SPD-Oberbürgermeister in Regensburg:"Dringender Verdacht"

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Regensburgs Oberbürgermeister Joachim Wolbergs sitzt seit Mittwoch in Untersuchungshaft. (Foto: dpa)

Der Regensburger OB und zwei Beteiligte an der Spendenaffäre sitzen in Untersuchungshaft. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen Bestechlichkeit, Bestechung und Beihilfe zur Bestechung vor.

Von Andreas Glas, Christian Sebald und Wolfgang Wittl, Regensburg

Keine Häme! Das ist das Kommando, das Ministerpräsident Horst Seehofer bei der Klausur der CSU-Landtagsfraktion hinter verschlossenen Türen ausgibt. Etwa 200 Kilometer liegt Regensburg von Kloster Banz entfernt, und doch sind die Probleme der SPD und ihres Oberbürgermeisters so nah, dass sich die CSU sogar auf höchster Ebene damit befasst. Politische Zurückhaltung mahnt Seehofer an, nun sei die Justiz an der Reihe. Der Regensburger CSU-Chef Franz Rieger sagt in Banz nur, er sei "erschüttert". Schon allein durch die Verhaftung des Oberbürgermeisters sei für die Stadt "ein maximaler politischer Schaden entstanden". Regensburger Politiker aus anderen Parteien sprechen bereits von Neuwahlen noch in diesem Jahr. Wie konnte es dazu nur kommen?

Die Regensburger Staatsanwaltschaft erklärt am Mittwoch ausführlich, was sie OB Joachim Wolbergs, dem Bauunternehmer Volker Tretzel und dem Technischen Leiter der Stadtbau Regensburg, der bis vor wenigen Monaten Geschäftsführer in Tretzels Bauunternehmen war, zur Last legt: Bestechlichkeit, Bestechung und Beihilfe zur Bestechung. Als Haftgrund nennt Oberstaatsanwalt Theo Ziegler Verdunkelungsgefahr. Wolbergs, Tretzel und der Stadtbau-Leiter hätten in der Vergangenheit massiv auf Zeugen eingewirkt und würden dies außer Haft wohl weiter tun, um die Ermittlungen zu erschweren. Bei Tretzel bestehe außerdem Fluchtgefahr.

Gegen Wolbergs besteht nach Zieglers Worten inzwischen der "dringende Verdacht", dass er Tretzel bei der Vergabe des Nibelungenkasernen-Areals für eine Bebauung im Oktober 2014 "bewusst und in rechtswidriger Weise" bevorzugt habe. Wolbergs habe bereits am Tag seiner Amtsübernahme im Mai 2014 die Stadtverwaltung informiert, dass er eine neue Ausschreibung des Nibelungenkasernen-Areals wolle. Grund sei gewesen, dass der Unternehmer bei der ersten nicht zum Zug gekommen sei. Deshalb habe der Oberbürgermeisters die zweite, auf Tretzel zugeschnittene Ausschreibung durchgesetzt.

Dem Bauunternehmer Tretzel wirft die Staatsanwaltschaft nun offiziell vor, Wolbergs dafür Spendenzahlungen an dessen SPD-Ortsverein Regensburg Stadtsüden von insgesamt 500 000 Euro in Aussicht gestellt zu haben - von denen bis April 2016 mehr als 360 000 Euro geflossen sein sollen. Außerdem habe Tretzel Wolbergs für den Zuschlag die finanzielle Unterstützung des Fußballvereins SSV Jahn in Aussicht gestellt - und dies mit zwei Kapitalerhöhungen für den Verein von insgesamt 1,7 Millionen Euro nach dem Zuschlag Kasernen-Areal eingelöst.

Dem Stadtbau-Leiter legt die Staatsanwaltschaft zur Last, das komplizierte Spendensystem organisiert zu haben, um die Bestechung zu verschleiern. Dabei wurden die Zahlungen an Wolbergs Ortsverein in Kleinbeträge von jeweils 9900 Euro gestückelt und über Strohmänner ausbezahlt. So blieben die Beträge unter der Grenze von 10 000 Euro, ab der sie nach dem Parteiengesetz hätten veröffentlicht werden müssen. Dies wertet die Staatsanwaltschaft als Beihilfe zur Bestechung.

Neu ist, dass Wolbergs und "ihm nahe stehende Personen" womöglich auch persönlich profitiert haben. So hat Tretzel laut den Ermittlungen schon 2012 die Renovierung eines Hauses gratis organisiert, dessen Mitbesitzer Wolbergs ist. Außerdem habe Tretzel beim Verkauf von zwei Wohnungen an Wolbergs nahestehende Personen Nachlässe von 37 600 und 40 000 Euro gewährt. Insgesamt beziffert die Staatsanwaltschaft diese "geldwerten Vorteile" auf ungefähr 79 000 Euro.

Das politische Regensburg steht nach diesen Vorwürfen unter Schock, das beweist jedes Gespräch an diesem Mittwoch. SPD-Fraktionschef Norbert Hartl sagte mittags, er könne noch gar nichts sagen. Nur dass er für 18 Uhr eine Koalitionsrunde und zwei Stunden später eine Fraktionssitzung einberufen habe. Doch um die Koalition zu erhalten, dürfte es bereits zu spät sein. "Wolbergs muss Konsequenzen ziehen", fordern die Grünen, die bislang wie die Freien Wähler und FDP ein fester Partner waren. Und weiter: Aufgrund der Ausführungen der Staatsanwaltschaft sei "der Zeitpunkt erreicht, dass Wolbergs (.

. .) als Oberbürgermeister zurücktritt". Stadträtin Tina Lorenz (Piraten) sagte, Wolbergs beschädige nicht nur das Bild der Stadt, sondern des ganzen Berufsstandes: "Der Zeitpunkt für einen Rücktritt wäre schon vor Monaten gewesen." Der Stadtrat Richard Spieß (Die Linke) fordert, Wolbergs müsse angesichts der "drastischen" Entwicklung sein Amt niederlegen. Entgegen seiner Ankündigung habe der OB offenbar nichts zur Aufklärung beigetragen. Er bedaure zutiefst, sagt Spieß, dass der Wechsel zu einer sozialeren Politik nun wohl bereits wieder beendet sei. Er rechne mit Neuwahlen noch in diesem Jahr - und mit einer neuen Ära der CSU.

Christian Schlegl (CSU), der Wolbergs 2014 unterlegen war, sieht den "Zeitpunkt für einen anständigen Rücktritt bereits überschritten". Schlegl wird bei einer Neuwahl nicht mehr antreten, in der CSU deutet vieles auf die Bundestagsabgeordnete Astrid Freudenstein hin. Die SPD hat derweil andere Sorgen: "Natürlich ist ein politischer Schaden da", der sich "noch mal verschärft" habe, sagte Bürgermeisterin Gertrud Maltz-Schwarzfischer. Die Stadt sei aber "nach wie vor handlungsfähig".

© SZ vom 19.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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