ARD-Fernsehfilm:"Warum bist du nicht gestorben bei dem Scheiß-Schlaganfall?"

Die Diva, Thailand und wir!

Aus Ablehnung wird Annäherung: Anneliese (Hannelore Elsner) und Susanne (Anneke Kim Sarnau) in Thailand.

(Foto: An der Gassen Film/Dominik Elstn)

Wie umgehen mit einer alternden Gesellschaft? "Die Diva, Thailand und wir!" mit Hannelore Elsner ist eine Komödie zu einem ernsten Thema. Vor allem ist der Film aber: böse. Sehr böse.

Von Viola Schenz

Wenn Kinder ihre Eltern nicht mit "Mama" und "Papa" anreden, sondern mit deren Vornamen, dann soll das entweder besonders fortschrittlich-emanzipiert wirken, oder es zeugt von einem distanzierten Verhältnis. Susanne nennt ihre 72 Jahre alte Mutter "Anneliese", und das Verhältnis der beiden zueinander ist nicht nur distanziert, sondern sogar schwer gestört. Susanne Neuendorff (Anneke Kim Sarnau), von Beruf resolute und respektierte Lehrerin, lebt mit Mann und zwei Kindern in München. Anneliese Behrens (Hannelore Elsner), ehemalige Opernsängerin, verbringt ihren Lebensabend mit Selbstbewunderung, Diventum, Kettenrauchen und im Pelzmantel.

Die beiden gehen sich seit Jahren aus dem Weg, aber dann hat Anneliese einen Schwächeanfall. Sie kann nicht mehr für sich alleine sorgen und zieht bei der Tochter ein. "Neue Frisur? Steht dir nicht", lautet ihre Begrüßung; von da an tyrannisiert sie die Familie mit ihren Zickereien.

Eigentlich sind die Neuendorffs auf dem Weg in den Thailand-Urlaub. Weil die Wartezeit auf eine Pflegekraft aber sechs Monate beträgt, bleibt ihnen nichts anderes übrig, als die nervige (Groß-, Schwieger-)Mutter mitzunehmen. Es ist der GAU, und Susanne rettet sich in die Idee, die Alte dort in eines der preiswerten Pflegeheime für deutsche Senioren abzuschieben.

"Ich hasse dich! Warum bist du nicht gestorben bei dem Scheiß-Schlaganfall?"

Die Diva, Thailand und wir! ist eine Komödie zu einem ernsten Thema: Wie umgehen mit der demografischen Entwicklung hierzulande, mit den vielen Alten, die immer älter werden und damit pflegebedürftiger und für jüngere Generationen teuer? Wie das verkraften - politisch, sozial, moralisch? Sie richtet sich an die "Sandwich-Generation", die sich aufreibt zwischen Vollzeitjob, Haushalt, Ehe, Erziehung der Kinder und Betreuung der Eltern. Die nach einem nervenaufreibenden Tag mit einem lauten "Uffff!" aufs Sofa fällt und sich das eigene Schicksal zur Abwechslung gern mal humorvoll präsentieren lässt.

Diese ARD-Komödie (Regie: Franziska Buch; Buch: Aglef Püschel, Franziska An der Gassen) ist allerdings böse, sehr böse: Hier dominiert der Mutter-Tochter-Dauerkonflikt, er schlägt sich nieder in gegenseitigem Hass zwischen Anneliese und der Familie der Tochter. Irgendwann, zu sehr vorgerückter Filmzeit, wird beim thailändischen Dinner endlich die Ursache klar: Susanne kann der Mutter die Vernachlässigung nicht verzeihen, den Umstand, dass sie in ein Internat abgeschoben wurde, während die Mutter singend durch die Welt tingelte. So ganz erklärt das aber noch nicht die vielen unglaublichen Gehässigkeiten, die in Todes- und Tötungswünschen gipfeln: "Ich hasse dich! Warum bist du nicht gestorben bei dem Scheiß-Schlaganfall?", brüllt Enkelin Leni (Lina Hüesker) die Großmutter an.

Ein Drogentrip mit der Oma

So übertrieben die Antipathien, so überraschend die Wendungen: Ohne triftigen Grund nähern sich Anneliese und ihre beiden Enkel unter diesigem thailändischen Himmel an, ja, sie verschwören sich plötzlich geradezu. Und dann tun das auch noch Anneliese und Susanne. Aber damit nicht genug: Die Alte überredet die Jüngere zu einem kleinen, aber folgenreichen Drogentrip, bringt sie ab vom Pfad der Tugend und Selbstkontrolle, befreit sie aus ihrer vermeintlichen Spießigkeit. Dieser Rollentausch - flippige Eltern, konforme Kinder - ist längst ein beliebtes Sujet in Werbung ("Du Papa, wenn ich groß bin, will ich auch mal Spießer werden!") oder Film, weil sich halt so schön damit spielen lässt. Jedoch: Die Kontrolllust, die Susanne von ihrer Familie immer wieder vorgeworfen kriegt, erschließt sich dem Zuschauer nicht wirklich, sie kommt als ziemlich normale Mutter rüber.

Die Schwächen in der Story machen die Hauptdarstellerinnen wett. Hannelore Elsner kann all ihr Talent in der Diva-Rolle ausleben. Wunderbar die Szene, in der sie im Pelzmantel im Boot sitzt und sich ziert, die Urlaubsinsel zu betreten ("Die feuchte Hitze - das ist die Pest für meine Stimme und für meine Haare!"). Auch Anneke Kim Sarnau ist hervorragend; die beiden haben Übung als Mutter-Tochter-Gespann: 2001 spielten sie in Ende der Saison eine ähnliche Konstellation. "Das war meine erste Hauptrolle und wirklich aufregend für mich", zitiert der Pressetext Sarnau. "Auch damals hatte ich in meiner Rolle mit einer sehr freigeistigen Mutter zu kämpfen."

Es gibt noch zwei Wendungen, und dass eine Geschichte zu dieser Sendezeit nicht tragisch endet, dürfte eh klar sein. Daran können selbst Annelieses Fiesheiten nichts ändern.

Die Diva, Thailand und wir!, ARD, 20.15 Uhr.

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