Deutsch-polnisches Verhältnis:Merkel muss Kaczyński mitnehmen

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Jarosław Kaczyński auf dem Weg zum Treffen mit der Kanzlerin in Warschau (Foto: AFP)

Es ist richtig, dass die Kanzlerin sich intensiv um Polen bemüht. Dadurch kann sie dessen Führung ein bisschen aus dem nationalen Schmollwinkel holen. Und das Land hat berechtigte Interessen.

Kommentar von Stefan Ulrich

Freundschaft ist wie Wein, je älter, desto besser, lautet ein Sprichwort. Das lässt hoffen. Die Freundschaft zwischen Polen und der Bundesrepublik Deutschland ist jung und birgt somit viel Verbesserungspotenzial.

Die schlechte Stimmung zwischen beiden Regierungen im vergangenen Jahr kann bald wieder einer gedeihlichen Zusammenarbeit weichen. Denn die gemeinsamen Interessen sind stark. Deutschland braucht Polen, Polen braucht Deutschland, und Europa - eingezwängt zwischen Wladimir Putin und Donald Trump - braucht alle beide.

Daher ist es richtig, dass sich die Kanzlerin Angela Merkel bei ihrem Polen-Besuch am Dienstag mit dem Nationalkonservativen Jarosław Kaczyński traf. Der hat zwar keinerlei Staatsamt inne, ist jedoch der unheimliche Herrscher im Land. Will die deutsch-polnische Freundschaft vorankommen, so muss sie ihn mitnehmen. Jedenfalls im Moment.

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Die Kanzlerin erlaubt sich in Warschau ein persönliches Wort. Indirekt ermahnt sie die polnische Regierung damit zu mehr Rechtsstaatlichkeit.

Nun ist Kaczyński zwar Ideologe, aber auch Stratege. Er weiß, dass Polen enge Wirtschaftsbeziehungen mit Deutschland und der EU sowie die Milliardenhilfen aus Brüssel braucht. Auch sicherheitspolitisch ist das Land in der Ära Trumputin mehr als bisher von der Europäischen Union abhängig.

Daher redet Kaczyński plötzlich einer atomaren Supermacht Europa das Wort. Dies zeigt: Der Anführer der PiS-Partei kann, zumindest ein Stück, aus seinem nationalen Schmollwinkel herausgeholt werden. Wenn man sich um ihn bemüht.

Dazu gehört es, aus den provokant-nationalistischen Phrasen Kaczyńskis berechtigte polnische Interessen herauszufiltern. So darf Deutschland nie wieder über die Köpfe der Polen hinweg und zu deren Lasten einen Deal mit Russland schließen.

Bei allem Streit, den es mit Warschau wohl noch länger geben wird, muss eines klar sein: Jede Aggression Russlands gegen Polen wäre wie eine Aggression gegen Deutschland und würde als solche behandelt. Die Versicherung Merkels und der polnischen Regierungschefin Beata Szydło, die Sanktionen gegen Moskau aufrechtzuerhalten, weist in diese Richtung.

Was Kaczyński bedenken sollte

Auch Kaczyńskis Kritik an dem Übergewicht Deutschlands und seiner Kanzlerin in der EU hat ihre Berechtigung. Es tut auf Dauer weder Europa noch der Bundesrepublik gut. Nur: Deutschland hat sich diese Rolle nie gewünscht. Es ist in sie hineingeraten, weil andere Nationen nicht genug Führungsverantwortung übernehmen.

Polen etwa ist der wichtigste Staat im Osten der EU. Statt deren Rückbau zu Gunsten der Nationalstaaten zu fordern, sollte Polen sich um deren Stärkung bei Verteidigung, Außenpolitik und im Kampf gegen die Kriminalität einsetzen. So würde Warschaus Gewicht in Europa wachsen.

Vor allem aber müssen Kaczyński und seine Parteifreunde bedenken, dass sich die EU wahrscheinlich stärker als bisher in einen Kern und eine Peripherie ausgestalten wird. Wenn die polnische Regierung weiter den Rechtsstaat demoliert und die Medienvielfalt beseitigt, dann wird das Land allenfalls in der Peripherie bleiben. Und das hätten die Polen wirklich nicht verdient.

© SZ vom 08.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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