Archäologie:Gold- und Bernsteinfunde von Bernstorf sind echt

Archäologie: Teile des Goldschmuckes von der bronzezeitlichen Befestigung Bernstorf bei Kranzberg.

Teile des Goldschmuckes von der bronzezeitlichen Befestigung Bernstorf bei Kranzberg.

(Foto: Marco Einfeldt)
  • Zwei Experten sind nach jahrelanger Forschung sicher: Die Gold- und Bernsteinfunde von der bronzezeitlichen Befestigung Bernstorf bei Kranzberg sind echt.
  • Ihrer Meinung nach gibt es "kein einziges stichhaltiges Argument" für den Vorwurf, bei dem Schatz handele es sich um eine neuzeitliche Fälschung.
  • Ein österreichischer Forscher hatte die Echtheit angezweifelt - weil das Gold zu rein sei, müsse es modern sein.

Von Martin Bernstein

In den nächsten Tagen müssen die Mitarbeiter der Archäologischen Staatssammlung an der Lerchenfeldstraße ihr Domizil verlassen. Die reichlich angejahrte Schatzkammer der weiß-blauen Vorgeschichte wird komplett entkernt, Wiedereröffnung soll in vier Jahren sein. Inmitten von gepackten Kisten verkündete Sammlungschef Rupert Gebhard - derzeit mehr Bau- denn Museumsleiter - am Montag zusammen mit dem Frankfurter Archäologie-Professor Rüdiger Krause das Ergebnis jahrelanger Forschungsarbeit.

Für die beiden Experten steht zweifelsfrei fest: Es gibt "kein einziges stichhaltiges Argument" für den Vorwurf, die Gold- und Bernsteinfunde von der bronzezeitlichen Befestigung Bernstorf bei Kranzberg (Kreis Freising) seien neuzeitliche Fälschungen oder untergeschoben.

Für Traudl Bachmaier kommt diese Ehrenrettung zu spät. Die Mit-Entdeckerin der Bernstorfer Funde ist am 24. November gestorben. Ihre Tagebuchaufzeichnungen liegen der Staatssammlung vor, Gebhard konnte sie und zahlreiche weitere Dokumente, Fotos und sogar Videoaufnahmen auswerten. Zusammen mit dem Haimhauser Arzt Manfred Moosauer hatte Bachmaier als Mitarbeiterin des Archäologischen Vereins Freising zwischen 1998 und 2000 mehrere verzierte Goldbleche sowie eine Anzahl von Bernsteinobjekten gefunden, von denen zwei spektakuläre Gravuren aufweisen: ein bärtiges Gesicht und eine vergangenes Jahr entzifferte Inschrift in der frühgriechischen Linear-B-Schrift.

Die spektakulären Funde liegen in einem Nebengebäude der Staatssammlung. Die Bernsteine werden im Wasserbad in einem Kühlschrank aufbewahrt, um den Originalzustand zu bewahren, die Goldbleche wurden restauriert - aber nur soweit, dass auch spätere Forschergenerationen daran noch Untersuchungen durchführen können. Denn dass mit der Vorstellung ihres Forschungsbandes die Kritiker verstummen werden, glauben auch Gebhard und Krause nicht. "Ein sachlicher Austausch der Argumente wird zunehmend schwierig", schreiben sie in der Einleitung ihres Sammelbandes, "da die Trennung in zwei sich diametral gegenüberstehende Positionen inzwischen fast 20 Jahre andauert."

Die eine Position geht davon aus, dass die Funde echt und damit ein Meilenstein der Erforschung jener Epoche vor rund 3400 Jahren sind, die Wissenschaftler als Bronzezeit bezeichnen. Die Gegner halten die Goldbleche und Bernsteinstücke für neuzeitliche Fälschungen - oder zumindest für bewusst am Fundort Bernstorf platzierte Stücke, die aus ganz anderen Gegenden stammen. Und das hieße: Der oder die Finder wären Fälscher, der Freistaat hätte viel Geld für Fake-Objekte ausgegeben, einer der renommiertesten Prähistoriker Deutschlands und der Leiter des wichtigsten Archäologie-Museums in Bayern wären wissenschaftlich desavouiert. Es ist also nicht nur ein Disput unter Fachleuten, von dem die Wissenschaft ja lebt, der hier ausgetragen wird.

Konflikt unter Forschern

Krause hat mit Mitteln der Deutschen Forschungsgemeinschaft von 2010 bis 2014 selbst in Bernstorf gegraben. Nach seinen Erkenntnissen ist der Hügel über der Amper mit seinem 1,6 Kilometer langen Holz-Erde-Wall aus dem 14. Jahrhundert vor Christus die größte Befestigungsanlage dieser Epoche nördlich der Alpen, ein wichtiger Ort auf der Transferroute zwischen Mittelmeer und Nordeuropa. Denn die Welt der Bronzezeit war eine globalisierte Welt - Metalle wie Kupfer und Gold nach Norden, im Gegenzug Bernstein von der Ostseeküste nach Süden. Krause erforscht diese Zusammenhänge seit vielen Jahren. Einer seiner Schwerpunkte ist die prähistorische Konfliktforschung.

Jetzt steht Krause selbst im Zentrum eines prähistorischen Konflikts. Sein Gegenspieler ist der österreichische Chemiker und ehemalige Troja-Grabungsleiter Ernst Pernicka. Pernicka ist Experte für naturwissenschaftliche Untersuchungen archäologischer Funde. Er sagt: Das Bernstorfer Gold ist von einer Reinheit, die mit bronzezeitlichen Methoden nicht zu erreichen gewesen wäre - es müsse also modern sein.

Krause, selbst Fachmann für vorgeschichtliche Metallverarbeitung, und Gebhard widersprechen. Es gebe sehr wohl vergleichbare Fundstücke mit ähnlich reinem Gold. Und sie legen dar: Das war mit Methoden möglich, die in der Bronzezeit beschrieben und angewandt wurden. Eine Untersuchung des Goldes unter einem Rasterelektronenmikroskop zeige eine wahre "Mondlandschaft". Solche Veränderungen seien typisch für antike Goldfunde, sagt Gebhard. Modernes, gewalztes Gold sehe vollkommen anders aus.

Viele Untersuchungen sprechen für die Echtheit der Funde

Argumentationshilfe liefert Gebhard und Krause ein Ereignis, das nicht ins archäologische Portfolio passt: die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl von 1986. Spuren des radioaktiven Fallouts finden sich im Bernstorfer Boden wie in den Erderesten, die an den Funden hingen. Die Cäsium-Konzentration passe zu der Fundlage von knapp 20 Zentimetern unter der Erdoberfläche. Es sind kleine Mosaiksteine, für Laien oft auch bizarr geformte Mosaiksteine wie diese.

Für Krause und Gebhard geben sie jedoch ein klares Bild, auch wenn dieses immer noch Lücken aufweist: Die Bernstorfer Funde seien "herausragend" - und sie seien echt. Kein Fälscher hätte die Möglichkeit und die Zeit gehabt, eine derartige Vielzahl von zum Teil mikroskopisch kleinen Spuren künstlich herzustellen.

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