Kultur im Landkreis:Flüchtige Schönheit

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Traudel Lindauers "Schneewittchenschuhe" sind von Mai bis Juli in der Galerie im Schlosspavillon zu sehen. (Foto: Traudel Lindauer)

Die Vergänglichkeit ist in diesem Jahr ein zentrales Thema in den drei Ismaninger Museen. Daneben gibt es unter anderem eine Ausstellung über Marionettentheater und natürlich wieder Werke von Hans-Jürgen Kallmann zu sehen.

Von Udo Watter, Ismaning

In seinem Gedicht "Entdeckungen an einer jungen Frau" bemerkt Bertolt Brecht respektive sein lyrisches Alter Ego beim morgendlichen Abschied eine graue Strähne im Haar der Nachtbekanntschaft. Das Zeichen ihrer Vergänglichkeit bringt den kühlen Großstadtpoeten ganz durcheinander, er entschließt sich, noch eine Nacht länger zu bleiben: "Denn wir vergaßen ganz, dass du vergehst. Und es verschlug Begierde mir die Stimme", lauten die finalen Zeilen.

Die Faszination der Vergänglichkeit zeigt sich auch in der Natur

Ja, wer Schönheit mit ewiger Jugend gleich setzt, wer als ästhetisches Ideal das zeitlos Dekorative und die makellose Optik sucht, der kann sich gerne an die Versprechungen der Kosmetik- oder Werbebranche halten. Klügere Menschen wissen: Ein entscheidendes Charakteristikum der Schönheit ist ihre Vergänglichkeit. Die Spuren von Zeit geben dem Sein erst Gewicht, eine besondere Anmut entsteht erst vor dem Hintergrund des Vergehens.

Im Ausstellungsprogramm 2017, welches die Leiter von Kallmann-Museum, Schloss Museum und die Galerie im Schlosspavillon, jetzt in Ismaning vorstellten spielt die Liaison zwischen Schönheit und Vergänglichkeit auch eine signifikante Rolle. Dabei geht es freilich weniger um junge Frauen als um die Natur und ihre Phänomene. Das Kallmann-Museum, das heuer sein 25-jähriges Bestehen feiert, widmet sich in seiner Sommerausstellung von Juli bis November dem Thema "Schön vergänglich - Blumen in der zeitgenössischen Kunst". Museumsleiter Rasmus Kleine freut sich auf einen besonderen Erkenntnisgewinn: "Blumen als Stillleben werden gerne als banales Motiv abgetan. Aber es spielt eine große Rolle in der Kunstgeschichte und auch moderne Künstler beschäftigen sich immer wieder damit."

Im Kallmann-Museum, das am 16. Juli 1992 in der wiederaufgebauten Orangerie des Ismaninger Schlosses eröffnet wurde, sind nicht nur Gemälde und Fotografien zu sehen, die sich mit Aspekten der Vergänglichkeit und Fragen der Abbildbarkeit befassen, sondern auch Videos und Skulpturen. "Wir verfolgen das Fortleben dieses klassischen Motivs in der heutigen Zeit", erklärt Kleine.

Marionetten und Spitze, Geheimes und Erhellendes

Spannend dürfte auch die Ausstellung "Traudel Lindauer: allerlei - leicht", die von Mai bis Juli in der Galerie im Schlosspavillon zu sehen ist. Die 1942 in Dresden geborene Künstlerin verbindet Elemente aus der Textilkunst und ungewöhnliche Naturmaterialien zu zarten, oft schwebend anmutend Objekten - ob feinster Samt und Spitze oder Blütenblätter, Blattgerippe und Pusteblumen. "Sie verweisen ganz von selbst auf die Vergänglichkeit von Schönheit hin und unterstreichen damit ihre Kostbarkeit", erläutert Lindauer.

Im Kallmannmuseum werden demnächst Bilder von Marcus Jansen ausgestellt. (Foto: Marcus Jansen/VG Bildkunst, Bonn 2017)

Freilich werden heuer in den drei Institutionen, die alle nur wenige Meter entfernt voneinander im Ismaninger Schlosspark liegen, auch viele Themen und Objekte präsentiert, die sich nicht explizit mit der wunderbaren oder auch erschreckenden Fragilität des Daseins beschäftigen.

Das Schlossmuseum Ismaning, das in seiner ständigen Ausstellung im Obergeschoss einen Überblick zur Kulturgeschichte des 809 erstmals urkundlich erwähnten Ortes beherbergt, zeigt Vielfalt: "Wir freuen uns auf vier, thematisch, sehr unterschiedliche Ausstellungen", sagt Leiterin Christine Heinz. Von 18. Februar bis 30. April heißt es "Großes Theater auf kleiner Bühne", und präsentiert werden historische Marionetten aus Böhmen und Bayern aus der Sammlung Anita und Hartmut Naefe. Von Mai bis September können Besucher dann Einblicke in den verborgenen Teil der Ismaninger Schlossgeschichte gewinnen - in der Werkschau "Schlossgeheimnisse". Die folgende Ausstellung thematisiert von Ende September bis November die Geschichte der evangelischen Kirche in Ismaning, und von 18. November an gibt es die Weihnachtsausstellung "Krippen und Modelle aus Ismaning".

Das Kallmann-Museum begeht sein 25-jähriges Bestehen

Einen lokalen Anstrich hat auch die erste Werkschau des Jahres in der Galerie im Schlosspavillon. Sie widmet sich dem Grafik-Designer, Zeichner und Maler Hansjörg Langenfass, der seit 1965 in Ismaning wohnt. "Er ist eine Institution hier, und es war ein Wunsch der Gemeinde, dass er jetzt eine Einzelausstellung bekommt", erklärt Gisela Hesse, die Leiterin der Galerie. Langenfass ist mit Illustrationen für Zeitschriften und Bücher bekannt geworden und hat auch eigene Werke wie das "Comic-Kochbuch" veröffentlicht (3. März bis 30. April).

Das Schlossmuseum zeigt im Februar und April Marionetten aus der Sammlung Anita und Hartmut Naefe. (Foto: Sammlung Naefe)

Im Anschluss an die erwähnte Ausstellung mit Objekten von Lindauer (5. Mai bis 9. Juli) zeigt die Galerie, die heuer 35 Jahre alt wird, Arbeiten auf Leinwand, Papier und Karton von Stefan Wehmeier ("Naturstücke"). Spannend dürften danach auch Liu Bins "Tuschebilder und Kalligrafien" sein. Anschließend gibt es eine Doppelausstellung vom 5. November bis 17. Dezember: "Julia da Silva Bruns - die starke Brasilianerin in der Schriftstellerfamilie Mann" - eine Dokumentation des Goethe-Instituts Sao Paulo und des Buddenbrookhauses Lübeck zum einen. Und die Bilder des Künstlers Joachim Jung zur Familie Mann zum anderen.

Die bekannteste Institution der sogenannten "Ismaninger Museumsmeile" ist das Kallmann-Museum, das heuer sein 25-Jähriges feiert. Das Jubiläum wird explizit am 22. Juli im Rahmen der Veranstaltung "Kultur im Schlosspark" zelebriert. Abgesehen davon hat Leiter Rasmus Kleine, der auf ein außergewöhnlich erfolgreiches Jahr 2016 zurückblicken kann, wieder ein viel versprechendes Programm realisiert. Neben "Schön vergänglich" mit den Blumenmotiven wäre da von 18. Februar an die Schau "Ecce Creatura". Sie stellt aktuelle Positionen von Malern vor, die sich mit dem Bild des Menschen und seiner existenziellen Situation in der Welt auseinandersetzen. Darunter ist der US-amerikanische Maler Marcus Jansen, dessen Gemälde eindrucksvolle Zeugnisse einer apokalyptischen Weltsicht sind, die Gefährdung und Verfall ins Zentrum rückt, aber auch Raum für Hoffnung lässt.

Auch die Konzerte im Kallmann finden eine Fortsetzung

Vom 13. Mai bis 9. Juli sind Werke der Künstlerin Erna Schmidt-Caroll im Kallmann-Museum zu sehen, einer Zeitgenossin Hans-Jürgen Kallmanns. "Sie hat lebendige, eindrucksvolle Bilder geschaffen", sagt Kleine. Traditionell zum Jahresende steht der Namensgeber des Museums im Blickpunkt. Von 18. November an sind eher unbekannte Arbeiten aus dem Frühwerk Kallmanns zu sehen, darunter Bleistift- und Kreidezeichnungen. Zudem findet die hochkarätige Konzert-Reihe im Kallmann-Museum eine Fortsetzung, es gibt Theater-Gastspiele, Workshops und ein Kinderprogramm. Man darf sich also im Jubiläumsjahr auf ein erstaunliches Angebot im Ismaninger Schlosspark freuen. Oder mit den Worten Gisela Hesses: "Wir haben hier eine blühende Kulturlandschaft." Und die darf sich mit dem Vergehen ruhig Zeit lassen.

Weitere Informationen gibt es unter www.galerie-schlosspavillon.de, www.kallmann-museum.de oder www.schlossmuseum.ismaning.de.

© SZ vom 30.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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