Altstadt:Sanierungspläne für den Viktualienmarkt - jetzt wird's ernst

Viktualienmarkt Bewerbung für Weltkulturerbe

Die Händler am Viktualienmarkt wehren sich seit Langem gegen eine radikale Neugestaltung und wollen das Erscheinungsbild möglichst bewahren.

(Foto: Tobias Hase/dpa)
  • Der Viktualienmarkt wie auch die drei anderen ständigen Märkte sollen saniert werden. Der Aufschrei der Bewahrer ist groß.
  • Am kommenden Dienstag will Referent Axel Markwardt erstmals öffentlich erläutern, was mit dem Viktualienmarkt möglicherweise geschehen wird.

Von Thomas Anlauf

Weltkulturerbe: Das ist das Mindeste, was der Viktualienmarkt im Herzen der Stadt als Titel verdient hätte. So denken nicht wenige Münchner, und wohl niemand käme heutzutage auf die Idee, den Komplettabriss des liebevollen Verhaus von Standln und Zeltkonstruktionen zwischen Heiliggeistkirche und Frauenstraße zu fordern. Das war freilich vor einem halben Jahrhundert noch anders, als es ernsthafte Überlegungen gab, quer über den Markt eine Stadtautobahn zu verlegen.

Heute wirkt der Viktualienmarkt wie ein schon immer da gewesenes Wesen mit seinen überbordenden Obst-, Gemüse-, Blumen-, Fisch-, Käse-, Wein-, Fruchtsaft-, Oliven-, und Kräuterauslagen und den dazugehörigen Händlern. Die Brunnen mit den Figuren von Karl Valentin, Ida Schumacher, Liesl Karlstadt und all den anderen erinnern an eine irgendwie gute alte Zeit. Und wer mit Fremden oder Freunden im ewig vollen Biergarten sitzt, mag sich fühlen, als führe gleich der Prinzregent mit der Kutsche vorbei. Kaum verwunderlich, dass jetzt, da der Viktualienmarkt wie auch die drei anderen ständigen Märkte saniert werden soll, der Aufschrei der Bewahrer groß ist.

Doch der Markt als Bild der Beständigkeit ist ein Mythos. Er ist und war in ständigem Wandel, seit er vor 210 Jahren von König Max I. Joseph vom Marienplatz (der damals noch Schrannenplatz hieß) an seinen heutigen Standort verlegt wurde. Dort musste das Heiliggeistspital abgerissen werden, um dem wachsenden Markt Platz zu geben. Auch später änderte sich das Bild des Marktes bis heute in regelmäßigen Abständen.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wirkten die windschiefen Bretterbuden, die sich zu Dutzenden aneinanderlehnten wie eine illegale Hüttensiedlung in Mexiko City. Die Nordsee-Fischhalle erinnerte in den Dreißigerjahren ein wenig an einen Vorstadtbahnhof, und tatsächlich fuhren hier jahrzehntelang Trambahnen quer über den Platz, bis der sogenannte Gießkannen-Express zwischen Viktualienmarkt und Candidplatz 1960 eingestellt wurde. Bis Ende 1972 durchschnitt auch noch die Reichenbachstraße den Platz.

Und die Marktstandl? Wurden im Jahr 1969 komplett renoviert und saniert. Zum einen zeigt das, dass die Optik des Viktualienmarkts weit weniger historisch ist als oftmals angenommen. Es beleuchtet aber gleichzeitig das Problem: Viele Stände sind marode, ein TÜV-Gutachten bescheinigte den Markthallen München als Hausherrin des Viktualienmarkts im Jahr 2011, dass die Hütten kaum den Hygiene- und Brandschutzbestimmungen genügten. "Da gehört schon was gemacht", sagt ein Gemüsehändler, der nicht namentlich in die Zeitung will. Der Vorbau vieler Hütten ist nur noch notdürftig von Stangen zusammengehalten, im Winter zieht es, im Sommer ist es oft brütend heiß.

"Die Stadt hat doch Geld, jetzt soll sie halt endlich was tun", sagt der Mann. Ein anderer hat durchaus Verständnis für die Gratwanderung des Kommunalreferats zwischen behutsamer Sanierung und Neubau der Stände. "Ich denke, es wird für die Stadt schwierig: Was macht man, und was lässt man bleiben? Wenn sie zu sehr auf unsere Wünsche hören - dann bauen sie womöglich bei einem Händler rosa Kacheln ein, nur weil das einer will." Ein dritter winkt ab bei der Frage, wie der Markt saniert werden soll: "Im Grunde sollen's halt machen, wie sie's wollen." Bislang wollte keiner der Verantwortlichen in der Stadt Konkretes sagen - zu groß ist offenbar die Angst vor der Wut in der Bevölkerung, sollte der Viktualienmarkt neu aufgebaut werden.

Infostand in leer stehendem Standl

Doch plötzlich kommt Bewegung in die Angelegenheit: Nachdem vor einer Woche eine Bürgerinitiative 23 000 Unterschriften für den Erhalt des Elisabethmarkts im Rathaus abgegeben und eine Woche zuvor der CSU-Bundestagsabgeordnete Wolfgang Stefinger den Verein "Freunde des Viktualienmarkts" gegründet hatte, reagierte das Kommunalreferat prompt: Am kommenden Dienstag will Referent Axel Markwardt erstmals öffentlich erläutern, was mit dem Viktualienmarkt möglicherweise geschehen wird. In einem derzeit leer stehenden Standl wird es von Mittwoch an einen Infostand geben und am Donnerstag soll der Stadtrat den Plan des Kommunalreferats absegnen, ein Bürgergutachten zur Sanierung des Markts erstellen zu lassen.

Konkrete Pläne liegen dabei noch gar nicht auf dem Tisch, auch wenn nach einem Wettbewerb, den das Kommunalreferat im vergangenen Jahr ausgelobt hatte, bereits die Architekten von "bogevischs buero" mit den Landschaftsarchitekten von "bauchplan" damit beauftragt wurden, ein Zukunftskonzept für den Viktualienmarkt zu erstellen. Dabei betont das Kommunalreferat unermüdlich, mit der Sanierung wolle man "die Zukunft des Marktes sichern", den Händlern ein "optimales Arbeitsumfeld" bieten und gleichzeitig "den einzigartigen Charme und Charakter des Marktes bewahren".

Im Kommunalreferat weiß man sehr wohl, wie heikel die Sanierung werden könnte. Schließlich sind bereits in Haidhausen und in Schwabing die Emotionen wegen der dort geplanten Marktsanierungen hochgekocht. "Am Wiener Platz sind wir sicherlich etwas übers Ziel hinausgeschossen", räumt Bernd Plank vom Kommunalreferat ein. Dort habe man sogar die Machbarkeitsstudie der Öffentlichkeit präsentiert, die nur bedingt etwas mit der konkreten Planung zu tun gehabt habe. Der Aufschrei war entsprechend groß, Oberbürgermeister Dieter Reiter musste einschreiten und die Abrisspläne einkassieren.

Diese Erfahrung von vergangenem Sommer lässt CSU-Parlamentarier Stefinger skeptisch bleiben. Am Viktualienmarkt dürfe es "kein Tabula rasa geben", der Markt müsse "Stand für Stand" behutsam saniert werden, fordert der 31-Jährige. Auch die Hygienevorschriften, die mit ein Grund für die Sanierung sind, ließen einen sehr weiten Spielraum bei der Auslegung. Und schließlich sei man ja "kein Entwicklungsland", was die hygienischen Verhältnisse angehe, meint Stefinger.

Er fordert auch, die Händler in die Planungen am Viktualienmarkt einzubeziehen. Die Sympathie vieler Händler dürfte Stefinger deshalb gewiss sein, was den Druck auf das Kommunalreferat weiter erhöht: Der CSU-Abgeordnete hat sein Münchner Thema für die Bundestagswahl am 24. September somit gesetzt. Auch für Elke Fett ist der Politiker ein wichtiger Trumpf. Die Vorsitzende der Interessengemeinschaft der Viktualienmarkthändler (IGV) pflegt engen Kontakt mit Stefinger. "Wir sind ja nicht gegen eine Sanierung, aber für eine sanfte." Öffentliche Toiletten und auch eigene für die Händler fordert sie schon lange, die Sanierung des Markts habe die Stadt "20 Jahre versaubeutelt". Schließlich "wollen wir's doch auch schön", sagt die Marktfrau.

Um ihre Verhandlungsposition mit der Stadt zu verbessern, hat sie neben Stefinger noch einen weiteren Joker: Kultusminister Ludwig Spaenle. Der hat den Markt ins "bayerische Landesverzeichnis des immateriellen Kulturerbes" aufnehmen lassen - wofür Fett lange gekämpft hat. Im März sollte eigentlich die Übergabe eines entsprechenden Messingschilds sein, doch der Termin ist verschoben, bis klar ist, wie es mit dem Markt weitergeht. Mit dem immateriellen Kulturerbe ist es aber so eine Sache: Es wird lediglich gewürdigt, dass der Markt als Einrichtung "in besonderer Weise die urbane Markttradition" verkörpere. Die Standl in ihrem Zustand zählen sicherlich nicht zum Kulturerbe.

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