Satire:Nachäffen allein ist nicht genug

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Parodien im TV: Bei Prosieben trifft es Donald Trump, im WDR Frauke Petry und im NDR Sigmar Garbiel. (Foto: dpa; WDR; NDR)

Komiker haben dem Irrsinn der Welt gerade vor allem Parodien entgegenzusetzen. Das ist faul, selbstgerecht und das glatte Gegenteil von kämpferisch.

Von Jens-Christian Rabe

Gut 18 Millionen Menschen haben inzwischen Melissa McCarthys Parodie von Sean Spicer gesehen, dem Sprecher des Weißen Hauses. Der achtminütige Clip lief am vergangenen Samstag in "Saturday Night Live", der berühmtesten Comedy-Show des amerikanischen Fernsehens. 18 Millionen Zuschauer hatte wohlgemerkt allein der offizielle Youtube-Clip, der zum Beispiel in Deutschland aus urheberrechtlichen Gründen gesperrt ist. Es dürften über Netz-Klone des Videos also noch gut ein paar Millionen Nutzer dazu kommen. Tatsächlich ist McCarthys heftig, aber gekonnt überzogenes Porträt des herrischen Grobians Spicer, der Trump verherrlicht und Journalisten abkanzelt, die einfach nur ein paar naheliegende Fragen stellen, ein großer Spaß.

Mehr noch: Man spürt eine gewisse Genugtuung darüber, wie entschlossen und wuchtig es da die Vernunft in Gestalt einer Komikerin mit dem erschreckend echten Wahnsinn unserer Gegenwart aufnimmt. Im Grunde geht das einem ja schon seit Monaten so, ob nun in den USA Melissa McCarthy Sean Spicer parodiert oder Kate McKinnon Angela Merkel oder Meryl Streep Donald Trump oder in Deutschland Max Giermann Sigmar Gabriel oder Carolin Kebekus Frauke Petry. Sogar Oliver Pochers Parodie von Donald Trump in einer Tanz-show auf Pro Sieben hatte eine überraschend wache Kraft. "Comic relief" ist der amerikanische Fachbegriff dafür, Befreiung durch Komik.

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Wenn sich Trump über die Komiker aufregt, macht es alles erst mal nur noch schöner

Dass sich Trump selbst auf Twitter schlecht gelaunt über Alec Baldwin, seinen Parodisten bei Saturday Night Live, ausließ ("Höchste Zeit, dass die langweilige und unlustige Show abgesetzt wird") und es, wie Washington-Insider verlauten ließen, offenbar besonders schlimm fand, dass Spicer von einer Frau parodiert wurde, oder dass der Pressesprecher selbst herrlich schmallippig reagierte ("Es war eine wirklich lustige Sendung, aber McCarthy könnte sich ein bisschen zurücknehmen") - das machte alles nur noch schöner und richtiger. Und doch ist der Nachgeschmack langsam irgendwie schal. Denn ist die Parodie wirklich das Mittel der Wahl, um dieser gigantischen Herausforderung des gesunden Menschenverstandes, der sich die Welt gegenübersieht, satirisch beizukommen? Mit anderen Worten: Hängen da die Früchte womöglich nicht doch ein gutes Stück zu niedrig?

Zuerst einmal ist eine Parodie vor allem eine Würdigung, die nur den allerwenigsten gewährt wird. Um nachgeahmt zu werden, muss man so bekannt sein, dass einen das breite Publikum auch satirisch verfremdet sofort wiedererkennt. Nichts krepiert so schnell im Rohr wie die Parodie eines Unbekannten. Man schalte in einem fremden Land nur einmal den Fernseher an und versuche sich bei einer politischen Comedy-Show zu amüsieren. Schon die grandiose Imitation der Trump-Strategin Kellyanne Conway von Kate McKinnon dürfte außerhalb der Vereinigten Staaten nur noch für einen Bruchteil der Öffentlichkeit wirklich ein Vergnügen sein. Alle anderen sehen bloß, wie eine amerikanische Frau eine andere amerikanische Frau parodiert.

Satire ist eine grimmige Rache, aber stets auch eine vornehme

Schwerer allerdings als das Problem, dass eine Parodie immer auch eine Ehrerbietung gegenüber bekannten Menschen ist, wiegt, in welche Richtung sie im Kern zielt. Als eine Art moderne Austreibung böser Geister ist sie - wie im Grunde jede Satire - nicht in erster Linie gegen die Parodierten gerichtet, sondern für die eigenen Leute gemacht. Trump-Anhänger und AfD-Freunde müssen nicht durch Komik erleichtert werden, sie freuen sich, dass ihre Leute endlich Gewicht haben. Und was für ihre Gegner Dummheit ist, halten sie für die Wahrheit, die nun endlich zu ihrem Recht kommt. In einer kleinen Notiz hat Joseph Roth diesen Umstand in den Zwanzigerjahren in den schönen Satz verdichtet: "Man kann die Dummheit nicht töten, wohl aber auslachen." Meist gehe es der Satire, so Roth, und es liest sich, als habe er es gerade eben erst geschrieben, nicht darum, den Gegner niederzuschmettern, denn der sei "von seiner Mutter Dummheit unverwundbar gebadet worden" und selbst eine Achillesferse habe er selten. Auslachen könne man ihn freilich, und wer ausgelacht werde, werde nicht gefürchtet. So sei die Satire zwar zuweilen eine grimmige Rache, aber stets auch eine vornehme. Und bequeme.

Nicht zuletzt in Deutschland gibt es eine lange Tradition politischer Comedy, die nichts anderes tut, als die Vorurteile seines Publikums zu bestätigen. Wir nennen es Kabarett. Ob man Comedy und Satire im öffentlichen Diskurs eine andere, kritischere, nachhaltigere Rolle zutraut, ist natürlich die Frage. Amerikanische Comedians wie Jon Stewart oder John Oliver, aber auch deutsche Kollegen wie Claus von Wagner oder Jan Böhmermann praktizieren inzwischen jedoch, was "investigative Comedy" genannt wird, und erreichen damit im Netz ein Millionenpublikum. Seit also nicht mehr nur mit alten Vorurteilen dem nächsten faden Gag hinterhergejagt wird, sondern Comedy-Nummern offensichtlich skrupulöse Recherchen zugrunde liegen und der Klamauk am Ende einen tatsächlich aufklärerischen Ehrgeiz hat, seitdem ist die Hoffnung nicht mehr völlig unbegründet, dass Komiker die Rolle der letzten wirklich wirkmächtigen Kritiker unserer Zeit übernehmen.

Dann aber ist es nicht mehr genug, bloß mehr oder weniger gekonnt nachzuäffen, wie sich Trump und Co. so geben. Es ist vielmehr faul und selbstgerecht und am Ende das glatte Gegenteil des ersten kämpferischen Anscheins. Es ist das leichte Lachen, die schnellstmögliche Vermarktung der Fassungslosigkeit. Aber was bleibt übrig, wenn man sich eine zu lange Krawatte um den Hals bindet, eine blonde Perücke aufsetzt und ein paar offensichtlich unverschämte Trump-Phrasen zum Besten gibt? Nichts, was den Irrsinn im fürchterlichen Original nicht auf perverse Art sogar feiert. Statt ihm die Stirn zu bieten.

Das leichte Lachen ist bloß die schnelle Vermarktung der Fassungslosigkeit

Niemand hat so unerbittlich auf die Untiefen des leichten Lachens hingewiesen wie der französische Philosoph Henri Bergson in seinem 1899 erschienenen Essay "Das Lachen" über die Bedeutung des Komischen. Ein Gesicht etwa, so Bergson, könne noch so regelmäßig sein, das Gleichgewicht sei nie vollkommen. Immer wieder könne man darin eine Spur eines Ticks, den Schatten einer möglichen Grimasse entdecken, irgendeine besondere Deformation erkennen.

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Die Kunst des Parodisten sei nun wiederum, dass er das erfasst und überbetont: "Er lässt die Personen, die er zeichnet, die Grimassen schneiden, die sie schneiden würden, wenn sie ihre schon vorhandene Grimasse jemals zu Ende schnitten." Deshalb würden auch Gebärden, über die zu lachen uns nicht eingefallen wäre, in dem Moment lächerlich, sobald ein Fremder sie gekonnt nachahmt. Das aber habe nun nicht nur etwas Diabolisches, weil es "den Dämon, den der Engel zerschmettert hatte, wieder auferstehen" lasse, es werde auch etwas Lebendiges, ein Mensch, von etwas Mechanischem überdeckt.

Selbst wenn man den lebensphilosophischen Überschwang abzieht, hat diese Argumentation im Moment etwas Zwingendes. Nur wenn man die Ereignisse als unbeteiligter Zuschauer betrachtet, verwandelten sich die Dramen in Komödien. Die Komik bedürfe einer "vorübergehenden Anästhesie des Herzens". Ganz anders sehe es aus, wenn man versucht, an allem Anteil zu nehmen: "Handeln Sie im Geist mit den Handelnden, empfinden Sie mit den Empfindenden - und Sie werden sehen, wie die gewichtslosesten Dinge wie unter der Berührung eines Zauberstabes gewichtig werden, wie alles sich düster färbt."

Das klingt vielleicht moralischer, als man es sich wünschen würde. Aber man besiegt den Wahnsinn nicht, indem man ihn bloß besonders gekonnt imitiert.

© SZ vom 09.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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