Brexit:Zehn Brexit-Folgen, die gewaltig nerven werden

Brexit: Der Elizabeth Tower, vor allem als 'Big Ben' bekannt, und das britische Parlament am Ufer der Themse in London

Der Elizabeth Tower, vor allem als 'Big Ben' bekannt, und das britische Parlament am Ufer der Themse in London

(Foto: AFP)

Teurer Fisch und teures Frankfurt: Kommt es wie von der Premierministerin angekündigt zum harten Brexit, kann das heftige Folgen für EU-Bürger und Briten haben.

Von Thorsten Denkler, Berlin

Für Großbritannien gibt es im Kern nur zwei Wege, um das Brexit-Votum seiner Bürger in die Tat umzusetzen: Entweder den harten oder den weichen Brexit. Hart heißt: Austritt aus der EU plus Austritt aus dem EU-Binnenmarkt. Weich wäre der Brexit, wenn das Vereinigte Königreich im Binnenmarkt verbleiben würde.

Die britische Premierministerin Theresa May hat jetzt erklärt, wie sie sich die Zukunft von Großbritannien und der EU vorstellt. Sie wünscht sich die harte Variante, will einen klaren Bruch mit der EU. Das Land solle aus dem Binnenmarkt und der Zollunion austreten und stattdessen ein Freihandelsabkommen vereinbaren. Der Handel mit der EU solle aber so zollfrei und reibungslos wie möglich sein.

Doch ein solcher harter Brexit hätte weitreichende Folgen für die Bewohner der Insel und der Europäischen Union. Zehn Punkte, die wahrscheinlich echt nerven werden:

1. Visum für Großbritannien

Das Land gehört schon heute nicht zum Schengen-Raum. Weshalb es auch für EU-Bürger Grenzkontrollen gibt. Bisher reicht aber der Personalausweis. Künftig könnte ein Reisepass nötig sein. Und im schlimmsten Fall sogar - wenn auch unwahrscheinlich - ein Visum. Gut möglich, dass die britische Regierung die Visa-Frage von Staat zu Staat unterschiedlich beantwortet. Für Rumänen etwa könnte es eine Visumspflicht geben, für Deutsche nicht. Vorbild könnten aber auch Norwegen und die Schweiz sein. Da gilt: Einreise aus der EU ist bis zu 90 Tagen mit Perso möglich. Wer länger bleibt, sollte einen Reisepass mitnehmen.

2. Krank werden in Großbritannien wird Risiko

In der EU ist krank zu werden kein finanzielles Risiko. Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten, solange sich die Patienten an bestimmte Regeln halten. Zum Beispiel sich in Großbritannien an Mediziner zu wenden, die dem staatlichen Gesundheitssystem NHS angehören. Nach dem Brexit wird das wohl nicht mehr gehen. Großbritannien ist dann Nicht-EU-Ausland. Eine Auslands-Reisekrankenversicherung wäre dann wohl Pflicht. Für Privatpatienten bleibt hingehen alles, wie es ist. Oft sind Versicherte dort sechs Monate lang auch im Ausland über die PKV abgesichert.

3. Teures Studieren

Wer in Oxford, Cambridge oder sonstwo in Großbritannien studieren will, der wird wahrscheinlich tiefer in die Tasche greifen müssen. Studierende EU-Ausländer zahlen bisher eine deutlich geringere Studiengebühr als Nicht-EU-Ausländer. Offen ist auch, ob Austauschprogramme wie Erasmus in Großbritannien weiter gelten. Vereinzelt sind diese auch mit Nicht-EU-Staaten möglich.

4. Kaum noch Arbeit für EU-Ausländer

Wenn sich Großbritannien nicht zur Arbeitnehmerfreizügigkeit verpflichtet, dann wird es schwer, als Ausländer auf der Insel Arbeit zu bekommen. Vermutlich wird Großbritannien dann ausländischen Arbeitnehmern enge Grenzen setzen. Spezielle Arbeitsvisa dürften die Regel sein. Bisher kann jeder EU-Bürger in einem anderen EU-Land Arbeit suchen und aufnehmen. Die Hoffnung war, dass Großbritannien im Binnenmarkt bleiben will. Binnenmarkt und Arbeitnehmerfreizügigkeit sind untrennbar miteinander verbunden.

5. Teurer Fisch

In der 200-Seemeilen-Zone um Großbritannien werden praktisch alle Heringe gefischt, die auf deutschen Tellern landen. 55 000 Tonnen alles in allem. Außerdem noch jede Menge Makrele und Blauer Wittling (eine Dorsch-Art). Nach dem Brexit wird Großbritannien die 200-Seemeilen-Zone vermutlich erst mal dichtmachen für EU-Fischer. Dann dürfte der Preis für Hering schnell steigen. Die Hoffnung: Ein Abkommen wie mit den Norwegern. Gehen deutsche Fischer in norwegischen Gewässern auf Jagd, dürfen ihre norwegischen Kollegen in deutschen Gewässern ihre Netze auswerfen.

6. Mehr Geld an die EU

Wenn Großbritannien ganz raus ist, fehlen Netto 11,5 Milliarden Euro Beiträge in den Kassen der EU. Das Geld werden alle anderen Mitgliedstaaten aufbringen müssen. Am meisten vermutlich Deutschland. Bleibt aber Großbritannien entgegen Mays Ankündigung zumindest im Binnenmarkt, wird es für dieses Privileg zahlen müssen. Wie viel Geld das wäre, ist heute aber noch nicht abzuschätzen.

7. Vielleicht wird sogar Zoll fällig

Innerhalb der Union werden für Waren und Dienstleistungen keine Handelszölle erhoben. May will aus der Zollunion austreten und stattdessen ein Freihandelsabkommen aushandeln. Trotzdem ist nicht ausgeschlossen, dass EU und Großbritannien künftig Handelszölle erheben. Das würde der Wirtschaft weder hier noch auf der Insel guttun.

8. Teures Frankfurt

London ist bisher noch der wichtigste europäische Finanzplatz. Das allerdings auch, weil Großbritannien noch Mitglied der EU ist. Die Ersten sehen schon Frankfurt als die Stadt, die London den Rang streitig machen wird. Lieber mitten in der EU als knapp davor, mag sich mancher Finanzdienstleister denken. Und wenn erst mal Heerscharen von Bankern sich auf den Weg über den Ärmelkanal machen, könnten auch schnell die Mieten und Immobilienpreise in Frankfurt und Umgebung steigen.

9. Telefonieren wird teurer

Eine der Errungenschaften der EU, die jeder EU-Bürger schnell merkt: Die schlimmen Roaminggebühren werden abgeschafft. Mobiles Telefonieren wird damit überall in der EU gleich viel kosten. Egal ob der Handy-Vertrag in Deutschland, Frankreich oder Italien abgeschlossen wurde. Oder eben in Großbritannien. Kommt der Brexit, sind solche gemeinsamen Regeln womöglich obsolet und in Großbritannien werden die Mobilfunkanbieter ausländische Kunden womöglich wieder zu Kasse bitten.

10. Arbeitsplätze in Gefahr

Deutschland hat zuletzt Waren für fast 89 Milliarden Euro nach Großbritannien exportiert und für 38 Milliarden Euro von dort importiert. Steigt Großbritannien aus der EU und dem Binnenmarkt aus, wird der Export nicht zusammenbrechen. Aber doch erheblich schwieriger. Es besteht die Gefahr, dass deutsche Autobauer weniger Fahrzeuge nach Großbritannien exportieren können. Weniger Auslastung in den Fabriken bedeutet weniger Arbeit.

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