Antibiotika-Resistenz:Keime, gegen die kein Mittel mehr hilft

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Acinetobacter im 3D-Modell: "Wir verlieren rasch an Optionen zur Behandlung" (Foto: CDC/ James Archer)
  • Eine Liste der Weltgesundheitsorganisation WHO nennt die derzeit gefährlichsten Antibiotika-resistenten Bakterien.
  • Von dem Keim Acinetobacter baumannii geht derzeit die größte Gefahr aus, vor allem in Krankenhäusern und Pflegeheimen. Herkömmliche Antibiotika versagen zunehmend bei der Behandlung, da die Mikroorganismen unempfindlich dagegen geworden sind.
  • Die Bewertung der WHO soll Forschern und Politikern helfen, Prioritäten beim Kampf gegen Antibiotika-Resistenzen zu setzen.

Von Christoph Behrens

Die Weltgesundheitsorganisation WHO warnt in einer neuen Bewertung vor den aktuell gefährlichsten antibiotikaresistenten Keimen. Die in dem Katalog verzeichneten zwölf Bakterien-Familien seien eine enorme Gefahr für die menschliche Gesundheit.

Angeführt wird die Liste von dem Bakterium Acinetobacter baumannii. Die Familie dieses Keims verursacht schwere Infektionen und ist gegenüber vielen Antibiotika resistent geworden. Als Reserveantibiotika gedachte Medikamente aus der Gruppe der Carbapeneme und Cephalosporine helfen gegen Infektionen mit diesem Keim häufig nicht mehr. Wie tödlich die resistenten Acinetobacter baumannii sind, zeigte sich etwa 2015 im Uniklinikum Kiel. 31 Patienten befiel ein Acinetobacter-Stamm dort in kurzer Zeit, zwölf Menschen starben. Der Stamm hatte Resistenzen gegen vier verschiedene Antibiotika-Klassen entwickelt.

Wegen dieser akuten Gefahr stuft die WHO A. baumannii in der aktuellen Bewertung als "kritisch" ein. Unter diese Kategorie fallen außerdem die Bakterienfamilien Pseudomonas aeruginosa und Enterobacteriaceae. Resistente Stämme dieser Typen seien vor allem in Krankenhäusern und Pflegeheimen eine Bedrohung, so die WHO. In Ländern wie Mexiko und Griechenland sind mittlerweile 50 Prozent der Acinetobacter-Stämme gegen Breitbandantibiotika aus der Gruppe der Carbapeneme resistent.

G20 wollen Kampf gegen Resistenzen forcieren

"Bei den ersten drei ist man relativ ratlos, was man machen soll", sagt Petra Gastmeier, Leiterin des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin von der Charité Berlin. Die Liste sei wichtig, damit beispielsweise die Pharmaindustrie Prioritäten bei der Forschung setzen könne. In Krankenhäusern könne die Bewertung der WHO bei der Prävention helfen. So könnten mit den genannten Bakterien infizierte Patienten gezielt isoliert werden, damit sie keine anderen anstecken.

"Die Antibiotika-Resistenz nimmt zu und wir verlieren rasch an Optionen zur Behandlung", sagte Marie-Pauile Kieny von der WHO bei der Vorstellung des Berichts. Sie warnte davor, die Entwicklung neuer Medikamente allein den Gesetzen des freien Marktes zu überlassen. In diesem Fall würden "die neuen Antibiotika, die wir am dringendsten benötigen, nicht rechtzeitig fertig entwickelt", vermutet Kieny. Diese Woche treffen sich Gesundheitsexperten der G20 in Berlin, um über das Problem zu beraten. Die führenden Industrie- und Schwellenländer haben den Kampf gegen Antibiotikaresistenzen 2016 zu einer ihrer obersten Prioritäten erklärt.

Neben den kritischen Bakterienstämmen nennt der WHO-Bericht auch Mikroorganismen, bei denen ein "hoher" oder "mittlerer" Handlungsbedarf von Seiten der Politik und Wissenschaft besteht. Zur zweiten Kategorie zählen beispielsweise Fluorchinolon-resistente Salmonellen-Stämme, Staphylococcus aureus oder Neisseria Gonorrhoeae. Letzter verursacht die Geschlechtskrankheit Gonorrhoe und ist immer häufiger gegen eine Behandlung mit Breitbandantibiotika immun. Salmonellen finden sich in verdorbenen Lebensmitteln und können eine Lebensmittelvergiftung auslösen. Bakterien der zweiten und dritten Kategorie seien zwar nicht so gefährlich wie jene in der allerhöchsten Dringlichkeitsstufe, erklärte die WHO, jedoch seien die Krankheiten, die sie auslösen, weitaus häufiger.

Die vollständige Liste der gefährlichsten antibiotikaresistenten Erreger:

Priorität 1: kritisch

  • Acinetobacter baumannii, Carbapenem-resistent
  • Pseudomonas aeruginosa, Carbapenem-resistent
  • Enterobacteriaceae, Carbapenem-resistent, ESBL-produzierend (Extended-Spectrum Beta-Lactamasen, diese Enzyme setzen die Wirksamkeit bestimmter Antibiotika herab)

Priorität 2: hoher Handlungsbedarf

  • Enterococcus faecium, Vancomycin-resistent
  • Staphylococcus aureus, Methicillin-resistent, Vancomycin-intermediär und resistent
  • Helicobacter pylori, Clarithromycin-resistent
  • Campylobacter spp., Fluorchinolon-resistent
  • Salmonellae, Fluorchinolon-resistent
  • Neisseria gonorrhoeae, Cephalosporin-resistent, Fluorchinolon-resistent

Priorität 3: mittlerer Handlungsbedarf

  • Streptococcus pneumoniae, Penicillin-non-susceptible
  • Haemophilus influenzae, Ampicillin-resistent
  • Shigella spp., Fluorchinolon-resistent
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