Bundesliga:Dem BVB fehlen die Oberhäupter

Eintracht Trier v Borussia Dortmund - DFB Cup

Wohin die Stimmung beim BVB tendieren wird - das ist eine der spannendsten Fragen vor dem Neustart der Liga.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Ausgerechnet die scheuen Charaktere Marcel Schmelzer und Marco Reus sollen Borussia Dortmund anführen. Das verrät viel über den Entwicklungsstand des Teams.

Kommentar von Philipp Selldorf

Unbestätigten, aber glaubhaften Berichten zufolge hat Pierre-Emerick Aubameyang kürzlich im Süden von Dortmund eine Villa erworben und dafür mehrere Millionen Euro ausgegeben. Doch bloß die Optimisten unter den Borussen leiten daraus ein Bekenntnis des Profis zur Vertragstreue gegenüber dem Verein ab. Dass Aubameyang beim Kauf der Immobilie an den Lebensabend in Dortmund und die Sicherung seines Alterssitzes dachte, muss als unwahrscheinlich gelten.

Beim BVB ist man darauf eingestellt, dass die Spekulationen um den international geachteten Angreifer nicht aufhören werden. Die Märchen und Gerüchte vom Transfermarkt sind die ständige Begleitmelodie des Geschäftsbetriebs, sie berieseln den Alltag wie Muzak den Kaufhausaufzug. Meistens ignoriert man diese Töne wegen ihrer Belanglosigkeit, aber manchmal machen sie einen auch verrückt, weil man gerade nervös und reizbar ist.

Wohin die Stimmung beim zweiten deutschen Großklub tendieren wird, das ist eine der spannendsten Fragen vor dem Neustart der Liga. Während der Winterpause hat der BVB sein Publikum vor allem mit Neuigkeiten zur Kapitänsfrage beschäftigt. Trainer Thomas Tuchel hatte Überlegungen angestellt, ob er Marcel Schmelzer im Amt bestätigen oder Marco Reus mit der Aufgabe betrauen sollte.

Auf einer Höhe mit Real - und in der Liga hinter Frankfurt

Nach einigem Hin und Her und einer von Verzweiflung getragenen Wortmeldung Schmelzers entschied der Trainer, die alte Rangordnung beizubehalten. Interessant sind vor allem die Kandidaten: Weder Schmelzer noch Reus sind bisher als typische Vertreter der Gattung Kapitäns-Persönlichkeit aufgefallen. Zumal in einem Klub, der sich auf seine Spielführer-Historie etwas einbilden darf, weil in der Besetzungsliste Männer wie Lothar Huber, Manni Burgsmüller und Michael "Susi" Zorc auftauchen. Zuletzt hatten Sebastian Kehl und Mats Hummels das Patent inne.

Es sagt einiges aus über den Entwicklungsstand des Bundesliga-Riesen Dortmund, dass Tuchel kaum anderes übrig bleibt, als die scheuen Wesen Schmelzer und Reus zu führenden Repräsentanten zu erheben. Diesem BVB-Team mangelt es nicht an markanten Spielern, aber entweder haben sie wie Sahin und Weidenfeller ihre besten Zeiten hinter sich oder sie genügen wie Dembelé und Aubameyang nicht den Kriterien, die zur amtlich anerkannten Führungskraft gehören.

Nach dem Willen der Vermarkter des Fußballs soll sich das Volk auf einen spannenden Wettbewerb um die Meisterschaft freuen können. Doch Borussia Dortmund, der designierte Erzrivale des Titelverteidigers, hört nicht auf, den Vermarktern Sorgen zu machen. Der aktuelle BVB ist reich an Talenten, doch nach dem Verlust von Hummels, Gündogan und Mkhitaryan arm an Häuptern und Oberhäuptern. Er ist imstande, auf einer Höhe mit Real Madrid zu verkehren - und in der Lage, sich hinter Eintracht Frankfurt und Hertha BSC einzureihen. Wenn Klubchef Aki Watzke von Team und Trainer für die Rückrunde verlangt, Platz drei zu sichern, dann fordert er nicht zu viel. Aber auch nicht wenig.

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