Verlage:Ein Hauch von nichts

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War das Leben nicht schön? Playboy-Gründer Hugh Hefner und Lebensgefährtin Barbara Benton im Jahr 1970, umschwärmt von seinen Bunnys. (Foto: AFP)

Nach einem Jahr kehrt der US-"Playboy" zu barbusigen Models zurück, um den Fall der Auflage zu stoppen. Das Hin und Her zeigt: Dem modernen Männermagazin geht es nicht anders als dem modernen Mann.

Von David Pfeifer

Die Brüste einer Frau lösen im Mann angeblich Reflexe aus, die entwicklungsbiologisch aus der Steinzeit stammen. Brüste stellen gewissermaßen das Abbild des Po am Torso dar, deswegen müssen Männer, die Paarungsinteresse haben (oder zumindest alle drei Millisekunden daran denken) kompulsiv darauf starren. Nun halten in der DNA angelegte Verhaltensweisen der Urväter für vielerlei Blödsinn her, den Männer so reden, wenn sie beispielsweise entschuldigen wollen, dass sie fremd gegangen sind, oder sich allgemein unterirdisch verhalten haben.

Doch damit vom Proseminar an den Zeitschriftenkiosk, wo sich die Wahrheit oft sehr ungeschönt zeigt. Der US- Playboy, der vor etwas über einem Jahr seine in Jahrzehnten vor die Wand gefahrene journalistische Tradition wiederbeleben wollte, hatte sich entschmuddelt: Statt nackter Frauen in expliziten Posen wollte man dieselben etwas weniger deutlich postiert und zumindest leicht bekleidet ablichten. Eher Erotik als Pornografie also. Das hat, so viel kann man heute sagen, nicht funktioniert.

Die Zeit des guten alten "Playboy" wirkt heute so surreal wie die Serienwelt von "Mad Men"

Cooper Hefner, der 25-jährige Sohn des 89-jährigen Playboy-Gründers Hugh Hefner und der Playmate des Jahres 1989, Kimberley Conrad, führt die Geschäfte des Magazins seit einer Weile und veröffentlichte am Montag einen Tweet, in dem man das neue Titelbild samt nackter Frau sehen konnte, "NakedIsNormal" stand darauf. Genaue Zahlen wurden nicht bekannt gegeben, aber die britische Daily Mail vermutet, dass die Umsätze des US-Playboy zuletzt rapide in den Keller gegangen seien und auch das "Playboy Mansion" von Hugh Hefner, in dem Cooper wohl nach väterlichem Habitus gezeugt wurde, steht für 200 Millionen US-Dollar zum Verkauf. Mutmaßlich, um die Defizite beim einstigen Erfolgsblatt auszugleichen.

Der Auflagenverfall des Magazins, den Cooper Hefner vor allem auf die massenhaft kostenlose Verbreitung von Internet-Pornografie zurückführt, scheint durch die bekleideten Models noch mal beschleunigt worden zu sein. "Ich bin der Erste, der zugibt, dass die Art und Weise, in der wir im Magazin Nacktheit abgebildet haben, veraltet war. Sie komplett abzuschaffen war allerdings ein Fehler. Nacktheit war nie das Problem, weil Nacktheit kein Problem ist", ließ Cooper Hefner über die Rückkehr zur Nacktheit verlauten.

Im Dezember 1953, im Jahr seines erstmaligen Erscheinens, verkaufte der US-Playboy 53 991 Exemplare. In den sexuell befreiten 1970er-Jahren folgten immer neue, nun ja, Höhepunkte: 1972 waren es im Durchschnitt 7,16 Millionen Hefte. 2006 allerdings nur noch die Hälfte davon, im Jahr 2015 noch etwa 820 000 Exemplare. Das Anzeigengeschäft ging im gleichen Zeitraum rapide zurück. Und vor allem das Merchandising, also die für die Marke extrem lukrative Lizenzierung von Name und Logo, zu der man auch den deutschen Playboy rechnen kann, den der Burda-Verlag herausgibt - hier sanken die Umsätze von 240 Millionen Dollar im Jahr 2009 auf 135 Millionen im Jahr 2013. Der Playboy-Konzern war von 1971 bis 2011 an der Börse notiert. Nach dem ersten Internet-Hype, von dem die Marke in den späten 1990ern noch profitieren konnte, war es allerdings bald vorbei, am Ende hatten die Anleger 48 Prozent ihrer Einlagen verloren.

Die Sehnsucht der Magazinmacher, mit dem Verzicht auf nackte Brüste auf dem Cover die gute alte Zeit wiederzubeleben, war also verständlich. Von der Pornografie, die es überall auch kostenlos gibt, wieder zurück in die sanft erotische Richtung zu gehen, war auch inhaltlich eine Besinnung auf eine edle Vergangenheit, in der Smoking, Zigarre und eine Blondine, die sich auf einem Bärenfell räkelt, noch in ein ästhetisches Gesamtkonzept passten. Der erste Playboy, von Vater Hugh 1953 auf den Markt gebracht, zeigte ja auch keine nackten Frauen, sondern eben solche im Bikini oder Badeanzug - neben den guten Interviews natürlich. Diese Zeit ist zwar gefühlt sehr lange vergangen und wirkt retrospektiv so nostalgisch und surreal wie die Serien-Welt aus Mad Men, funktioniert aber immerhin als Zitat. Als Beschwörung eines Stils oder als Sehnsuchtsgefühl nach einer Epoche, in der die Konflikte noch überblickbarer, die Autos schöner und die Rollenbilder klarer waren.

So in etwa muss es sich auch Cooper Hefner gedacht haben, als er bereits 2013 schon einmal Kate Moss nicht ganz nackt, aber mit den typischen Bunny-Ohren auf dem Kopf präsentierte. Eine Frau also, die sehr reich, sehr selbstbewusst und so ostentativ flachbrüstig ist, dass es als Statement gedeutet werden musste: Hier zeigen sich ungenormte, moderne Frauen klugen, selbstbewussten Männern. Nur weil alles gleichgestellt wird, bedeutet das ja nicht, dass man alle alten Rituale der Verführung auf dem evolutionsbiologischen Sondermüll entsorgen muss.

Nun also wieder Nackte. Wieso sollte es den Männermagazinen und ihren wechselnden Konzepten anders gehen als den Männern, die sich zwischen Neandertal und Moderne immer neu definieren müssen. Da hilft manchmal nur Ironie.

Die deutsche Ausgabe setzt seit ein paar Monaten auf Liebe anstelle von Spaß

Wie das funktioniert, hat die französische Lui vorgemacht, ein Traditionsblatt, das seine beste Zeit hatte, als Schweißbänder auf der Stirn und Lackpumps an einer Nackten noch als zeitgemäßes Dekorationsaccessoire durchgingen. Der Ex-Werber Frédéric Beigbeder, der durch einen Bestseller und Auftritte in literarischen Zirkeln Frankreichs als intellektueller Schöngeist durchgeht, hatte die Lui entmottet. Sie mit besseren Models (wie der Schauspielerin Léa Seydoux), besseren Fotografen und Autoren ausgestattet und ihr so das Urpeinliche genommen, das diese Magazine immer begleitete, sie unter Beobachtung in der Öffentlichkeit aber von den 1990ern an quasi unlesbar machte.

Der deutsche Playboy zog zumindest stilistisch nach, erst vor wenigen Monaten präsentierte er sich hübsch renoviert und änderte seine Unterzeile von "Alles, was Männern Spaß macht" (nackte Frauen, schnelle Autos, hochprozentiger Alkohol) in "Alles, was Männer lieben" (nackte Frauen, schnelle Autos, hochprozentiger Alkohol). Die Liebe unterscheidet sich vom Spaß in diesem Sinn wie die Erotik von der Pornografie. Im einen Fall wird das Objekt gewürdigt, im anderen herabgewürdigt. Ein Objekt bleibt es, aber es gibt ja durchaus sehr moderne, selbstbewusste Frauen, die manchmal nichts dagegen haben, so lange sie es sich aussuchen können. Frauen wie Kate Moss beispielsweise.

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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