Gedenkstätte:Ein großer Tag

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Nach mehr als zwei Jahren bringt ein Kunsttransporter das gestohlene KZ-Tor nach Dachau zurück. Das Lagerrelikt hat stark gelitten und muss von Experten restauriert werden, bevor es ins Museum kommt

Von Robert Stocker, Dachau

Es ist ein großer Moment in der Geschichte der KZ-Gedenkstätte. Fernsehteams und Zeitungsreporter bringen sich hektisch in Stellung und umschwirren die wichtigen Leute, die gleich dieses Ereignis kommentieren werden. Objekt der Begierde ist ein Transporter, der auf dem Parkplatz des Verwaltungsgebäudes abgestellt ist. Zwei Männer öffnen die Türen des Lastwagens und tragen ein großes, verpacktes Trumm heraus. Dann schälen sie den Gegenstand aus den Pappdeckeln und Folien. Filmkameras laufen, Fotoapparate klicken: Zum Vorschein kommt ein verrostetes Eisengebilde, das für die Gedenkstätte von großer Bedeutung ist. Es ist das KZ-Tor mit der zynischen Aufschrift "Arbeit macht frei", durch das 200 000 Häftlinge im ehemaligen Konzentrationslager Dachau liefen.

Die Aufschrift "Arbeit macht frei" auf der Schlüpftür des Tores durch das Jourhaus verdeutlicht den menschenverachtenden Zynismus der Nationalsozialisten. (Foto: Toni Heigl)

Das zentrale Symbol für den Leidensweg dieser Menschen ist am Mittwoch wieder in die Gedenkstätte zurückgekehrt. Unbekannte Täter hatten es in der Nacht zum 2. November 2014 aus dem Durchgang des Jourhauses ausgehebelt und vermutlich in einen Transporter geladen. Sie konnten unerkannt flüchten und waren spurlos verschwunden. Das Tor tauchte Anfang Dezember 2016 in Norwegen auf. Ein anonymer Anrufer gab der Polizei in Bergen den Tipp, dass das Tor unter einer Plastikplane auf einem Parkplatz nahe der norwegischen Küstenstadt liegt. Die Beamten stellten das Eisentor sicher. Seither wurde es von der örtlichen Polizei aufbewahrt. Ein Kunsttransporter brachte das historische Relikt vor einigen Tagen nach Deutschland zurück. Jetzt wird es in der Gedenkstätte in Empfang genommen. Das mediale Interesse ist groß.

Im Fokus der Medien: Kultusminister Spaenle, Gedenkstättenleiterin Hammermann und Stiftungsdirektor Freller begutachten das zurückgekehrte Tor. (Foto: Toni Heigl)

Der Diebstahl des Tors war der erste und schwerste Angriff auf die historischen Gebäude der Gedenkstätte, die durch diese Tat geschändet wurde. Der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle spricht bei der Präsentation des zurückgekehrten Tors von einer Attacke auf die Integrität der Gedenkstätte. Der Diebstahl sei eine Aggression gegen einen Ort des Erinnerns gewesen. Die Rückkehr sei deshalb ein bedeutender Tag. Auch Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerischer Gedenkstätten, zeigt sich über die Rückkehr des Tors erleichtert. Mit seiner Aufschrift "Arbeit macht frei" symbolisiere es den menschenverachtenden Zynismus der Nazis. "Wir werden das Tor künftig gut bewachen", betont der Stiftungsdirektor. Die Schlüpftür durch das Tor des Jourhauses kommt nicht mehr an ihren ursprünglichen Platz zurück. Dort befindet sich mittlerweile eine Rekonstruktion, die der Biberbacher Kunstschmied Michael Poitner angefertigt hat. Das Original - die Aufschrift verschwand nach Kriegsende und wurde ersetzt - wird bald in der Dauerausstellung der Gedenkstätte hinter einer Vitrine zu sehen sein. Weil es stark verrostet ist, wird es von Experten zunächst restauriert. Besucher können das Tor zum 72. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers am 29. April 1945 besichtigen. "Das hat der Stiftungsrat einstimmig beschlossen", sagt Freller. Das Comité International de Dachau sei über die Schändung der Gedenkstätte noch immer bestürzt, sagt Präsident Jean-Michel Thomas. Er erinnert an die weltweite Empörung über den Diebstahl. "Wir haben den Wunsch, dass die Ermittlungen fortgesetzt werden."

Gedenkstättenleiterin Gabriele Hammermann verweist darauf, dass die Ermittlungen in Norwegen eingestellt wurden. Nach dem anonymen Anruf fand die norwegische Polizei keinen Hinweis, der auf die Spur der Täter führte. An den Ermittlungen waren auch die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck, das Bundeskriminalamt und Interpol beteiligt. Doch alle Bemühungen waren bisher vergeblich. Der Anrufer wurde nicht identifiziert. Auch der Hinweis eines Zeugen in der Tatnacht, er habe an der Gedenkstätte ein verdächtiges Transportfahrzeug mit skandinavischem Kennzeichen beobachtet, brachte nichts. Die deutschen Ermittler wollen den Fall aber weiter verfolgen. Sie gehen von einem Bandendiebstahl aus. Die Verjährungsfrist für dieses Delikt beträgt zehn Jahre. Es könne aber möglich sein, dass die Staatsanwaltschaft den Fall vorher offiziell einstellt, so die Fürstenfeldbrucker Kriminalpolizei. Sie bleibt an der Akte weiter dran. "Wir haben ein persönliches Interesse daran", versichert Kripochef Manfred Frei.

© SZ vom 23.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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