Warschau:Merkel betont in Polen, wie wichtig unabhängige Justiz und Medien sind

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  • Bei ihrem Besuch in Polen erinnert Kanzlerin Merkel an die freie Gewerkschaft Solidarność - und zieht Schlüsse daraus, die bis heute reichen.
  • Was Wirtschaft und Verteidigungspolitik betrifft, so betonen Merkel und die polnische Regierungschefin Szydło die gemeinsamen Interessen ihrer Länder.

Angela Merkel (CDU) hat bei ihrem Besuch in Polen das Land zu mehr Rechtsstaatlichkeit gemahnt - indirekt, aber dennoch deutlich. Bevor sich die Kanzlerin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit der polnischen Regierungschefin Beata Szydło zu gemeinsamen Zielen und Projekten äußerte, schob sie zunächst eine, von ihr als "persönlich" bezeichnete Bemerkung voran.

Als junger Mensch, sagte die aus der DDR stammende Merkel, habe sie immer mit großer Aufmerksamkeit auf das geblickt, was in Polen vor sich gehe. Die Kanzlerin würdigte in diesem Zusammenhang die historische Rolle der unabhängigen polnischen Gewerkschaft Solidarność in den 1980er Jahren in der damaligen sozialistischen Volksrepublik Polen. "Aus dieser Zeit wissen wir, wie wichtig plurale Gesellschaften sind", wie wichtig eine unabhängige Justiz und unabhängige Medien seien, sagte Merkel.

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Am 31. August 1980 unterzeichnete der Elektriker Lech Walesa das "Danziger Abkommen": Die unabhängige Gewerkschaft Solidarność wurde gegründet. Dies war der Anfang vom Ende des Kommunismus - nicht nur in Polen.

Cordula Sailer

In diesem Zusammenhang zeigte Merkel sich "froh", dass die polnische Regierung die angekündigt habe, Fragen der Venedig-Kommission zu beantworten. Diese Einrichtung des Europarats kritisiert die "systematische Bedrohung des Rechtsstaats" in Polen.

Die nationalpopulistische Regierung in Polen hatte in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von zum Teil wohl verfassungswidrigen Gesetzen erlassen, mit der sie nach Einschätzung von Kritikern versucht, das Verfassungsgericht und den öffentlich-rechtlichen Rundfunk unter seine Kontrolle zu bringen. Auch in Brüssel sieht man die Entwicklung in Warschau äußerst kritisch. Die EU-Kommission prüft die umstrittenen Gesetze.

EU-Themen stehen erst am Abend auf der Agenda

Ansonsten stellten sowohl Merkel als auch Szydło zunächst einmal die gemeinsamen Ziele und Projekte beider Länder heraus, vor allem im Bereich der wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Zusammenarbeit. Es sei "für die Wirtschaft Polens sehr wichtig, dass deutsche Firmen sich hier engagieren", sagte die polnische Ministerpräsidentin. Merkel verwies darauf, dass Polen in diesem Jahr Partnerland auf der Hannover Messe ist.

Was die Zusammenarbeit im Verteidigungsbereich angeht, stellte Merkel heraus, dass es in diesem Bereich "sehr gemeinsame Ansichten" gebe. Über die weitere Entwicklung in der EU, Fragen nach Reformen oder Folgen aus dem Brexit werden die beiden Regierungschefinnen allerdings erst heute Abend sprechen.

Außer mit Szydlo tritt Merkel in Warschau außer mit dem Vorsitzenden der Regierungspartei PiS, Jarosław Kaczyński, und Staatschef Andrzej Duda sprechen. Die Bundeskanzlerin will bei dem Besuch auch mit Vertretern der Opposition sprechen.

© SZ.de/AFP/Reuters/gal - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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