Paris:Geschenk für Wildpinkler

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In Paris stellt die staatliche Eisenbahngesellschaft in einem Testlauf den "Uritrottoir" bereit, ein mit Sägemehl gefüllter Container, in den jeder auf dem Bürgersteig seine Notdurft verrichten kann. (Foto: Uritrottoir)

In Deutschland droht eine Geldstrafe - in Paris bekommen Menschen, die sich gern in der Öffentlichkeit erleichtern, jetzt Unterstützung durch hochmoderne Blumenkübel.

Beißender Uringeruch in U- und S-Bahnhöfen, in Unterführungen, in schmalen Gassen und dunklen Winkeln: Europa mag sich für noch so zivilisiert halten - am Ende verrichtet doch wieder jemand seine Notdurft an der nächstgelegenen Hauswand.

Was die Kinderstube nicht vermochte, versucht in Deutschland der Bußgeldkatalog zurechtzubiegen. Urinieren in der Öffentlichkeit ist in Deutschland nicht erlaubt und wird mit einem Verwarn- oder Bußgeld zwischen 35 Euro und (in besonders schweren Fällen) 5000 Euro geahndet.

Frankreich geht gegen Wildpinkler jetzt genau andersherum vor: Zuckerbrot statt Peitsche. In Paris stellt die staatliche Eisenbahngesellschaft in einem Testlauf den "Uritrottoir" bereit, zu deutsch etwa "Urin-Bürgersteig". Der Uritrottoir ist ein viereckiger, zweistöckiger Container, der sich auf den ersten Blick zwischen den Beton-Blumenkästen am Bürgersteig ziemlich erfolgreich tarnt. Im unteren Teil der Box befinden sich Holzspäne oder Sägemehl, die die Flüssigkeit aufsaugen, wie ein Katzenklo. Der obere Teil ist rot, mit Blumen bepflanzt und hat eine Pissoir-ähnliche Öffnung mit einem Ablauf in die Sägemehltonne. Die Container können regelmäßig ausgeleert und der Inhalt kompostiert werden.

Wer denkt, dass sich die Geruchsbelästigung nun eben von Hauswänden auf Blumenkübel verlagert, soll unrecht behalten - so zumindest der Plan. Das organische Material der Blumen-Pipi-Box hat einen hohen Kohleanteil, der den Geruch reduziert. Außerdem ist in jeder Box ein Sensor vorhanden, der ein Signal schickt, wenn der Kompost gewechselt werden muss. Keine Chance für das Gehweg-Klo, vor sich hinzugammeln.

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Fragt man die Erfinder, ist der "Uritrottoir" nicht nur ein Geschenk an alle Wildpinkler, sondern auch an die Umwelt. "Wir machen Kompost. Wir nutzen zwei Abfallprodukte, Stroh und Urin, um etwas herzustellen, das Pflanzen wachsen lässt", sagt Laurent Lebot der britischen Zeitung Guardian. Er hat gemeinsam mit seinem Kollegen Victor Massip den Uritrottoir erfunden.

Die Bürgersteig-Toilette ist in zwei Größen erhältlich. Die Hersteller gehen davon aus, dass das größere Modell den Urin von 600 Nutzern aufnehmen kann, das kleinere Modell nur den von etwa 300 Personen. Da, vermutlich aus Sichtschutzgründen, gerade Ecken bei Wildpinklern sehr beliebt sind, gibt es außerdem ein trapezförmiges Modell, das allerdings nur für 275 Pinkler reicht.

Die staatliche Eisenbahngesellschaft hat für eine Testphase zwei Exemplare an einem Pinkel-Hot-Spot in der Nähe des Gare de Lyon in Paris aufgestellt und will die mobilen Boxen auch an weiteren Bahnhöfen und Straßen aufstellen, wenn die Testphase erfolgreich läuft. Auch in der französischen Stadt Nantes, aus der die Erfinder kommen, werden die Uritrottoirs ausprobiert.

Ob die Erleichterung im öffentlichen Raum unbedingt auf diese Weise gefördert werden sollte, ist fraglich. Dass es sich dabei vor allem um ein Männer-Ding handelt, bestreitet Lebot. "Wir dachten es - es scheint allerdings nicht so zu sein." Sie hätten das Problem noch nicht vollständig gelöst. Aber für Frauen etwas Passendes zu finden, sei eben auch nicht so einfach.

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