Flughafen München:Plötzlich reden alle über einen neuen Startbahn-Entscheid

Flughafen München

Braucht München noch eine Startbahn? Über diese Frage wurde viel gestritten und es wurde darüber abgestimmt - aber beendet ist die Debatte noch lange nicht.

(Foto: Peter Kneffel/dpa)
  • Der Münchner Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) gilt grundsätzlich als Befürworter einer dritten Startbahn am Flughafen.
  • Im Stadtrat stellte er nun eine erneute Bürgerabstimmung in Aussicht - für Anfang 2018. Bisher hatte Reiter es vermieden, einen Termin zu nennen.
  • 2012 hatte sich die Mehrheit der Münchner gegen den Flughafenausbau ausgesprochen. Nun beginnt eine neue Runde in der Diskussion.

Von Heiner Effern und Wolfgang Wittl

Niemanden im Münchner Stadtrat interessierte am Mittwoch dieser Antrag so richtig: für ein Ratsbegehren für eine dritte Start- und Landebahn am Flughafen. Er stammte von der kleinen Gruppe, die früher Alfa hieß, und jeder wusste, dass er schon deshalb wirkungslos verpuffen würde. Und doch wurde die Sache spannend: Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) meldete sich plötzlich selbst zu Wort.

Der ist grundsätzlich ein Befürworter des Flughafen-Ausbaus. Zuerst wiederholte er zwar sein Mantra: ohne positiven Bürgerentscheid kein Bau, ohne ausreichende Steigerung bei Starts und Landungen kein Bürgerentscheid. Alles bekannt, Dutzende Male gehört. Doch dann verließ der OB das Protokoll. Sollten die Zahlen das hergeben, sagte Reiter, könne er sich "Anfang 2018 gegebenenfalls" eine Abstimmung vorstellen. Das war neu.

Bislang hatte es der OB konsequent vermieden, einen Termin für einen neuen Bürgerentscheid zu nennen, der das negative Votum der Münchner von 2012 wettmachen könnte. Nun steht erstmals wieder ein konkretes Datum im Raum - und diesmal nannten es nicht die üblichen Startbahn-Befürworter in CSU und Staatsregierung, sondern die Münchner Stadtspitze. Reiter hat damit, gewollt oder ungewollt, seinen Beitrag dazu geleistet, dass die Debatte um den Flughafenausbau neuen Schwung aufnimmt - und zu einem politischen Pokerspiel quer durch CSU und SPD in Stadt und Staat werden könnte.

Seit einiger Zeit schon erhöhen die Startbahn-Befürworter den (Werbe-)Druck, so auch diese Woche. Siemens-Chef Joe Kaeser meldete sich mit einer versteckten Drohung zu Wort: "Wir als Unternehmen benötigen die dritte Startbahn in München nicht unbedingt. Denn wir haben immer Alternativen und gehen dann eben woanders hin, wenn wir diese Infrastruktur mehr benötigen, als sie vorhanden ist", sagte er dem vbw-Unternehmermagazin.

Finanzminister Markus Söder (CSU), Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft FMG, spielte Basketball mit Münchner Drittklässlern - ausnahmsweise nicht in eigener Sache, sondern um die neue "Premium-Partnerschaft" des Airports mit dem FC Bayern zu feiern. Derweil bereitet er belastbare Zahlen und Prognosen zum Flugverkehr vor, die er schon in den nächsten zwei Wochen vorlegen will. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) soll dazu den größeren Kontext liefern.

21 Millionen Euro

Mit so viel Geld hat die Flughafen GmbH 2016 Fluggesellschaften bezuschusst. Das antwortet Finanzminister Markus Söder (CSU) auf eine Anfrage des Grünen-Abgeordneten Christian Magerl. Im ersten Halbjahr wurden demnach 6000 Flugbewegungen zu 69 Zielen, im zweiten 7000 zu 77 Zielen unterstützt. Man habe "der Nachfrage neuer Kundengruppen Rechnung getragen", sagt Söder. Magerl spricht von gekauften Flügen, für die dritte Startbahn.

Der dürfte wichtig werden. Denn OB Reiter und Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatten sich 2016 darauf verständigt, dass es für einen Baubeginn eine solide Faktenbasis brauche. Und deshalb passte diese Nachricht vom Dienstag so gar nicht in Söders Konzept: Der niederländische Billigflieger Transavia verlässt München schon wieder, es könnten am Ende wichtige Flugbewegungen fehlen. Doch auch dafür baut Söder vor und verweist auf eine übergeordnete Frage: was es für München grundsätzlich bedeute, wenn der Flughafen keine dritte Startbahn bekomme.

Am Ende aber, so heißt es in der CSU, komme es darauf an, worauf sich Seehofer und Reiter einigen. Somit bekommt Reiters Satz "Anfang 2018 gegebenenfalls" besondere Bedeutung. Ohne den OB und seine SPD zeichnet sich im Stadtrat keine Mehrheit für das nötige Ratsbegehren ab. Und so ist die bauwillige Landtags-CSU wieder hellhörig geworden. Sie kann nur schwer verkraften, in dieser Frage von der Stadt abhängig zu sein. Wie groß der Unmut ist, zeigt ein internes Papier, das in der Fraktion kursiert.

Eine bedrohliche Rechnung für die Stadt München

Tenor: München sei als einer der drei Flughafengesellschafter (neben Bund und Freistaat) dafür verantwortlich, dass die FMG bereits "171 Millionen Euro in Planung und Grunderwerb der dritten Startbahn investiert" habe. Sollte die Stadt ihre Treuepflicht als Gesellschafterin verletzen und ein Veto gegen einen Ausbau einlegen, mache sie sich schadenersatzpflichtig. Bis zu 140 Millionen Euro an Forderungen könnten da auf die Stadt zukommen, rechnet die CSU vor.

Der Ministerpräsident hält wenig von solchen Drohkulissen. Er bevorzugt ein Ratsbegehren pro Startbahn, für das sich auch Reiter und die Münchner SPD stark machen sollen. Doch das könnte parteiintern schwieriger werden als von der CSU erhofft. Denn nach dem angekündigten Rückzug von Florian Pronold bewerben sich mit Natascha Kohnen und Florian von Brunn zwei gebürtige Münchner und erklärte Ausbaugegner um den SPD-Landesvorsitz.

Weder Kohnen noch von Brunn sind der Ansicht, dass die Zahlen eine weitere Startbahn rechtfertigen. Die Grenze der Umweltbelastung sei erreicht, sagt Kohnen. Brunn ist überzeugt, dass der Bedarf wegen der neuen ICE-Strecke München-Berlin abnehme. Und beide sind sich einig: Ein neuerlicher Bürgerentscheid werde noch deutlicher verloren als 2012.

Sollte es so kommen, könne der Flughafen die dritte Bahn auf sehr lange Zeit vergessen. Das sieht auch Reiter so. Die Haltung der potenziellen SPD-Landeschefs macht die Lage für ihn deutlich komplizierter, falls er sich für ein Ratsbegehren entschließen sollte. Die Münchner SPD stünde dann vor einer Zerreißprobe. Die Ausbau-Gegner in der Partei bringen sich bereits in Stellung. Der Münchner Bundestagsabgeordnete Florian Post kündigte an, einen Termin 2018 mit einem Parteitagsbeschluss der Stadt-SPD verhindern zu wollen - "unabhängig davon, wer welche Position im Rathaus einnimmt". Frühestens 2020 könne wieder darüber debattiert werden, wenn die Zahlen stimmten.

CSU-Abgeordnete sprechen mit Blick auf diese Gemengelage bereits von einem "taktischen Stellungskrieg". Ein Ziel eint die Startbahnfreunde und -gegner in der CSU gleichermaßen: Sie wollen bis zur Landtagswahl im Herbst 2018 Klarheit. Einige wichtige CSU-Leute wünschten sich deshalb, den Bürgerentscheid schon mit der Bundestagswahl am 24. September abzuhalten. Eine hohe Wahlbeteiligung erhöhe die Chancen für ein Votum pro Ausbau.

Andere warnten davor, dass dieses Thema die eigentliche Wahl überlagere. "Von einer Zusammenlegung eines Münchner Bürgerentscheids mit einer überörtlichen Wahl halte ich gar nichts", sagt Seehofer. Womit zumindest klar ist, wann ein Bürgerentscheid nicht stattfinden wird.

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