Innenausschuss zu Fall Anis Amri:Drei islamistische Gefährder sind vom Radar verschwunden

Bundestag To Commemorate Terror Attack Victims

Kerzen und Blumen erinnern am Berliner Breitscheidplatz an den Anschlag, bei dem zwölf Menschen starben - durch einen Gefährder, den die Behörden aus den Augen verloren hatten.

(Foto: Getty Images)
  • Nach Angaben des Chefs des Bundeskriminalamts Holger Münch vor dem Innenausschuss des Bundestags wissen die Sicherheitsbehörden von drei der derzeit in Deutschland als Gefährder eingestuften Personen nicht, wo sie sich aufhalten.
  • Etwa die Hälfte der insgesamt 547 Gefährder befinde sich im Ausland, 80 säßen in Haft. Somit bleiben knapp 200 Gefährder, die sich frei in Deutschland bewegen.
  • Keine der Fraktionen im Bundestag will derzeit einen Untersuchungsausschuss zum Fall Amri einrichten.

Von Christian Endt, Berlin

Von drei der derzeit in Deutschland als Gefährder eingestuften Personen wissen die Sicherheitsbehörden nicht, wo sie sich aufhalten. Das sagte der Chef des Bundeskriminalamts (BKA), Holger Münch, nach Angaben des Abgeordneten Burkhard Lischka (SPD) am Mittwoch in einer nicht öffentlichen Sitzung des Innenausschusses. Etwa die Hälfte der insgesamt 547 Gefährder befinde sich im Ausland, vornehmlich in Syrien und im Irak, sagte Lischka unter Berufung auf Münch. 80 säßen in Haft. Nach diesen Zahlen blieben knapp 200 Gefährder, die sich frei in Deutschland bewegen. Der CSU-Abgeordnete Stephan Mayer berichtete aus dem Ausschuss, mehr als ein Drittel der Gefährder sei in Nordrhein-Westfalen, in Berlin gebe eine zweistellige Zahl. Der Attentäter vom Berliner Breitscheidplatz, Anis Amri, hielt sich vor der Tat vornehmlich in diesen beiden Bundesländern auf.

"Alle Maßnahmen der Sicherheitsbehörden haben nicht ausgereicht, um Anis Amri zu stoppen und den Anschlag zu verhindern", sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière im Bundestag. Derzeit sei eine Arbeitsgruppe innerhalb des Gemeinsamen Terrorismusabwehrzentrums dabei, alle Gefährder erneut durchzugehen und zu beraten, wie mit ihnen verfahren wird. Mit einem neuen Gesetz will es de Maizière erleichtern, Gefährder in Abschiebehaft zu bringen; außerdem müsse man sie besser überwachen und Aufenthaltserlaubnisse räumlich stärker beschränken. Der Minister wiederholte seine Forderung, mehr Kompetenzen beim Bund zu konzentrieren: "Es darf keine Zonen unterschiedlicher Sicherheitsstandards in Deutschland geben." An Schuldzuweisungen im Fall Amri wolle er sich nicht beteiligen. Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth sagte dagegen, es stelle sich "eine Vielzahl von Fragen insbesondere in NRW".

Bundestag will keinen Untersuchungsausschuss im Fall Amri

Keine der Fraktionen im Bundestag will zum jetzigen Zeitpunkt einen Untersuchungsausschuss zum Fall Amri einrichten. Da die Legislaturperiode ihrem Ende entgegengeht, fehle dafür die Zeit. Die Regierungskoalition möchte die im Parlamentarischen Kontrollgremium (PKGr) eingerichtete Task Force mit der weiteren Aufklärung betrauen, sagte Lischka. Der Opposition reicht das nicht aus. Das PKGr tagt geheim, die dort gesammelten Informationen würden nur in einem Abschlussbericht veröffentlicht. Außerdem ist es nur für die Kontrolle der Geheimdienste zuständig, nicht aber für die Polizei. "Nur der Innenausschuss kann transparent aufklären", sagte dessen stellvertretender Vorsitzender Frank Tempel (Linke). Dort solle es nun mehrere Sondersitzungen geben.

Das Schweizer Bundesamt für Polizei gab derweil bekannt, dass Amris Waffe Anfang der Neunzigerjahre legal in die Schweiz importiert wurde. Das sei die einzige Spur der Waffe in der Schweiz. Die Waffe erscheine nicht in den kantonalen Waffenregistern. Dies habe man dem BKA mitgeteilt.

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