Christsoziale im Landkreis:Merkel spaltet die CSU

Christsoziale im Landkreis: Die Einheit in der Union ist dahin. Ob die CSU in diesem Wahlkampf noch einmal so wie vor vier Jahren für Merkel plakatiert, ist mehr als ungewiss.

Die Einheit in der Union ist dahin. Ob die CSU in diesem Wahlkampf noch einmal so wie vor vier Jahren für Merkel plakatiert, ist mehr als ungewiss.

(Foto: Claus Schunk)

"Merkel ist nicht mehr meine Kanzlerin", sagt der CSU-Abgeordnete Weidenbusch. "Die Kanzlerin ist die Richtige", kontert Landrat Göbel. Über eine Partei, deren Kreisverband zum Beginn des Wahlkampfs zerrissen ist wie noch nie

Von Martin Mühlfenzl, Landkreis München

Ein Gesicht wird während des Bundestagswahlkampfes auf den Plakaten der CSU im Landkreis sicher zu sehen sein. Das ihres Direktkandidaten und Bundestagsabgeordneten Florian Hahn. Ob sich die CSU indes - je nach Sichtweise - erbarmt, durchringt oder herablässt, auch das Konterfei der Bundeskanzlerin zu Werbezwecken einzusetzen, ist noch nicht geklärt. Schließlich gibt es innerhalb der Partei erhebliche Zweifel, ob mit Angela Merkel noch Wahlen zu gewinnen sind - und die CSU die CDU-Vorsitzende überhaupt noch unterstützen soll.

"Angela Merkel ist nicht mehr meine Kanzlerin." Ernst Weidenbusch meint es ernst. Der CSU-Landtagsabgeordnete aus Haar sagt diesen Satz voller Überzeugung - und schickt gleich die Begründung hinterher: "Wer mit dem Despoten Erdoğan Geschäfte macht, den kann ich nicht als meine Kanzlerin bezeichnen."

Am Montag haben die Spitzen von CDU und CSU bekanntgegeben, dass die Union zum vierten Mal mit Angela Merkel als Spitzenkandidatin in eine Bundestagswahl ziehen wird. Merkel selbst und CSU-Chef Horst Seehofer haben die wenig überraschende Entscheidung der Öffentlichkeit auf einer Pressekonferenz mitgeteilt - mit teils versteinerten, sehr ernsten Mienen, die erahnen lassen, wie schwer ihnen der Entschluss an sich und der gemeinsame Auftritt gefallen sein müssen.

"Angela Merkel ist offensichtlich meine Kanzlerin", sagt Florian Hahn

Darauf angesprochen, sagt der Bundestagsabgeordnete und CSU-Kreisvorsitzende Florian Hahn: "Angela Merkel ist offensichtlich meine Kanzlerin." Es ist eine sehr nüchterne Betrachtung des Putzbrunners, die weniger auf einem Gefühl, als vielmehr einem sehr nüchternen Fakt gründet: "Sie ist die gewählte Bundeskanzlerin und unsere gemeinsame Kandidatin für die Bundestagswahl."

Christsoziale im Landkreis: Die Einheit in der Union ist dahin. Ob die CSU in diesem Wahlkampf noch einmal so wie vor vier Jahren für Merkel plakatiert, ist mehr als ungewiss.

Die Einheit in der Union ist dahin. Ob die CSU in diesem Wahlkampf noch einmal so wie vor vier Jahren für Merkel plakatiert, ist mehr als ungewiss.

(Foto: Claus Schunk)

Euphorie oder gar Aufbruchstimmung verbreitet diese Feststellung nicht. Vielmehr lässt sie tief blicken. Wie sehr aber hat sich die CSU von der großen Schwester entfremdet? Ist angesichts der offensichtlichen Differenzen und atmosphärischen Störungen überhaupt noch ein gemeinsamer Wahlkampf möglich?

"Die Partei ist gut beraten, mit Angela Merkel in die Bundestagswahl zu ziehen", sagte die Landtagsabgeordnete Kerstin Schreyer bereits vor dieser Woche. "Mit ihr haben wir gemeinsam als Union die besten Aussichten, die Wahl zu gewinnen." Das "Wir" aber verliert sehr schnell an Bedeutung, wenn es um Inhalte geht. "Die CSU ist eine eigenständige Partei. Wir als Christsoziale sind systemimmanent", sagt Florian Hahn. "Und dass wir als Union mit verschiedenen Ansätzen und Inhalten in Wahlen gegangen sind, hat es schon unter Helmut Kohl gegeben."

Die CSU - das ist Maut und Mütterrente

Als "systemimmanente" Inhalte benennt Hahn etwa die Maut. Ein Projekt, das die Partei im Wahlkampf versprochen und schließlich gegen erhebliche Widerstände beider Koalitionspartner durchgesetzt hat. Ebenso wie die Mütterrente. Und, das ist Hahn besonders wichtig, alle nun geltenden Verschärfungen und Neuerungen in der Asylgesetzgebung. "Und neuerdings fordert ja sogar Thomas Oppermann von der SPD Transitzonen in Afrika", sagt Hahn. "Da wird schon deutlich, was wir als CSU bewegen."

Was aber ist mit der Obergrenze bei der Zuwanderung? Wird die CSU im Falle eines Wahlsieges tatsächlich nicht in eine Koalition mit der CDU eintreten, wenn die sich unter einer Bundeskanzlerin Angela Merkel weiterhin gegen die von der CSU so vehement geforderte Begrenzung wehrt?

"Es wird eine Begrenzung der Zuwanderung kommen", sagt Münchens Landrat Christoph Göbel. "Aber es wird - wie oft kolportiert wird - natürlich keine Obergrenze beim Asylrecht geben. Dagegen steht ganz klar das Grundgesetz." Klare Worte des CSU-Landrats gegen den eigenen Ministerpräsidenten.

CSU-Kreischef Florian Hahn:

"Was ist denn die Alternative? Eine rot-rot-grün geführte Bundesregierung? Das will Martin Schulz. Wir als CSU wollen das um jeden Preis verhindern. Unser Ziel muss es sein, eine bürgerlich geführte Bundesregierung hinzubekommen."

Obergrenze? Weidenbusch sagt, er sei kein Freund davon

Göbel glaubt vielmehr, dass die Regelungen bei der Einwanderung neu justiert werden - auch mit Hilfe der CSU: "Das funktioniert aber nur, wenn die europäische Solidarität wieder greift. Wenn andere Länder bereit sind, Menschen aufzunehmen." Am Asylrecht dürfe nicht gerüttelt werden, sagt Göbel und wiederholt eine Position, mit der er in der CSU allerdings nahezu alleine steht: "Deutschland ist ein Einwanderungsland und braucht ein Einwanderungsgesetz." "Wir treten für unsere Position ein", sagt Florian Hahn. Ob die Obergrenze überhaupt in das CSU-Wahlprogramm einfließen wird, vermag er aber nicht zu sagen: "Der Bayernplan steht noch nicht." Ernst Weidenbusch muss lange überlegen, ehe er auf einen möglichen Bruch zwischen CSU und CDU bei diesem Thema antwortet: "Horst Seehofer wird dafür intensiv kämpfen. Es ist aber kein Geheimnis, dass ich kein Freund einer Obergrenze bin."

Etwa acht Monate vor der Bundestagswahl wird deutlich, welchen Spagat die CSU hinbekommen muss: Als Unterstützerin einer Kanzlerin, die sie längst nicht mehr vergöttert wird, wie noch vor einigen Jahren. Und als eigenständige Partei, als die sich selbst begreift. Will man gewinnen, wird die CSU die innere Zerrissenheit überwinden müssen.

"Wir werden mit einem guten, gemeinsamen Programm in die Wahl gehen. Allen muss klar sein, dass wir nur gemeinsam Erfolg haben können", sagt Landrat Göbel. "Wir werden für unsere Inhalte kämpfen. Und die werden wir im Bayernplan auch so formulieren", ergänzt CSU-Kreischef Hahn. "Natürlich können wir gemeinsam Wahlkampf machen", sagt der Abgeordnete Weidenbusch und seine Kollegin Kerstin Schreyer findet: "Wir haben als Union gute Politik gemacht. Das müssen wir herausstellen. Und nicht, dass wir bei einem Thema unterschiedlicher Meinung sind."

Die Frage: Was wäre die Alternative?

Dass in der jüngeren Vergangenheit mehrere Mitglieder den Kreisverband mit Verweis auf ihre Unzufriedenheit mit der Landes- und Bundespolitik der CSU verlassen haben, beunruhige ihn nicht, sagt Florian Hahn. "Wir sind eine Volkspartei und als solche sind in der CSU viele unterschiedliche Meinungen vertreten." Einig sind sie sich in der Partei allerdings, wenn sie Angela Merkels Flüchtlingspolitik, vor allem jene Entscheidung im September 2015, bewerten: Diese Situation dürfe sich nicht wiederholen, mahnt auch Landrat Göbel. "Die Verantwortung für diesen Kontrollverlust liegt eindeutig bei der Bundesregierung. Namentlich bei Angela Merkel."

Göbel fällt es dennoch nicht schwer, Merkel als seine Kanzlerin zu bezeichnen. Auch weil die CSU nur dann Erfolg haben könne, wenn die Union als Ganzes Erfolg habe: "Und dafür ist die Kanzlerin die Richtige." Florian Hahn packt seinen Respekt für die Kanzlerin in eine Frage: "Was wäre denn die Alternative?" Darauf hat nicht einmal die CSU eine Antwort.

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