Fürstenfeldbruck:Über normale Wege läuft fast nichts

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Ständig auf der Suche nach Wohnungen für ihre Schützlinge sind (von links) Lilo Nitz, Reinhild Friederichs, Uli Baab und Yasemin Bilgic. (Foto: Günther Reger)

Vier Asylhelferinnen berichten, wie sie versuchen, für anerkannte Asylbewerber Wohnungen zu finden. Noch sind 750 Menschen nicht versorgt

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Im Landkreis leben die meisten der inzwischen rund 800 anerkannte Asylbewerber weiterhin in dezentralen Flüchtlingsunterkünften des Landratsamts, aus denen sie eigentlich ausziehen müssten. Sie dürfen aber bleiben, weil für solche Schutzsuchende auf dem freien Markt kaum passende Mietobjekte zu finden sind. Wie schwierig die Wohnungssuche geworden ist, wissen die vier Asylhelferinnen Lilo Nitz aus Gröbenzell, Yasemin Bilgic aus Eichenau, Ulli Baab aus Germering sowie Reinhild Friederichs aus Puchheim aus eigener Erfahrung. Die Frauen suchen nämlich mit vielen weiteren Asylhelfern Wohnungen für Flüchtlingsfamilien. Insgesamt geht es im Landkreis bereits um 750 anerkannte Asylbewerber, die eine neue Bleibe benötigen.

Die Schwierigkeiten haben die Asylhelferinnen erfinderisch gemacht. Deshalb sind sie bereit, auch unkonventionelle Wege zu gehen, damit es für Vermieter attraktiv ist, anerkannte Asylbewerber aufzunehmen. So bieten sie zum Beispiel Hilfe der künftigen Mieter im Haus an, sie vermitteln Gespräche zum Kennenlernen oder sagen, sollte es zu irgendwelchen Problemen kommen, weitere Unterstützung zu.

"Über normale Wege läuft fast nichts", berichtet Ulli Baab. Sie weiß, dass es nicht genügt, wenn sie regelmäßig im Internet nach freien Mietobjekten sucht und täglich 20 bis 50 Vermieter anzuschreiben. Eine Frau hat der Germeringerin bereits zwei Wohnungen für Flüchtlinge überlassen, weil sie weiß, dass sich Baab auch nach Unterzeichnung eines Mietvertrags um alles kümmert, was die Mieter und ihre Wohnung betrifft. Das lässt die Asylhelferin hoffen, dass ihr die Vermieterin aufgrund der guten Erfahrungen noch weitere Wohnungen überlassen wird. "Die ehrenamtlichen Helferinnen bieten Unterstützung bei Problemen jeder Art, es bleibt nichts am Vermieter hängen", beteuert Baab. "ich hafte persönlich für alle meine Mieter". Mit meinen Mietern meint sie die von ihr vermittelten Mieter. die Asylhelferin aus Germering garantiert zudem jedem Vermieter den Abschluss einer Privathaftpflichtversicherung. Yasemin Bilgic ergänzt: "Durch ein Netzwerk ist Unterstützung jeder Art gewährleistet - vom Rechtsanwalt bis zum Dolmetscher."

Vorurteile gegen fremde Kulturen und Flüchtlinge gehen die Frauen offensiv an. So wird für jeden Wohnungssuchenden für ein Bewerbungsschreiben mit Fotos angelegt. Dieses gibt detailliert Auskunft über deren Herkunft, Beruf, Ausbildung, die Zahl der Kinder und andere Dinge, die für Vermieter von Interesse sein könnten. Yasemin Bilgic hält unverbindliche Treffen für besonders wichtig.

Lilo Nitz geht sogar noch einen Schritt weiter. Sie vermittelt Kennenlerntreffen zwischen Flüchtlingen und Vermietern. Beim Gespräch über deren Lebenssituation und die Flucht, "bricht das Eis", wie die Gröbenzellerin sagt. Kommt es erst einmal so weit, dann seien durchaus herzliche Gespräche möglich, bei denen Vertrauen entstehe. "Wir stehen dafür, dass es weiterhin funktioniert, zwischenmenschlich wie notwendigen baulichen Veränderungen", sagt Nitz. "Sollte es nicht funktionieren, helfen wir, das Mietverhältnis aufzulösen."

Offen wird auch über Leistungen gesprochen, die Flüchtlinge für ihre Vermieter erbringen können, wenn gewünscht. Zum Beispiel Hilfe bei der Gartenpflege und Hausreinigung sowie die Erledigung von Einkäufen. Gelegentlich Gesellschaft zu leisten, übernähmen Syrerinnen und Frauen aus Afghanistan gerne. Für die Hilfsbereitschaft von Flüchtlingen nennen die Frauen zwei Beispiele. Einen 28-Jährigen, der in Eichenau einen Schwerbehinderten betreut und einen Nigerianer, der zwar im Vollzeitberuf schwer arbeite, es sich aber nicht nehmen lasse, in der evangelischen Kirchengemeinde Gröbenzell behinderten Senioren zu helfen. Auch bei sonstigen Aufgaben in der Gemeinde packe er mit an, weil er sich zugehörig fühle.

Hoffnung macht Nitz eine Flüchtlingsfrau, die mit ihrer Tochter eine Dachwohnung in einem von einem älteren Herrn bewohnten großen Haus fand, weil sie bereit ist, gelegentlich das Haus mitzuputzen. Das sei eine Win-win-Situation für beide Seiten. Angesichts vieler großer Häuser, die im Landkreis von Alleinstehenden oder älteren Paaren bewohnt werden, hofft die Gröbenzellerin auf Nachahmer.

"Wir suchen für Leute, bei denen wir überzeugt sind, dass es passt", beteuert Reinhild Friederichs. Um zu ergänzen, dass in der Regel die Miete bis zu einer Obergrenze, wie sie für Sozialhilfeempfänger auch gilt, vom zuständigen Jobcenter garantiert und pünktlich überwiesen werde, bis der Mieter selbst ein Einkommen habe.

© SZ vom 16.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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