Integration:In Bayern dahoam

Die meisten Migranten leben sehr gern im Freistaat und fühlen sich gut integriert. Das zeigt eine Studie der Hanns-Seidel-Stiftung auf. Politisch allerdings sind viele Zugezogene nicht besonders interessiert. Wenn sie doch zur Wahl gehen, machen die meisten ihr Kreuz bei der CSU

Von Lisa Schnell

Einwanderer sind in Bayern gut integriert. Die überwiegende Mehrheit der Migranten fühlt sich im Freistaat sehr wohl. Sie sind als Gruppe nicht radikalisiert und sehen sich als Teil der Gesellschaft. So lautet das Fazit einer Studie, die am Mittwoch von der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung vorgestellt und vom Berliner Forschungsinstitut Data 4U erarbeitet wurde. Damit könne Bayern als "Modellland der gelebten Integration in Deutschland" gelten. In vielen bundesweiten Studien sei die Distanz von Migranten zur deutschen Gesellschaft deutlich höher. Das gebe Hoffnung, dass die Integration auch in Zukunft gelinge, sagte die Vorsitzende der Hanns-Seidel-Stiftung, Ursula Männle. Das größte Integrationsdefizit attestiert die Studie Migranten mit türkischer Abstimmung. Politisch stehe die Mehrheit der CSU nahe, wogegen die SPD in der Gunst von Migranten gesunken sei.

Eine Studie in dieser Größenordnung sei deutschlandweit "erstmalig und einmalig", sagte Joachim Schulte, der Geschäftsführer von Data 4U. In etwa halbstündigen Telefoninterviews befragten die Forscher mehr als 2000 Personen mit Migrationshintergrund, vor allem solche, die schon lange im Freistaat leben. Einwanderer der vergangenen zwei Jahre wurden nicht befragt. Die Studie repräsentiere etwa zwei Drittel der knapp drei Millionen Migranten in Bayern und sei so aussagekräftig wie die amtliche Statistik, sagte Schulte.

Dass die Integration in Bayern "superpositiv" laufe, liege vor allem an der ländlichen Struktur des Freistaats. Mehr als 70 Prozent der Zuwanderer lebten in kleineren Städten und Gemeinden. So werde eine "integrationshemmende Gettoisierung", wie sie oft in Großstädten zu finden sei, verhindert. "Wenn ich in Berlin im Wedding lebe, brauche ich gar kein Deutsch zu sprechen. Dort gibt es einen türkischen Friseur, türkische Ärzte und Apotheken", sagte Schulte. Auf dem Land aber, wo die Kinder im gleichen Fußballverein spielten, müssten die Leute zwangsweise ins Gespräch kommen. Auch darauf sei zurückzuführen, dass jeder zweite Befragte angab, nahezu perfekt Deutsch zu sprechen. "Baut keine Gettos, sondern verteilt die Menschen, durchmischt die Bevölkerungsgruppen, damit sie miteinander ins Gespräch kommen", lautete Schultes Rat an die Politik. Wer eigene Erfahrungen mit Migranten mache, werde schnell zu der Erkenntnis kommen, dass sie "keine Menschenfresser" seien. Nur zehn Prozent der Befragten gaben an, oft diskriminiert zu werden. Auch die wirtschaftliche Stärke Bayerns spiele eine Rolle. Der Vorwurf, "Die Ausländer nehmen uns die Arbeitsplätze weg", falle in einem Bundesland, in dem nahezu Vollbeschäftigung herrsche, nicht auf besonders fruchtbaren Boden.

In ihrer eigenen Welt leben der Studie zufolge am ehesten Migranten, die aus der Türkei stammen. Sie hätten den größten Wunsch, wieder in ihr Heimatland zurückzukehren, sprächen gerne ihre Muttersprache und wählten häufig in der Türkei. Schulte führt das unter anderem auf die Auseinandersetzung zwischen der Türkei und der EU und damit auch Deutschland zurück. Türkischstämmige Migranten seien "stark verunsichert", sagte er und hätten geringes Vertrauen in die deutschen Parteien. Das zu ändern, sei schwer. Da sich Migranten aus der Türkei vor allem über ihre eigenen Medien informierten, bestünden wenig Chancen, sie zu erreichen.

Nur noch bis Ende des Jahres Vorsitzende der Seidel-Stiftung: Ursula Männle.

Für Ursula Männle, die Vorsitzende der Seidel-Stiftung, lässt die Studie für die Zukunft hoffen.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)

Doch auch andere Migrantengruppen wie Spätaussiedler aus der ehemaligen Sowjetunion, Asiaten oder Araber zeigen kein sehr großes Interesse an bayerischer Politik. Mehr als 40 Prozent der Migranten konnten oder wollten die Parteien nicht beurteilen. Auch, weil sie laut Schulte einfach zu wenig darüber wissen. Es stelle sich die Frage, wer die Bringschuld an diesem Kommunikationsdefizit habe. "Müssen die Parteien mehr den Dialog mit Migranten suchen oder sollen sich Migranten mehr informieren?", fragte er und fügte an: "Wahrscheinlich beides." Allerding nehme er an, dass auch in der bayerischen Bevölkerung das Wissen über kleinere Parteien wie die Freien Wähler oder die Bayernpartei nicht allzu verbreitet sei. Eine Vergleichsstudie habe sein Institut aber nicht angefertigt.

Für die Wahlbeteiligung aber gibt es vergleichbare Zahlen. Sie liege bei den Migranten, die wahlberechtigt sind, etwa zwischen 50 und 60 Prozent. Bei der jüngsten Landtagswahl in Bayern gaben 63 Prozent ihre Stimme ab. Man könne also nicht sagen, dass sich Migranten gar nicht um politische Wahlen kümmerten, sagte Schulte.

Überrascht hat den Berliner Forscher aber, wen die Migranten wählen. Zuerst zeichnete sich bei der Studie ein Ergebnis ab, wie es viele vielleicht vermuten würden: eine Präferenz für die SPD. Da hatten die Forscher aber noch nicht die Polen, Rumänen und Spätaussiedler befragt. Diese Gruppen favorisieren demnach die CSU. Außerdem seien sie zu großen Teilen wahlberechtigt und setzten ihre Präferenz auch um. Dies führe dazu, dass sich die Wahlentscheidungen von Migranten nicht allzu sehr von denen der restlichen Bevölkerung in Bayern unterscheiden. In der Vergangenheit wählten 48 Prozent der Migranten die CSU, 34 die SPD. Wäre nächsten Sonntag Landtagswahl, würde die SPD allerdings fast zehn Prozent verlieren. Die SPD gelte als eine Partei, die sich immer die Integration auf die Fahnen geschrieben habe, sagte Schulte. Sie habe aber "wenig eingelöst" und ihr Vertrauen verspielt. Auffallend sei außerdem, dass vor allem die Linke und die AfD von der Stimmung unter den Migranten profitierten. Vor allem Spätaussiedler beurteilen AfD und Linke überdurchschnittlich gut. Den starken linken Flügel erklärt sich Schulte durch die "Prägung von zu Hause", der ehemaligen Sowjetunion. Die Zustimmung für die AfD führt er darauf zurück, dass sich viele Spätaussiedler nicht mehr als Migranten wahrnehmen. Eine politische Radikalisierung von Migrantengruppen konnten die Forscher nicht feststellen. Vielmehr bestehe ein "starker Drang zur Mitte". Wobei natürlich nicht ganz klar sei, was für einen Araber die Begriffe "rechts" und "links" bedeuten. Eindeutig waren die Ergebnisse bei einer anderen Frage: Wem drücken Sie bei einer Sportveranstaltung die Daumen? Bei mehr als der Hälfte der Befragten schlägt das Herz doch für die Mannschaft des Herkunftslandes, 23 Prozent freuen sich über Erfolge beider Mannschaften und nur elf Prozent fiebern beim Fußball mit den Deutschen mit. Bei den Türken nur ein Prozent.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: