80. Geburtstag Rita Süssmuth:Die Frau, die der CDU den Feminismus beibrachte

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Souveräner Eigensinn: Rita Süssmuth war eine immer hochpolitische Bundestagspräsidentin. (Foto: dpa)

Rita Süssmuth sah sich als Politikerin heftigen Anfeindungen ausgesetzt - aufgegeben aber hat sie nie. Jetzt wird sie 80.

Von Heribert Prantl

Als das Wort Resilienz noch kaum einer kannte, war sie schon die politische Symbolfigur dafür: Rita Süssmuth hatte und hat die Gabe, sich nicht unterkriegen zu lassen, nicht von Niederlagen, nicht von Bösartigkeiten, nicht von mächtigen Männern, auch nicht von Helmut Kohl; der hat sie (auf Rat des damaligen CDU-Generalsekretärs Heiner Geißler) 1985 zur Bundesministerin für Jugend, Familie und Gesundheit gemacht. Es war eine furios kluge Entscheidung, auch wenn Süssmuth und ihr souveräner Eigensinn dem Kanzler und den Patriarchen in der Union schon bald auf den Geist gingen. Süssmuth hat der CDU den Feminismus beigebracht. Wahrscheinlich hätte es ohne Rita Süssmuth nie eine Kanzlerin Angela Merkel gegeben.

Nichts hat sie beeindruckt - keine Niederlage, keine Bösartigkeit, kein Macht-Protz

Als Rita Süssmuth 1985 Bundesministerin wurde, galt sie in der Politik als unbeschriebenes Blatt. Die in Wuppertal geborene Tochter eines Schulrats war Professorin für Erziehungswissenschaft an der Universität Dortmund, Direktorin des Forschungsinstituts "Frau und Gesellschaft" und Vizepräsidentin des Familienbundes der Deutschen Katholiken, als Geißler sie entdeckte. Er ahnte, wie wichtig diese Frau für die Modernisierung der CDU werden könnte, um mit ihrer Hilfe aus einem Männerklub eine CDU zu machen, die von Frauen gewählt wird.

Ein Jahr nach Süssmuths Amtsantritt kamen die "Frauen" nicht nur in den Titel des Ministeriums, sie kamen in der politischen Agenda nach vorne. Süssmuth rackerte für die Vereinbarkeit von Beruf und Erziehung, ihr Ministerium war eine Emanzipationszentrale. Süssmuth propagierte eine liberale Abtreibungspolitik; bei der Anti-Aids-Politik setzte sie nicht auf seuchenpolizeiliche Drohungen, sondern auf Aufklärung und Beratung, 1987 rief sie die Aids-Stiftung ins Leben. In der Drogenpolitik propagierte sie Milde für Süchtige und Härte gegen Dealer.

In ihrem Ministerium kommen die Frauen in die Titel mit der Macht

Theorielastigkeit und Weltferne hatte man ihr beim Amtsantritt attestiert; aber die Gesetzestexte, die sie schreiben ließ, waren sehr praktisch und familiennah. Ein richtiger Parteimensch wurde sie nie, aber sie blieb ihrer Partei immer treu, trotz heftiger, manchmal heftigster Anfeindungen. Warum? Weil sie ihre Positionen in der Union verankert wissen wollte - auch wenn das bisweilen unendlich lang dauerte, wie etwa bei der gesetzlichen Frauenquote in Spitzenpositionen der Wirtschaft.

Kohl entsorgte Süssmuth, die zu denen gehört hatte, die auf dem Bremer Parteitag vergeblich auf den Kanzlersturz hingearbeitet hatten, auf den vermeintlich unpolitischen Posten der Bundestagspräsidentin - aber da wurde sie erst recht politisch. Sie war nicht die Repräsentations-Rita, sondern eine hochpolitische Präsidentin, zehn Jahre lang; sie organisierte den Umzug des Parlaments nach Berlin, warb immer wieder für ein gutes deutsch-polnisches Verhältnis und für eine moderne Einwanderungspolitik.

Für die gesetzliche Frauenquote und gegen bloßes Hoffen und Sich-Trösten

Das tat sie auch noch, als die Regierung Kohl von der Regierung Schröder abgelöst wurde: Sie übernahm zum Zorn ihrer Partei den Vorsitz in der Zuwanderungskommission, den ihr die rot-grüne Regierung antrug - die Sache war ihr wichtiger als das Parteikästchendenken.

Bisweilen überkommt sie das Gefühl, dass all das, wofür sie ein Leben lang gekämpft hat, gefährdet ist. Niederdrücken lässt sie sich von dieser Befürchtung nicht. Sie ist eine Stehauf-Frau. Nun feiert sie achtzigsten Geburtstag. Am Freitag lädt sie Freundinnen und Weggenossen zu einem Fest in Berlin.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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