Anfang war ich der Schüler, der ständig den Arm streckte, weil ich viele Fragen hatte. Den neuen Kosmos muss man erst einmal verstehen lernen.

Welches Interesse hatte die QAware (QA) denn an Ihnen? Als Berufseinsteiger zum Studiendirektoren-Gehalt waren Sie ja nicht gerade billig.

Die meiste Zeit habe ich das gemacht, was Lehrer in aller Regel besonders gut können: das Organisieren, Lehren, Vermitteln. Ich habe das Wissensmanagement neu aufgebaut, ein Fortbildungskonzept erstellt und war bei den Kunden, um die Projekte vom Technischen ins Verständliche zu übersetzen. Und heute sehen sie in mir wohl den Mittelsmann in die Schule.

Der Lehrer als Zugang zum Nachwuchs, der die Köpfe von morgen mitrekrutiert?

Von der Zusammenarbeit profitieren alle. Die IT-Firmen haben einen enormen Bedarf an Fachkräften, der wird weiter wachsen. Und die Schüler können an echten Problemen mit echten Lösungen arbeiten. So macht Informatik viel mehr Spaß und der Schüler lernt, was er damit sein kann: kreativ und erfinderisch. Eigenschaften, die man nicht sofort mit dem Fach verbindet.

Was ist mit den Mädchen? Kommt bei denen die kreativ-schöpferische Idee an?

Noch ist das Informatikerinnen-Image nicht schillernd und schick, das ändert sich nur langsam. Gerade einmal 19 Prozent der IT-Studenten sind weiblich, dabei wird jedes Modell in Sachen Karriere und Familie gedacht und probiert. Als Frau in dem Fach unterwegs zu sein, ist Trumpf.

Die QA zählt zu den besten mittelständischen Arbeitgebern. Wollten Sie deshalb raus aus der Schule? Um in der freien Wirtschaft einen guten Chef kennenzulernen?

Ich habe die QA über ein Schülerstipendium kennengelernt. Sie haben sich nicht für den Jungen entschieden, der am besten programmieren kann, sondern für den mit der besten sozialen Kompetenz.

Aber der Silicon-Valley-Spaß mit Slackline und Kicker ist auch nicht übel, oder?

Spaß ist wichtig. Entscheidend ist aber, dass nicht nach Paragrafen, sondern nach Zweckmäßigkeit entschieden wird. Gibt es ein Problem, braucht es keine Anträge ,um es zu lösen. Man sucht auch nicht die billige, sondern die gute Lösung. Deshalb fährt man erste Klasse, dort lässt es sich ungestört arbeiten. Der Status Quo kommt öfter auf den Prüfstand, da ist mehr Mut. Das gefällt mir.

Haben Sie überlegt auszusteigen und anderen den Lehrerjob zu überlassen?

Es hätte noch gerne ein Jahr so weiter gehen können, es wurde nicht genehmigt. Mir gefällt, dass die Wirtschaft nichts macht, bloß weil es schon immer so gemacht wurde. Da ist mehr Mut für Experimente. Und Fehler zu machen, ist nicht das Ende, im Gegenteil, es ist eine Chance.

Dafür langweilen Pubertierende niemals.

Das stimmt. Jungs sind wild, starten drauf los. Denen muss man das Nachdenken beibringen. Mädchen hingegen planen von vorn bis hinten. Die muss man zum Anfangen ermuntern.

War es ein tolles Gefühl, durch eigene Leistung und nicht durch Berufsjahre nach oben klettern zu können?

Es gibt in der Schule leider kaum Instrumente, um Einsatz und gute Leistung zu belohnen. Man setzt auf den Idealismus des Lehrers, was auch richtig gut funktioniert, weil die meisten Lehrer nun mal Idealisten sind. Ihr Job ist ihre Berufung.

Etwas gelernt, das Sie Schülern vermitteln wollen?

Den Fokus eng zu setzen und pragmatisch zu sein. Das schützt vor Verzetteln - und das Ergebnis ist besser.

Haben die jetzt mehr Respekt vor Ihnen, seitdem Sie draußen waren?

Ich glaube, den meisten ist gar nicht aufgefallen, dass ich weg war. Ich muss immer erst vom Informatiker in der echten Welt erzählen.

Noch bis 15. Januar können sich Interessierte Lehrer für das nächste Schuljahr bewerben. Mehr Infos auf www.bildunginbayern.de

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