BGH zur Kündigung von Verträgen:Was Bausparer jetzt wissen müssen

Neubauten in Niedersachsen

Neubauten in Niedersachsen: Wer das Guthaben seines Bausparvertrags nicht zeitig abruft, muss nun mit der Kündigung rechnen.

(Foto: dpa)

Bausparkassen dürfen Verträge auflösen, wenn Sparer zehn Jahre lang kein Darlehen aufnehmen. Nach dem Urteil des BGH rechnen Verbraucherschützer mit weiteren Kündigungen.

Von Benedikt Müller

Es ist ein Grundsatzurteil, das die Hoffnungen Zehntausender Sparer enttäuscht: Bausparkassen dürfen Verträge kündigen, die seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif sind. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) am Dienstag entschieden.

Damit steht fest: Mehr als 250 000 Kündigungen, die Bausparkassen in den vergangenen Jahren ausgesprochen haben, waren rechtens. Und wer noch einen alten Bausparvertrag mit hohen Zinsen besitzt, muss davon ausgehen, dass die Kündigungswelle weitergehen wird.

"Bausparkassen, die sich bislang mit Kündigungen zurückgehalten haben, dürften das Thema nun forcieren", sagt Markus Feck, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. "Die Bausparkassen werden permanent überprüfen, welche Verträge sie kündigen können." Umso wichtiger ist es, dass Kunden ihre Rechte kennen.

Welche Bausparverträge sind von dem Urteil betroffen?

Die Entscheidung bezieht sich auf Verträge, die seit mindestens zehn Jahren zuteilungsreif sind. Das bedeutet: Die Kunden hätten seit zehn Jahren oder länger ihr Bauspardarlehen aufnehmen können, um eine Immobilie zu kaufen oder zu bauen. Doch stattdessen haben sie weiter gespart und die festgeschriebenen Zinsen kassiert. Das widerspreche auf Dauer dem Sinn und Zweck des Bausparens, so der BGH.

"Kunden, deren Vertrag zehn Jahre nach Zuteilungsreife gekündigt wurde, haben nun kaum noch Chancen, sich gegen die Kündigung zu wehren", sagt Feck. Wer das versuche, gehe ein viel höheres Prozessrisiko ein, sagt der Fachanwalt Christian Fiehl. "Die Bausparkassen werden davon ausgehen, dass das BGH-Urteil auf alle Kassen und Verträge anwendbar ist."

BGH zur Kündigung von Verträgen: Erfahrene Fachleute erfüllen aber nicht nur spezielle Wünsche, sie vertreten auch die Interessen der Bauherren und haften für Fehler.

Erfahrene Fachleute erfüllen aber nicht nur spezielle Wünsche, sie vertreten auch die Interessen der Bauherren und haften für Fehler.

(Foto: imago stock&people)

Allerdings versuchen viele Bausparkassen, auch jüngere Verträge aufzulösen, die noch nicht zehn Jahre lang zuteilungsreif sind. Sie bieten etwa an, das Sparguthaben auszuzahlen oder in einen anderen Tarif zu überführen. "Solange keine Kündigungsgründe erfüllt sind, sollten Kunden an ihren Verträgen festhalten und die Zinsen mitnehmen", rät Feck. Doch fest steht nun: Früher oder später droht die Kündigung, falls der Kunde kein Baudarlehen aufnimmt.

Gibt es noch einen anderen Fall, in dem die Kassen Verträge kündigen dürfen?

Ja. Wenn ein Kunde schon die gesamte Bausparsumme angespart hat, darf die Kasse den Vertrag ebenfalls kündigen. Denn dann braucht der Kunde offensichtlich keinen Kredit mehr.

Warum wollen Bausparkassen ihre langjährigen Kunden loswerden?

Die Bausparkassen leiden unter den niedrigen Zinsen in der Euro-Zone. Wer vor Jahren einen hochverzinsten Bausparvertrag abgeschlossen hat, für den lohnt es sich zurzeit nicht, sein Bauspardarlehen zu den alten Konditionen aufzunehmen. Denn viele Banken bieten gerade günstigere Zinsen für Bauherren und Immobilienkäufer. Deshalb geben die Kassen immer weniger klassische Bauspardarlehen aus, zuletzt waren noch knapp 14 Milliarden Euro im Umlauf.

Viele Altkunden lassen sich aber gerne die Sparzinsen von drei Prozent oder mehr gutschreiben, die andere Sparkonten oder Festgelder längst nicht mehr bieten. Mehr als 163 Milliarden Euro haben die Deutschen in Bausparverträgen angelegt; die Einlagen steigen von Jahr zu Jahr.

So wird es für die Bausparkassen immer schwieriger, die hohen Zinsversprechen aus der Vergangenheit zu erfüllen. Denn sie müssen das Geld ihrer Kunden zum Großteil in festverzinste Wertpapiere guter Bonität anlegen. Damit können sie kaum noch Rendite erwirtschaften. Deshalb haben die Kassen ihre Kosten gesenkt, Stellen gestrichen, Gebühren für Sparer erhöht und viele Neuverträge mit niedrigen Zinsen abgeschlossen. Die Kündigung von Altverträgen ist ihre umstrittenste Maßnahme. Oberlandesgerichte hatten darüber unterschiedlich geurteilt; jetzt hat der BGH zugunsten der Bausparkassen entschieden.

Löst die Gerichtsentscheidung die Probleme der Bausparkassen?

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Die Bausparkassen sind erleichtert, dass der BGH den Kunden kein ewiges Recht auf hohe Sparzinsen zugesprochen hat. Ein solches hätte den Bausparkassen in den kommenden Jahren mehrere Hundert Millionen Euro gekostet. "Das ist eine gute Nachricht für die Bauspargemeinschaft als Ganzes, die weiterhin auf die Stabilität dieses Systems vertrauen darf", heißt es beim Verband der Privaten Bausparkassen.

Doch hat der Ruf des Bausparens unter dem Streit mit den Kunden gelitten, sagt Hans-Peter Burghof, Finanzprofessor der Universität Hohenheim. "Durch die Kündigungswelle haben die Bausparkassen erheblich an Reputation verloren." Und das in einer Zeit, in der die niedrigen Zinsen ohnehin das Geschäftsmodell der Kassen gefährden. "Die Grundidee eines Bausparvertrages ist aus Kundensicht die Absicherung gegen höhere Kreditzinsen in der Zukunft", sagt Burghof. "Doch dieses Konzept ist nicht attraktiv, wenn die Kunden davon ausgehen, dass die Zinsen noch lange niedrig bleiben werden."

Allerdings haben seit der Präsidentschaftswahl in den USA einige Banken die Bauzinsen leicht angehoben, weil Anleihe-Renditen gestiegen sind. Die Bausparkassen werben nun für neue Verträge, mit denen sich Kunden niedrige Zinsen für einen möglichen Immobilienkauf in einigen Jahren sichern könnten. Zudem vergeben die Kassen mehr Vorausdarlehen: Der Kunde schließt einen Immobilienkredit ab und zahlt gleichzeitig in einen Bausparvertrag ein, mit dem er anschließend den Kredit abbezahlt. Solche Produkte bieten lange Zinssicherheit.

Hinzu kommt, dass der Gesetzgeber den Bausparkassen entgegengekommen ist. Beispielsweise dürfen die Kassen seit diesem Jahr einen kleinen Teil ihrer Gelder in Aktien anlegen. Dieses Risiko war für sie bislang tabu. Mit der aktuellen BGH-Entscheidung ist es wieder wahrscheinlicher geworden, dass die Bausparkassen die Niedrigzinsphase überstehen werden.

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