Wirtschaftspolitik:So lässt Trump die Konzerne einknicken

Donald Trump in Istanbul

Bringt die Konzerne schon vor seiner Zeit als US-Präsident dazu, ihm zu folgen: Donald Trump.

(Foto: dpa)

Der künftige US-Präsident verunsichert die Firmenchefs. Vorsichtshalber folgen sie ihm erst einmal - aber ihre plötzliche Heimatliebe ist unglaubwürdig.

Von Karl-Heinz Büschemann und Claus Hulverscheidt, New York

Von New Yorks Fifth Avenue aus gesehen, wo der künftige US-Präsident derzeit seine Regentschaft vorbereitet, liegt das Widerstandsnest ziemlich exakt 1200 Kilometer entfernt im Nordwesten. Dort, in Amerikas Bierhauptstadt Milwaukee, residiert der mittelständische Wälzlagerhersteller Rexnord, der im Herbst angekündigt hatte, gut 300 Stellen von seinem Werk in Indianapolis nach Mexiko zu verlagern.

Wochenlang nahm kaum jemand Notiz von der Ankündigung, bis Donald Trump die Firma am 2. Dezember in einer seiner berüchtigten Twitter-Kanonaden aufforderte, das Vorhaben abzublasen. Wer statt daheim in Mexiko fertige und die dort fabrizierten Waren in den USA verkaufen wolle, so Trump, müsse an der Grenze künftig hohe Strafzölle zahlen. Doch die Rexnord-Manager blieben stur: Der Umzugsplan steht bis heute.

Die Standhaftigkeit fällt ins Auge. Landauf, landab übertrumpfen sich die Chefs großer Konzerne derzeit damit, Umzugsentscheidungen zu revidieren und die Schaffung neuer Stellen in den USA zu verkünden. Der Autohersteller Ford stornierte den Bau einer Fabrik in Mexiko, der Klimaanlagenhersteller Carrier verzichtet auf die Streichung von fast 1000 Jobs. Fiat-Chrysler will 2000 Arbeitsplätze schaffen, Amazon-Chef Jeff Bezos, noch vor kurzem erbitterter Trump-Kritiker, gar 100 000. Selbst ausländische Firmen wie die japanische Softbank und der chinesische Amazon-Rivale Alibaba überschlagen sich mit Investitionsankündigungen. Und der künftige Präsident? Er feiert sich als Wundertäter: "Ich bin der größte Schaffer von Arbeitsplätzen, den Gott je geschaffen hat".

Kann das alles wirklich bloße Heimatliebe sein?

Amerikas Wirtschaftsordnung ist aus den Fugen geraten, seit Trump deutlich gemacht hat, was er von Investitionen heimischer Unternehmen im Ausland hält. Nichts! Verrat! Und die ersten Reaktionen der verschreckten Manager zeigen, dass seine Botschaft offenbar angekommen ist.

Oder doch nicht? Fast alle Firmenlenker bestreiten, dass ihre plötzliche Heimatliebe dem neuen starken Mann in Washington geschuldet ist. Fiat-Chrysler-Chef Sergio Marchionne nennt es "Zufall", dass seine Investitionsankündigung wenige Stunden nach einem Tweet bekannt wurde, in dem sich Trump über die Mexiko-Pläne des Chrysler-Rivalen General Motors mokiert hatte. Ford-Boss Mark Fields räumt zwar ein, vor dem Verzicht auf das Werk im Nachbarland den künftigen Vizepräsidenten Mike Pence konsultiert zu haben. Aber es ist auch bekannt, dass Ford für die Kleinwagen, die in Mexiko gebaut werden sollten, schon länger keinen rechten Bedarf mehr sah. "Trumps Forderung ist Ford nicht gegen den Strich gegangen", sagt Christian Stadler, Professor für Management und Autoexperte an der Warwick Universität in Coventry. "Das hat grundsätzlich zur Konzernpolitik gepasst".

Nur General-Motors-Chefin Mary Barra stellt sich dem künftigen Präsidenten bisher offen in den Weg und will an ihren Mexiko-Plänen festhalten: "Unsere Strategie ist es immer gewesen, dort zu produzieren, wo wir verkaufen, und das hat sich noch nicht geändert". Trump konterte wie gewohnt per Twitter-Drohung: "Ich hoffe, dass General Motors noch folgen wird, und sie werden es tun", schrieb er.

"Psychologische Zugeständnisse" oder doch mehr als das?

Ein Vertreter der deutschen Autoindustrie, für die Amerika der größte Exportmarkt ist, fasst die Stimmung in der Wirtschaftswelt so zusammen: Der neue Präsident sei "leicht verletzbar und erregbar", es sei daher im Moment nicht gut, öffentliche Diskussionen mit ihm zu führen. Stattdessen mache die Industrie "psychologische Zugeständnisse". In der Praxis jedoch hätten die meisten Konzerne, deutsche wie amerikanische, ihre Pläne kaum verändert. So halte beispielsweise auch die Daimler-Spitze an ihrem Beschluss fest, ein Werk in Mexiko zu bauen. Viele deutsche Firmen würden ihre Investitionsentscheidungen allerdings aufschieben, bis klarer sei, wohin die Reise mit Trump gehe.

Trump wettert gegen alle Branchen - scheinbar wahllos

Ein "großes Maß an Unsicherheit" hat Bart van Ark, Chefvolkswirt des Wirtschaftsforschungsinstituts Conference Board, in der amerikanischen Unternehmerschaft ausgemacht. Einerseits seien viele Manager erfreut über die versprochenen Steuersenkungen und zusätzlichen Staatsausgaben. Andererseits bestehe die Sorge, dass Trump einen Handelskrieg mit Staaten wie China und Mexiko anzetteln könnte. Auch der Bundesverband der Deutschen Industrie in Berlin spricht von einer "Verunsicherung in der deutschen Wirtschaft". So hielt es Werner Baumann, der Chef des Bayer-Konzerns, für nötig, zu Trump zu pilgern, um dessen Segen für die geplante Übernahme des amerikanischen Saatgutkonzerns Monsanto einzuholen.

Was viele Manager verstört, ist, dass Trump scheinbar wahllos Branchen attackiert. Auf seiner Pressekonferenz am letzten Mittwoch hatte der künftige Regierungschef auch die Pharmaindustrie angegriffen und ihr vorgeworfen, mit überzogenen Medikamentenpreisen "über Leichen" zu gehen. Auch der Siemens-Konzern geriet ins Visier. Dessen Windräder, so der Präsident in spe, "töten alle Vögel". Ob es ihm tatsächlich ums Federvieh ging, oder ob das nur die Vorboten einer neuen Pro-Öl-Politik waren, blieb offen. Immerhin: Siemens beschäftigt in den USA 2000 Menschen in der Windenergie.

Umgekehrt hoffen viele Manager, dass der Präsident nach einem wortgewaltigen Start ins Amt auf die Wirtschaft zugehen wird. "Trump wird einsehen müssen, dass nicht alles, was er sagt, umgesetzt werden kann", sagt etwa Sandy Schwartz, Chef des Autohandelsdienstleisters Cox Automotive. Früher oder später werde der Immobilienmogul die Realität anerkennen.

Nicht alle wollen den Hurra-Patriotismus mitmachen

So optimistisch ist Justin Wolfers, Wirtschaftsprofessor an der Universität von Michigan, nicht. Von Trumps Kurs ist er "alles andere als begeistert". Auch die unterwürfigen Reaktion vieler Unternehmenslenker schätzt er nicht. Wolfers hat berechnet, dass in den USA pro Monat durchschnittlich 2,2 Millionen Jobs wegfallen, viele davon Saisonarbeitsplätze. Gleichzeitig werden jedoch im gleichen Zeitraum fast 2,4 Millionen Stellen neu geschaffen. "Angesichts der gewaltigen Bewegung auf dem US-Arbeitsmarkt", sagt der Ökonom, sei Trumps hemdsärmeliger Ansatz, in Gesprächen mit einzelnen Firmen persönlich für den Erhalt von Jobs zu sorgen, "völlig unzureichend und unbrauchbar". Auch der US-Aktienmarkt tritt nach der anfänglichen Euphorie über Trumps Wahlsieg seit Mitte Dezember auf der Stelle.

Nicht einmal kleine Unternehmen freuen sich durchweg über den Hurra-Patriotismus des neuen Präsidenten, der sein Amt kommende Woche Freitag antreten wird. Trump hatte zuletzt offen für die kleine Textilfirma L. L. Bean geworben, deren Eigentümerin Linda Bean im Wahlkampf an ihn gespendet hatte. Doch das Unternehmen, aufgeschreckt von Boykott-Aufrufen vieler Trump-Gegner, verbat sich die präsidentielle Lobhudelei: "L. L. Bean unterstützt keine politischen Kandidaten und nimmt nicht politische Stellung", sagte Firmenchef Shawn Gorman. "Vereinfacht gesagt: Wir halten uns raus aus der Politik."

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