ARD-Doku:Mehr Mut zur Unbequemlichkeit hätte nicht geschadet

Bundespresseball

Bundespräsident Joachim Gauck und seine Lebensgefährtin Daniela Schadt tanzen im November 2016 beim Bundespresseball in Berlin.

(Foto: Wolfgang Kumm/dpa)

Mit "Gauck. Der Präsident" beginnt der Reigen der Abschiedsporträts vom Staatsoberhaupt. Der Film kommt nah ran an den Politiker und seine Anliegen. Manchmal etwas zu nah.

TV-Kritik von Constanze von Bullion

Irgendwann kommen Joachim Gauck und Daniela Schadt dann in Peru an. Eine Kapelle legt los, und die Soldaten stimmen wacker das Deutschlandlied an. In Text und Tonfolge ist die Hymne nur mit Mühe zu erkennen, weshalb aus dem Bundespräsidenten ein eher unpräsidiales Lachen herausplatzt. Gauck, immerhin auf Staatsbesuch, bändigt dann seine Mundwinkel irgendwie, stimmt in den schrägen Gesang ein und sucht, wie ein Hirte das eben so macht, die Misstöne aus der Herde akustisch zu überstrahlen.

Eine ziemlich treffsichere Szene ist das aus der ARD-Dokumentation Gauck. Der Präsident. Mit dem Film, für den Eva Lodde, Matthias Deiß und Robin Lautenbach den Bundespräsidenten fünf Jahre lang begleitet haben, beginnt am Dienstag der Reigen der Abschiedsporträts vom Bundespräsidenten Joachim Gauck und seiner Gefährtin Daniela Schadt. Gauck hört bald auf, im Februar wird ein Nachfolger gewählt. Und weil seine Präsidentschaft keine durchschnittliche war, aber eben auch keine unumstrittene, verneigt sich die ARD mit einem Porträt, das Gauck-Freunden gefallen dürfte. Weil es nah ran rankommt ans Staatsoberhaupt und seine Anliegen. Manchmal etwas zu nah.

Dabei beginnt die Dokumentation gleich mit Zoff. März 2016, Joachim Gauck besucht das sächsische Bautzen, wo kurz zuvor eine Unterkunft für Flüchtlinge angezündet worden ist, unter Gejohle von Schaulustigen. Gauck hat in Berlin von "Dunkeldeutschland" geredet, und jetzt, beim Gang durch die Bautzener Altstadt, wird er angebrüllt. "Volks-ver-rä-ter", skandieren Leute. "Ja, ja", ruft Gauck zurück. Er winkt, versucht ein Lächeln, es gelingt nicht recht. Das Deutschland, das ihn hier empfängt, ist nicht mehr jenes ferne Land, das er mal repräsentieren wollte.

Was macht so ein Amt aus einem wie Gauck, und was macht Gauck aus dem Amt? Er reizt es bis zu seinen Rändern aus, erzählt die ADR-Dokumentation. Bei der Münchner Sicherheitskonferenz fordert er die Deutschen auf, zuzupacken in der Welt, auch militärisch. Er tritt in der Türkei Erdoğan auf die Füße, nennt den Völkermord an den Armeniern Völkermord oder lässt sich deutsche Weltkriegsverbrechen unter die Haut gehen.

Gauck geht gern dahin, wo es weh tut, jedenfalls bis zum Höhepunkt seiner Amtszeit. Die ARD-Dokumentation dagegen erspart sich genau das: Sie tut keinem weh, was schade ist.

Schade: Die kritischen Fragen darf Gauck alle selbst beantworten

Wo bleiben zwischen all den schönen Bildern und liebevollen Blicken kernige Fragen nach Gaucks Haltung zum deutschen Nie-wieder-Krieg, zu Holocaust und Israel? Warum hat er sich in schwerster Flüchtlingsstunde von der Kanzlerin distanziert? Warum sagt er so wenig zum Terror? Die Autoren stellen kritische Fragen, aber Gauck darf sie allesamt selbst beantworten. Der Präsident erklärt da den Präsidenten. Gegen den Strich bürsten nur Linken-Obfrau Sahra Wagenknecht und wütende Pegida-Anhänger, nicht die überzeugendsten Stichwortgeber. Mehr Mut zu Unbequemlichkeit und eigener Meinung, dieses Gaucksche Motto der ersten Stunden hätte seinen Porträtisten nicht geschadet. Anschauen kann man ihre Dokumentation trotzdem.

Gauck. Der Präsident, ARD, 22.45 Uhr.

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