Tanztheater:Verschenken und empfangen

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Choreografin Irizuki arbeitet in diesem Stück mit Frauen, von denen kaum eine professionelle Tanzerfahrung hat. (Foto: Pasinger Fabrik)

Doris Dörrie und Aya Irizuki bringen in der Pasinger Fabrik ein bezauberndes Butoh-Tanzstück auf die Bühne. Frauen über 60 verkörpern darin das lebenslange Schuften und Kümmern

Von Sabine Leucht

Auftritte, Abtritte, Situationen, Posen: Zwei Frauen mit Katzenmasken neben dem Gesicht entrollen ein Pergament mit dem Titel des Abends: "A woman's work is never done". Drei andere - mitsamt Schopf weiß geschminkt und in Luftpolsterfolie gewickelt - öffnen die Münder zu einem stummen roten Schrei und schlagen sich synchron die Hände vor die Augen. Glitzerkonfetti fliegt. Ein Besen wird geschwungen, imaginäre Blumen werden gepflückt, Babys geboren und gewiegt. Und irgendwo dazwischen werden leise Sätze zerfetzt, geraunt und geflüstert: "So viel zu tun!", "Nie fertig!"

Es geht um Frauen in dem von Doris Dörrie erdachten und von Aya Irizuki choreografierten einstündigen Abendprogramm. Um ihr ewiges Tun und Werkeln, Lastentragen, Instandhalten und Umsorgen, das lebenslang geforderte Multitasking und den nie abhakbaren To-do-Rest. Doch weil die Macherinnen sich der Ästhetik des japanischen Butoh-Tanzes bedienen, geht es auch um die Vergänglichkeit und die Verbrüderung mit dem "Schatten", den es in jedem Leben gibt.

Die deutsche Film- und Opernregisseurin und die japanische Tänzerin lernten sich bei der Arbeit zu Dörries Film "Kirschblüten - Hanami" kennen, in dem Irizuki mitspielte. Für ihre zweite gemeinsame Arbeit haben sie neun Frauen zwischen 60 und 79 Jahren gecastet - nur einige unter ihnen mit professioneller Tanzerfahrung - die sich mit wunderbarer Selbstverständlichkeit auf die kleine Bühne der Pasinger Fabrik wagen. In Kleingruppen oder Soli treten sie auf und ab und stellen bewegtes Bild um Bild. Irizuki findet für jede einzelne machbare tänzerisch-gestische Sequenzen und Haltungen, in denen sie sich wohlfühlen. Auch wenn sie viel von dem zeigen, was das Leben aus ihren Körpern gemacht hat. Ihre Präsenz und die Zärtlichkeit, mit der die Choreografin sie inszeniert, sind groß. Masako Ohta (Piano) und Nami Kamata (Vocals) haben einige bezaubernde Musikstücke für diesen Abend eingespielt. Und wenn fast am Ende die 79 Jahre alte Schauspielerin Helga Boettiger ihre langen nackten Arme wieder und wieder zu Gesten des Verschenkens und Empfangens reckt, begreift man etwas von der Einheit des Werdens und Vergehens.

Vor allem die konkreter aus (weiblichen) Alltagsbewegungen entwickelten Szenen reduzieren die Frauen aber oft arg gefühlig auf die Sorge und lassen allzu deutlich erkennen, dass der "Tanz der Finsternis" seine Wurzeln im deutschen Ausdruckstanz hat. Das wird schlagartig anders, wenn Irizuki selbst die Bühne betritt: Die Butoh-Tänzerin mit klassischer Ballettausbildung bewegt sich wie eine Marionette, deren Teil-Glieder an unzähligen Fäden in sämtliche Richtung zugleich gezogen werden. Ein Körper voller unmöglicher Winkel, an dem ein rasch pendelnder Arm und selbst die Wimpern über den puppenhaft aufgerissenen Augen ein Eigenleben führen. Das ist von einer unheimlichen und doch auch koketten Hübschheit, die wie zum Trotz gegen die Versuchungen des Exotischen im weißen Polohemd und Schottenrock daherkommt.

A Woman's Work Is Never Done, Fr., 17. Feb., 17 und 20 Uhr, Pasinger Fabrik

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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