NSA-Ausschuss:Merkel im Gespinst des Nichtwissens

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Angela Merkel im NSA-Ausschuss. (Foto: AP)

Die Kanzlerin präsentiert sich im NSA-Ausschuss unschuldig und unwissend. Dabei hat ihre Regierung inbrünstig Aufklärung versprochen - aber sich mitnichten daran gehalten.

Kommentar von Heribert Prantl

"Es ist ein gar unschuldig Ding, das eben für nichts zur Beichte ging." So sagt es Mephisto im "Faust" über das Gretchen. Und so gretchenhaft unschuldig präsentierte sich Angela Merkel im NSA-Untersuchungsausschuss. Sie habe von nichts etwas gewusst - nichts von der großen Abhörerei, nichts von der Verwicklung des Bundesnachrichtendienstes darin, nichts von Selektorenlisten, mit denen der BND den USA zu Diensten stand. Was Merkel nicht sagte: Ihre Regierung hat auch nichts getan, um diese grundrechtsbrechenden Aktionen aufzuklären. Die Regierung Merkel hat inbrünstig Aufklärung versprochen, aber sich mitnichten daran gehalten.

Die Erkenntnis der Anhörungen: Cosi fan tutte, so machen es alle

Im Gegenteil: In den bisher 131 Sitzungen des NSA-Ausschusses ist der Eindruck gewachsen, dass die Regierung seit der Aufdeckung dieses Skandals vor knapp vier Jahren geschwindelt, getrickst, getäuscht und gelogen hat. Der NSA-Ausschuss blickt in einen Abgrund von Unwahrhaftigkeit - und der Blick auf den Boden des Abgrunds gelingt nicht, weil die Regierung vieles getan hat, um den Blick zu versperren. Die angebliche Aufklärung der Affäre begann mit der Lüge der Regierung Merkel II, dass man nun dabei sei, ein No-Spy-Abkommen mit den Amerikanern zu schließen, eine Art geheimdienstlichen Nichtangriffspakt. Solche Verhandlungen hat es, wie man heute weiß, nie gegeben.

Der No-Spy-Schwindel war der durchaus erfolgreiche Versuch, den NSA-Skandal aus dem Wahlkampf des Jahres 2013 hinauszubugsieren. 131 Verhandlungstage haben es nicht vermocht, Klarheit darüber zu gewinnen, wer in der schwarz-gelben Regierung Merkel wann was gewusst hat. Die Kanzlerin, so scheint es, ist in ein Gespinst von Nichtwissen eingesponnen worden, das sie schützen soll. Der NSA-Ausschuss hat das Gespinst nicht zerreißen können.

Man weiß nach diesen vielen Verhandlungstagen nicht, ob man lachen, weinen oder schreien soll. "Ausspähen unter Freunden, das geht gar nicht": Soll man schmunzeln über eine naiv-drollige Bemerkung der Kanzlerin? Soll man Merkel bemitleiden, weil wenig später bekannt wurde, wie eifrig auch der deutsche Geheimdienst die Freunde abgehört hat?

Die wesentliche Erkenntnis, die man in den vier vergangenen Jahren gewonnen hat, ist die: Così fan tutte - so machen es alle. Jeder spioniert gegen jeden, auch wenn man in der Nato und in der EU als Partner nebeneinandersitzt. Die Geheimdienste sind eine Einrichtung des institutionalisierten Misstrauens auch gegen Freunde - und dabei bleibt es auch. Das neue BND-Gesetz hat die ehedem illegalen Praktiken legalisiert. Aber die Grundrechte haben ein paar Streicheleinheiten bekommen. Das neue Gesetz hat einen Geheimdienstbeauftragten installiert, der dafür sorgen soll, dass sie nur mit Maß und Ziel verletzt werden.

Das Grundgesetz? Es steht bei alledem ziemlich im Abseits. Es ist fast so weit im Abseits wie Edward Snowden, der nach wie vor in Moskau sitzt und um dessen Aussagen sich der NSA-Untersuchungsausschuss nicht einmal bemüht hat.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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