Computer-Probleme:München kehrt zurück zu Microsoft

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Das Maskotten für das neue Betriebssystem war am Ende wohl doch größer als die Liebe der User in der städtischen Verwaltung. (Foto: dpa)
  • Wegen anhaltender Probleme will die Stadt München ihre Computer wieder mit dem Betriebssystem Windows betreiben.
  • Der Stadtrat hat beschlossen, den 2003 beschlossenen Wechsel zum freien Betriebssystem Linux rückgängig zu machen.
  • Experten sind allerdings der Ansicht, dass die Schwierigkeiten nicht alleine mit Linux zu tun haben.

Von Heiner Effern, München

So viele "schlechte" und "traurige" Tage hat es im Stadtrat selten gegeben. Zusammengenommen klagten so viele Vertreter der Opposition über diesen Mittwoch, dass man daraus locker eine schlechte Woche hätte machen können. Für die Regierung aus SPD und CSU dagegen stellte die Vollversammlung einen Aufbruch in bessere Zeiten dar. Der 15. Februar 2017 geht in jedem Fall in die Annalen ein als der Tag, an dem sich München weitgehend wieder vom freien Computer-Betriebssystem Linux abgewendet hat. Das hat der Stadtrat mit der Regierungsmehrheit im Rahmen einer kompletten Neuorganisation seiner IT-Technik beschlossen.

Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) sagte, dass der Beschluss "eine Trendwende nach 15 Jahren sein kann". Ihm sei für die Kollegen und Bürger wichtig, dass die ruckelnden und stets absturzverdächtigen Rechner der Stadt endlich liefen, und nicht, auf welchem Betriebssystem sie das tun. Die Frage, ob mit Linux oder mit Windows von Microsoft, sei "nicht wirklich maßgebend". Und damit wähnt sich Reiter, nach 35 Jahren im Dienst der Stadt, nicht alleine. "Den meisten der Kollegen in der Stadtverwaltung ist es scheißegal, welches Betriebssystem läuft." Der Stadtrat werde ein Konzept für einen Umstieg binnen vier Jahren erstellen. Dann werde nochmals darüber abgestimmt.

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Etwa zwei Stunden hatte die Opposition zuvor die Entscheidung angeprangert - denn damit wird ein zumindest deutschlandweit beachtetes Projekt auch von Reiters Partei beendet. Im Jahr 2003 hatten SPD und Grüne unter Oberbürgermeister Christian Ude (SPD) die Abkehr von Microsoft vollzogen. Dieser Korb für den Monopolisten hatte weltweit Aufsehen erregt. Der damalige Microsoft-Chef Steve Ballmer unterbrach seinen Ski-Urlaub, um Ude noch umzustimmen.

Vergebens. Als erste Großstadt weltweit stellte München seine Rechner auf ein offenes Betriebssystem um, das kostenlos und für jeden zu bekommen ist: Linux, symbolisiert durch einen Pinguin als Maskottchen. Experten sagten eine Revolution im öffentlichen Sektor voraus - die blieb jedoch aus. Tatsächlich stellten in der Folge Behörden wie das Auswärtige Amt in Berlin oder Städte wie Freiburg ihre Systeme ebenfalls um. Doch beide sind bereits weitgehend zu Microsoft zurückgekehrt. München kämpfte alleine weiter und erklärte die Umstellung 2013 für vollzogen. Doch die Klagen etwa über inkompatible Software rissen niemals ab. Der elektronische Kontakt zu anderen Behörden erwies sich als schwierig.

Der Ärger mit Linux - darin sind sich alle Parteien einig - ist aber nicht der einzige Grund, warum in München die Computer so holprig laufen. Ein Gutachten der Beraterfirma Accenture legte erstaunliche Defizite in den Strukturen, der Sicherheit und der Aktualität von Programmen offen. Die verschiedenen Betriebssysteme (es sind deutlich mehr Varianten als nur ein Linux- oder ein Windows-System) bezeichneten die Experten nicht als Hauptproblem. "Wir wollten unbedingt ein großes Paket schnüren, das alle Probleme löst", sagte Kristina Frank, IT-Expertin der CSU-Fraktion.

Ihre Kollegin bei der SPD, Anne Hübner, hält das Linux-Experiment für gescheitert, weil es nie gelungen sei, alle Rechner umzustellen. Zwei Betriebssysteme zu betreuen, sei nicht effizient. "Warum sollen wir das tun, wenn wir es nicht müssen?" Hübner räumte ein, dass der Beschluss der SPD schwer gefallen sei. Bürgermeisterin Christine Strobl (SPD), eine Verfechterin von Linux, hofft noch: "Das Konzept, das nun erarbeitet wird, kann ja ergeben, dass wir den Umstieg lieber lassen."

Grüne, Linke und Piraten erklärten die SPD-Stadträte zu Umfallern, die ohne Grund zum Software-Riesen Microsoft zurückkehrten. Der Chef des ebenfalls am Mittwoch beschlossenen neuen IT-Referats müsse sein Amt "als Abwickler und Konkursverwalter" beginnen, sagte Piraten-Stadtrat Thomas Ranft. Mit der Daten-Sicherheit sei es durch die Rückkehr zu Microsoft vorbei. "Am besten gibt man die Daten künftig gleich der NSA." Grünen-Fraktionschef Florian Roth lästerte, "eine kleine Gruppe großer Spezialisten bei SPD und CSU" habe ohne stichhaltige Gründe eine Wende vollzogen. Diese werde die Stadt viel kosten. In nicht-öffentlicher Sitzung soll von 30 Millionen Euro die Rede gewesen sein. Roth nannte den Beschluss "unausgegoren und unseriös".

© SZ vom 16.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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