"Mehr Wohnen":Mit diesen Ideen will München die Zukunft bewältigen

Grünflächen auf den Dächern, günstige Neubauten in Rekordzeit, behutsame Nachverdichtung in Innenhöfen - eine Ausstellung im Rathaus zeigt, wie das Leben 2030 aussehen könnte.

Von Alfred Dürr und Anna Hoben

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Wohnungen in München

Quelle: dpa

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Die Ausstellung "Mehr Wohnen" ist bis zum 23. Februar 2017 täglich von 11 bis 19 Uhr in der Rathausgalerie am Marienplatz 8 (Zugang über den Rathaushof) zu sehen. Der Eintritt ist frei. Führungen werden am 20. und am 27. Januar sowie am 3. und 10. Februar jeweils von 14 bis 15 Uhr angeboten. Bei verschiedenen Abendveranstaltungen in der Rathausgalerie stellen etwa "Querdenker und Ideengeber" ihre Lieblingsprojekte zum Wohnen vor (17. Januar, 19 Uhr) und diskutieren diese mit dem Publikum. Ein weiteres Thema ist die Zusammenarbeit mit der Region beim Bauen (1. Februar, 19 Uhr).

Außerdem geht es um die Großsiedlungen, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Neuperlach, Freiham und dem Münchner Nordosten (15. Februar, 19 Uhr). Eine Frage lautet, was diese Quartiere voneinander lernen können. Im Begleitprogramm zur Ausstellung sind auch eine ganze Reihe von Stadtspaziergängen vorgesehen, die jeweils um 15 Uhr beginnen. Bei einer Tour durch die Innenstadt (13. Januar) kann man zum Beispiel erfahren, dass nicht nur Luxusimmobilien gebaut werden. Im Angebot ist auch eine Busfahrt zu "kreativen Nachverdichtungs-Projekten" in Haidhausen, Schwabing oder in Sendling-Westpark (17. Februar). Ausführliche Informationen zum gesamten Veranstaltungsangebot gibt es in der Ausstellung oder unter www.muenchen.de/mehrwohnen.

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Quelle: Michael Nagy

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Baumkirchen Mitte: Unten Beton, oben Grün

Einfach ein paar Häuserblocks in der Manier von Schuhschachteln auf der grünen Wiese aneinander reihen - so kann und darf man keine neuen Quartiere planen. Architekten und Investoren haben angesichts der Flächenknappheit in der Stadt allerdings teils mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen, und sie versuchen das Beste aus der Situation zu machen. Etwa bei dem Projekt "Baumkirchen Mitte" in Berg am Laim.

Das Areal liegt direkt an der Bahnlinie und ist deswegen dem Lärm der Züge ausgesetzt. Von 1924 bis 1992 wurden hier Güterwaggons und Dampflokomotiven rangiert und repariert. Nach der Stilllegung des Werks bot sich die Chance, in verschiedenen Abschnitten ein dichtes Viertel mit 560 Miet- und Eigentumswohnungen sowie mit 650 Büro-Arbeitsplätzen zu schaffen. Attraktiv ist das Gebiet durch seine buchstäblich schwungvolle und abwechselungsreiche Architektur, die sich wohltuend von der sterilen Uniformität manch anderer Gebiete abhebt.

Das Grundkonzept stammt von den Büros Peter Ebner and Friends sowie von Mahl Gebhard Konzepte. Bemerkenswert ist vor allem auch die Dachlandschaft auf den Häusern. Es gibt hier gemeinschaftlich nutzbare Gärten und private Grünparzellen - ein angenehmer Ausgleich zum vielen Beton ringsum. Ein wesentliches Merkmal von "Baumkirchen Mitte" ist auch das angrenzende Biotopgebiet mit seinen seltenen Tier- und Pflanzenarten. Dieses im Lauf der Jahrzehnte entstandene Grünareal wurde bewusst nicht bebaut. Für Berg am Laim ist das ein großer Gewinn.

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Quelle: Catherina Hess

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Dantebad: Nur ein Jahr bis zur Schlüsselübergabe

Am Dienstag haben Sharon Meka und ihre Tochter Michelle schon mal symbolisch den Wohnungsschlüssel von Gewofag-Geschäftsführer Klaus-Michael Dengler bekommen, im Beisein von Journalisten und Fotografen. Anfang Februar ziehen sie ein. Ab dann läuft für Meka und ihre beiden Töchter der Mietvertrag für die 2,5-Zimmer-Wohnung im neuen Stelzenbau am Dantebad.

Vor zwölf Jahren ist die 33-Jährige aus Kamerun nach Deutschland gekommen, bald wird sie in jenem Gebäude wohnen, das zum Symbol der städtischen Anstrengungen im Kampf gegen Wohnungsknappheit geworden ist. 3000 Wohnungen in vier Jahren, das ist das Ziel des Programms "Wohnen für alle". Die Parkplatzüberbauung am Dantebad ist das Pilotprojekt. Abgespeckte Standards und ein rasantes Tempo: Innerhalb eines Jahres hat die städtische Gesellschaft Gewofag 100 Wohnungen in Holz-Systembauweise geplant und realisiert. Die reine Bauzeit betrug gerade mal sechs Monate.

Es gibt 86 Einzimmerwohnungen und 14 Einheiten mit 2,5 Zimmern. 9,40 Euro kalt werden die Mieter pro Quadratmeter bezahlen. Die eine Hälfte der Wohnungen wird durch das Sozialreferat über die neue Online-Plattform Sowon an berechtigte Haushalte vergeben. Eine Belegungskommission aus Sozialreferat und Gewofag wählt die übrigen Mieter aus: teils anerkannte Flüchtlinge, teils Wohnungslose. Sie werden von Sozialpädagogen der Stadt betreut. Weiteres "Wohnen für alle" entsteht unter anderem in der Bodenseestraße, in der Schittgablerstraße und in der Achwaldstraße.

Genossenschaftliches Wohnen in München, 2016

Quelle: Florian Peljak

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Domagpark: Konsortium für ein lebendiges Viertel

Kaserne, Flüchtlingszentrum, Künstlerkolonie, Partylocation, Polizeistandort - die Geschichte des Areals an der Domagkstraße im Münchner Norden ist vielfältig, heißt es in der Selbstdarstellung des Projekts. Seit einigen Jahren ist ein neues Kapitel aufgeschlagen: Bis 2018 sollen hier 1600 Wohnungen, ein Park und soziale Einrichtungen entstehen. Hervorzuheben ist ein Aspekt: Mit seinem Konsortium aus Baugenossenschaften, Baugemeinschaften und städtischen Wohnungsbaugesellschaften will der "Domagkpark" als ein Musterbeispiel für zukunftsorientiertes Planen gelten.

Der Anspruch ist, gemeinsam ein attraktives und lebendiges Wohnumfeld zu entwickeln, "in dem sich Jung und Alt, Singles und Familien zu Hause fühlen können". Diese Ideen haben auch auf das Gelände der ehemaligen Prinz-Eugen-Kaserne abgefärbt. Bis 2018 sollen dort 1029 Wohnungen entstehen. Damit es kein langweiliges Quartier wird, wurde ein Konsortium nach dem Vorbild des "Domagkparks" gegründet.

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Quelle: Robert Haas

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Kegelhofmühle: Kleine Projekte mit großer Wirkung

Es geht nicht immer nur um die großen Neubauprojekte mit Hunderten von Wohnungen. Auch die relativ kleinen Bauvorhaben spielen eine wesentliche Rolle für die Geschichte und Identität des jeweiligen Stadtviertels. Ein besonderes Beispiel ist dafür die "Kegelhofmühle" in der Au. Die Planungsaufgabe war für die städtische Wohnungsbaugesellschaft GWG nicht einfach. Wie sollte man die idyllisch gelegene, inzwischen aber auch marode Immobilie revitalisieren?

Die Ursprünge des Kegelhofs, einer ehemaligen Papiermühle, reichen bis ins 14. Jahrhundert zurück. Der Komplex wurde im Lauf seiner langen Geschichte immer wieder verändert. Seit den Achtzigerjahren steht er nicht mehr unter Denkmalschutz, man hätte also alles platt machen können. Die GWG entschied sich für eine Modernisierung plus Teil-Neubau (Landherr Architekten). Es entstanden 38 Wohnungen. Mit 12,50 Euro pro Quadratmeter ist die Miete günstig. Die GWG will mit diesen Preisen den steigenden Mietkosten in der Au entgegenwirken.

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Quelle: SZ

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Trudering: Utopie in Blau

Vielleicht ist dies der stärkste Überraschungseffekt in der Rathausgalerie - ein riesiges Modell mit zahlreichen Bauten aus blauem Hartschaum. Man erkennt nicht auf den ersten Blick, dass es sich hier um die Umgebung des Bahnhofs Trudering handelt. Ein Gedankenspiel, vielleicht auch eine Provokation: Jörg Leeser und Anne-Julchen Bernhardt vom Büro BeL Sozietät für Architektur hatten für die Architektur-Biennale 2016 in Venedig ein Modell mit vier Standorten für neue Siedlungen in Hamburg, Duisburg, Leipzig und München aufgebaut.

Den Architekten ging es um kostengünstigen, innerstädtischen Wohnungsbau in dichten, gemischten Siedlungen. Die Planer sollten zwar einen Rahmen setzen, aber darin könnten die Bürger bestimmte Teile der Gestaltung dann selbst übernehmen. Auf jeden Fall müsse man bei den Planungen auch neue Wege gehen. Ob in Trudering jemals so gebaut wird, wie es die blauen Häuser zeigen, ist fraglich. Ein Anstoß zur Diskussion sind sie allemal.

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Quelle: Alessandra Schellnegger

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Braystraße: Vorbildliche Nachverdichtung

"Nachverdichtung" ist kein schönes Wort. Wenn es um Aufstockungen oder das Schließen von Lücken in bestehenden Baustrukturen geht, gehen die betroffenen Bewohner schnell auf die Barrikaden. Der Verlust von Frei- und Grünflächen ist immer ein Problem. Die Ausstellung zeigt zwei Musterbeispiele für verdichtetes Bauen.

Der einst großzügige grüne Innenhof des Areals zwischen Bray- und Versailler Straße in Haidhausen wurde nach den Plänen des Architekturbüros Palais Mai mit zwei Blöcken ergänzt, in denen sich 66 Mietwohnungen befinden. Bauherr ist die Versicherungskammer Bayern. Trotz der höheren Dichte sollte der Hof mit seinen alten Bäumen weiterhin großzügig wirken.

Blickbeziehungen wollte man durch die Anordnung der neuen Baukörper erhalten. In Schwabing (Mainzer Straße und Rheinstraße) baute das Wohnungsunternehmen GBW ein Holzpassivhaus mit zehn Wohnungen in den Innenhof (Zillerplus Architekten). Auch dieses Projekt gilt als vorbildlich.

© SZ vom 11.01.17/bhi
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