Berchtesgaden:Im "Café Waldluft" läuft der Abspann

Aus Dokumentarfilm bekannte Flüchtlingsunterkunft in Berchtesgaden muss schließen - weil Bayern sparen will

Von Matthias Köpf, Berchtesgaden

Das "Waldluft" am Fuß des Obersalzbergs in Berchtesgaden war laut den Aufschriften an den Fassaden unter anderem ein Gasthof, ein Restaurant, eine Pension - und noch ist es auch das "Café Waldluft", als das es vor einem Jahr in die Kinos gekommen war. Der junge Dokumentarfilmer Matthias Koßmehl hatte die Flüchtlingsunterkunft in dem einstigen Ausflugslokal und seine Bewohner porträtiert und dafür auf mehreren Festivals einige Anerkennung bekommen. Doch Ende Februar muss das Café Waldluft schließen, trotz der Proteste und einer Unterschriftensammlung der Berchtesgadener Flüchtlingshelfer.

Neuen Flüchtlingsunterkünften stehen die Menschen vielerorts zunächst eher ablehnend gegenüber, und das war auch in Berchtesgaden nicht anders. Jetzt, fast fünf Jahre später, wollen viele Menschen hier ihr Flüchtlingsheim aber gerne behalten und auch die etwa 20 jungen Männer, die noch darin wohnen und von Betreiberin Flora Kurz sehr persönlich betreut werden. "Mama Flora", wie die 70-Jährige von vielen hier genannt wird, betreibt das Café Waldlust zusammen mit ihrem Sohn, der auch schon über 50 ist. Und in diesem Alter wolle man sich eine Investition von 150 000 oder 200 000 Euro in den Brandschutz nicht mehr antun, sagt Flora Kurz - zumal der Staat längst nicht mehr so gut zahle wie bis zum vergangenen Sommer und man unter diesen Bedingungen das Geld in drei bis fünf Jahren neuer Vertragslaufzeit nicht mehr hereinholen werde. Dem Landratsamt, das im Auftrag des Freistaats günstigere Verträge schließen soll und dabei auch auf das Brandschutz-Problem mit dem fehlenden zweiten Fluchtweg aufmerksam geworden ist, will Flora Kurz da gar keinen Vorwurf machen. Gerade das Landratsamt in Bad Reichenhall könne da nach der tödlichen Brandkatastrophe in Schneizlreuth kaum ein Auge zudrücken. Es hat ihr im Herbst schon das Dachgeschoss gesperrt, wo mehrere Eritreer gewohnt hatten. Und die jetzigen Bewohner hätten immerhin die Erlaubnis erhalten, sich selbst auf eigene Faust Wohnungen oder Zimmer zu suchen.

Die ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer in Berchtesgaden sehen die Rolle des Landratsamtes kritischer. Für Helferkreis-Gründerin Daniela Kilian ist es vollkommen unsinnig, die allseits akzeptierte bis lieb gewonnene Unterkunft im Café Waldluft schließen zu lassen und zugleich in einem neun Kilometer entfernten, außerhalb des Dorfes Ramsau gelegenen Hotel eine neue Unterkunft einzurichten - mit einigem Aufwand, zum Unwillen einiger Anwohner und vor allem ohne Möglichkeit für die jetzigen Waldluft-Bewohner, an ihre Arbeitsplätze zu gelangen. Denn die jungen Männer, überwiegend aus Afghanistan und Pakistan, haben alle Arbeit gefunden, zum größten Teil in der Berchtesgadener Gastronomie und Hotellerie, einige von ihnen im Kempinski droben am Obersalzberg.

Diese Anstellungen, die Kontakte in den Sportvereinen und überhaupt die ganze erfolgreiche Integration im Ort sieht Kilian durch den amtlich erzwungenen Umzug in Gefahr. Das entwurzle manche Flüchtlinge aufs Neue und könne für den Staat insgesamt höhere Kosten verursachen, als im Waldluft beim Brandschutz zu helfen, sagt die Flüchtlingshelferin Kilian. Ihre Bemühungen, auf dem freien Markt Zimmer und Wohnungen für die Flüchtlinge zu finden, gestalten sich schwierig.

Das Reichenhaller Landratsamt verweist darauf, dass man zu den neuen, staatlich vorgegebenen Konditionen gerne mit dem Waldluft verlängern würde und nur auf ein Signal warte, dass dort beim Brandschutz etwas geschehe. Bei diesem Thema könne man aber in der Tat keine Kompromisse mehr machen. Mama Flora ist auch nicht mehr nach Kompromissen zumute. Sie hat ihren Schützlingen gerade erzählt, dass sie bald ausziehen müssen, und hofft, dass sie wenigstens in Deutschland und in Sicherheit bleiben dürfen. Im Café Waldluft läuft der Abspann.

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