Universitäten:Wissenschaft in der Warteschleife

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SZ-Grafik, Quelle: Statistisches Bundesamt (Foto: SZ-Grafik)

Ein Bericht für das Bundesbildungsministerium belegt die Theorie vom akademischen Flaschenhals: Der Großteil der wissenschaftlichen Mitarbeiter bleibt im Mittelbau stecken - das aber reicht selten für eine sichere Existenz.

Von Susanne Klein, München

Der akademische Mittelbau in Forschung und Lehre wächst und wächst, die Arbeitsbedingungen der Mitarbeiter bleiben jedoch prekär. So lässt sich der "Bundesbericht Wissenschaftlicher Nachwuchs 2017" (BuWiN) zusammenfassen, den ein unabhängiges Konsortium aus Forschungsinstituten am Donnerstag Bundesbildungsministerin Johanna Wanka übergeben hat. Demnach ist die Schar der wissenschaftlichen Mitarbeiter - der Doktoranden, Postdoktoranden und Lehrbeauftragten - seit dem Jahr 2000 um 76 Prozent gewachsen. Die Zahl der Professoren stieg im gleichen Zeitraum um nur 21 Prozent. Diese Relation veranschaulicht den "akademischen Flaschenhals", von dem oft die Rede ist, wenn es um die geringen Chancen von Promovierten geht, sich mit einer Professorenstelle dauerhaft im Wissenschaftsbetrieb zu etablieren.

Forschung und Lehre sind alles andere als familienfreundlich: Jede zweite Frau bleibt kinderlos

Ein Großteil der Beschäftigten bleibt folglich im Mittelbau stecken, erhält aber selten Gelegenheit, sich eine sichere Existenz aufzubauen: 93 Prozent der Arbeitsverträge an Hochschulen sind befristet, viele mit Laufzeiten von unter einem Jahr und schlecht bezahlt. Mit diesem Wissen überrascht es wenig, dass der BuWiN in seinem Schwerpunktkapitel "Vereinbarkeit von Familie und akademischer Karriere" zu ernüchternden Ergebnissen kommt. Neun von zehn wissenschaftlichen Mitarbeitern wünschen sich Kinder, viele schieben es aber vor sich her, diesen Wunsch zu realisieren. Vor allem die unsicheren Aussichten auf Karriere und Einkommen und die fehlende berufliche Etablierung werden als Hemmnis empfunden.

Wie häufig die Wissenschaftler tatsächlich Eltern werden, beantwortet der Bericht mit Daten von 2006: Jede zweite Mitarbeiterin bleibt kinderlos, bei Männern liegt die Quote etwas niedriger. "Bund, Länder und Wissenschaftseinrichtungen müssen jetzt endlich die Weichen für eine familienfreundliche Wissenschaft stellen", sagte Andreas Keller, Vizevorsitzender der GEW. Die Erziehungsgewerkschaft hat Johanna Wanka dafür einen runden Tisch vorgeschlagen.

Sollte die Ministerin zusagen, "würden wir gern mit am Tisch sitzen", sagt Mathias Kuhnt. Der promovierte Soziologe von der TU Dresden hat im Januar das "Netzwerk für gute Arbeit in der Wissenschaft" mitbegründet. Es verbindet Initiativen, die sich für bessere Bedingungen im Mittelbau ihrer Hochschulen einsetzen. "Endlich kollektiv handlungsfähig werden" lautet das hoffnungsvolle Ziel. Der Verbund sucht die Nähe zur GEW, will aber auch die eigene Stimme einbringen. "Schließlich sind wir Teil des Mittelbaus", sagt Kuhnt.

Zumindest in einem wäre sich der runde Tisch einig: "Fehlentwicklungen in der Befristungspraxis", wie Wanka es nennt, wollen alle beheben. Das reformierte Wissenschaftszeitvertragsgesetz, das Fristen länger als zwei Jahre erlaubt, reicht aus der Sicht Betroffener dafür aber nicht aus. Nur langfristig planende Hochschulen könnten es auch nutzen. Doch dafür fehle ihnen langfristig das Geld.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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