Ansbach:ÖDP-Politiker wegen sexuellen Missbrauchs festgenommen

Bundesparteitag der ÖDP

Die bayerische ÖDP versteht sich als Kollektiv, das sich abhebe von den "Landtagsparteien", die von "zahlreichen Skandalen" erschüttert werden - zumindest vor der Festnahme eines Parteikollegen.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Dem Allgemeinarzt und ÖDP-Mitglied Hermann Schweiger wird "sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses" vorgeworfen.
  • Insgesamt drei mutmaßlich betroffene Patientinnen haben gegen ihn ausgesagt.
  • Schweiger kündigte "ein vollumfängliches Geständnis" an.

Von Olaf Przybilla, Ansbach

Der kleine Landesparteitag der ÖDP stand grundsätzlich unter ganz günstigen Vorzeichen. In Regensburg will sich die Partei am Samstag treffen, um die Bundestagsliste aufzustellen und sich als Speerspitze im Kampf gegen Korruption zu profilieren. Zum Selbstverständnis der ÖDP gehört es, anders als die anderen keine Firmenspenden anzunehmen, so steht es in den Statuten. Da passt der Ort des Parteitags - Regensburg - besonders gut.

Überhaupt versteht sich die bayerische ÖDP als Kollektiv, das sich abhebe von den "Landtagsparteien", die von "zahlreichen Skandalen" erschüttert werden. So ist es in der Einladung nach Regensburg formuliert, die allerdings veröffentlicht worden ist, bevor Hermann Schweiger festgenommen wurde. Schweiger ist das bayerische μMitglied der ÖDP im Bundesvorstand. Respektive: Er war es. Per Brief aus der Untersuchungshaft ist er inzwischen von allen politischen Ämtern zurückgetreten.

Noch ist der 62-Jährige Fraktionsvorsitzender im Kreistag von Ansbach. Das aber nur deshalb, weil Kreisräte zunächst darum bitten müssen, von den Kollegen aus ihrem Amt entlassen zu werden. Das wird erst bei der nächsten Sitzung der Fall sein. Es dürfte den Kreisräten dann allerdings wenig anderes übrig bleiben, als der Bitte Schweigers zu entsprechen. Denn ob er in absehbarer Zeit aus der Untersuchungshaft entlassen wird, ist sehr fraglich.

Dem Allgemeinarzt Schweiger, der in seiner Praxis im fränkischen Feuchtwangen auch psychotherapeutische Sitzungen angeboten hat, wird "sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses" vorgeworfen. Darauf stehen bis zu fünf Jahre Haft. Und die Beweislast scheint erdrückend zu sein. Insgesamt drei mutmaßlich betroffene Patientinnen haben inzwischen ausgesagt, mit Schweiger Sex gehabt zu haben - auch in den Praxisräumen. Zwar einvernehmlich, das aber spielt bei diesem Straftatbestand keine maßgebliche Rolle. Einer Patientin soll Schweiger sogar suggeriert haben, Sex mit dem Arzt habe eine therapeutische Wirkung.

Bei zwei Razzien in den Praxisräumen hat die Staatsanwaltschaft umfangreiches Beweismaterial sichergestellt. Darunter auch das Mobiltelefon Schweigers, das die von den Frauen geschilderten Vorwürfe erhärtet: In 107 Fällen soll Schweiger demnach seine Rolle als Arzt ausgenutzt haben. Ein Vorwurf, dem der Beschuldigte nicht widerspricht. Schweigers Anwalt, Alfred Meyerhuber, hatte zunächst nur angekündigt, sein Mandant plane, "den äußeren Ablauf des Geschehens" einzuräumen.

Damit sei aber keine Aussage darüber getroffen, inwieweit es sich tatsächlich um einen Missbrauch der Frauen handelte. Inzwischen ist Schweiger von dieser Einschränkung abgekommen. "Herr Schweiger wird ein vollumfängliches Geständnis ablegen", kündigt sein Anwalt nun an. Der Arzt wolle versuchen, den betroffenen Frauen weitere Vernehmungen zu ersparen. Gerade weil bei den Treffen in der Praxis "tiefe und echte Gefühle" und "emotionale Abgründe" im Spiel gewesen seien.

Auch solle allen Beteiligten ein "sich über Monate hinziehendes Verfahren" erspart bleiben. Mit der Staatsanwaltschaft sei bereits ein Termin Ende des Monats vereinbart worden, bei dem Schweiger gestehen will. Man nehme die Absichtserklärungen des Arztes "mit Interesse zur Kenntnis", sagt dazu Oberstaatsanwalt Michael Schrotberger. In Untersuchungshaft bleibt Schweiger vorerst trotzdem. Nach Lage der Dinge droht ihm eine längere Haftstrafe.

Ein Gefühl "wie bei Doktor Jekyll und Mister Hyde"

In der Partei hinterlässt Schweigers Festnahme tiefe Spuren. Mit "Bestürzung" habe man dessen Brief aus der Untersuchungshaft zur Kenntnis genommen, sagt Pablo Ziller, Sprecher der Bundes-ÖDP: "Gerade wenn man ihn erlebt hat, ist man schockiert." Neun Mitglieder hatte der Bundesvorstand der Partei bislang, Schweigers Amt als Beisitzer soll nun bis zum nächsten Bundesparteitag nicht wiederbesetzt werden. Und auch in Ansbach sitzt der Schock tief. "Das trifft einen natürlich", sagt Maria Hetzel, die stellvertretende Kreisvorsitzende der ÖDP, "wir sind sehr erschüttert". Die Partei fühle mit "allen direkt und indirekt Betroffenen". Hetzel soll Schweiger im Kreistag nachfolgen.

Schweiger wird in der Partei als "besonders umgänglicher, beliebter, um Ausgleich bemühter Mensch" beschrieben. Umso mehr fühle sich "das nun an wie bei Doktor Jekyll und Mister Hyde", sagt einer aus der bayerischen Parteispitze. Und natürlich sollte Schweiger, das Mitglied im Bundesvorstand, beim Parteitag in Regensburg auf einen prominenten Listenplatz gewählen werden. Woraus jetzt nichts wird.

An Unterstützung in der Haft, berichtet Anwalt Meyerhuber, mangele es Schweiger glücklicherweise nicht. Zahlreiche Solidaritäts-Briefe sind eingegangen, "in dem Ausmaß absolut ungewöhnlich", sagt der Anwalt. Sogar Geld für eine etwaige Kaution habe einer der Schreiber angeboten.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: