Landwirtschaft:Mit Abwasser gezogenes Gemüse soll Ernährung sichern

Gurkenernte im Spreewald; Gurke 50 shades

Gurken werden häufig bereits in einem künstlichen Substrat statt mit Erde angebaut - Abwasser statt Trinkwasser könnte weitere Ressourcen sparen.

(Foto: picture-alliance/ dpa)

Forscher untersuchen, ob man Gemüse statt in Trinkwasser in gereinigtem Abwasser ziehen könnte. Schmeckt diese Ernte aber auch?

Von Angela Schmid

Erdboden mag für Hobbygärtner eine feine Sache sein; technisch ist er überholt. Auf etwa einem Sechstel der Gewächshausfläche wachsen Tomaten, Gurken und andere Gemüsesorten ohne Erde, in einem künstlichen Substrat. Das spart Wasser, Dünger und Pestizide und steigert die Erträge. Nun wollen Forscher die Anbaumethode noch effizienter machen: Sie untersuchen, ob man Gemüse statt in Trinkwasser auch in Abwasser ziehen könnte.

In der Landwirtschaft wird weltweit 70 Prozent des Trinkwassers verbraucht. Schon das spricht in trockenen Gebieten für die sogenannte Hydroponik: "Der Wasserverbrauch und der Nährstoffeinsatz verringern sich im Vergleich zur Bodennutzung um 30 bis 50 Prozent", erklärt Fritz-Gerald Schröder von der Fachhochschule für Technik und Wirtschaft Dresden.

Im gereinigten Abwasser sind alle wichtigen Nährstoffe enthalten

Das würde sich noch einmal verbessern, könnte man statt Trinkwasser gereinigtes Abwasser einsetzen, in dem bereits alle wichtigen Nährstoffe enthalten sind. Bisher ist das in Deutschland jedoch noch verboten. Schröder ist jedoch überzeugt, dass aufgrund des zunehmenden weltweiten Wassermangels kein Weg daran vorbeiführt.

Dass es funktioniert, wollen Wissenschaftler in der Nähe von Wolfsburg nun mit einem Projekt namens HypoWave beweisen. Sie testen, ob Schadstoffe in der Pflanze zurückbleiben, wie gut die Qualität der Produkte ist und unter welchen Bedingungen das Prinzip wirtschaftlich ist.

Bedarf ist vorhanden: Die Hydroponik-Industrie wachse schnell, sagt Martina Winker vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) in Frankfurt, die an dem Vorhaben beteiligt ist. Vor allem China, mit mehr als 600 Millionen Tonnen Jahresproduktion der größte Gemüseproduzent weltweit, setze auf Hydroponik. In Almería in Spanien werde nur hydroponisch angebaut. Wasser ist dort extrem knapp.

In einem 150 Quadratmeter großen Gewächshaussystem auf der Kläranlage Hattorf in der Nähe von Wolfsburg wollen die Forscher nun zuerst Spinatanbau mit unterschiedlich gereinigtem Abwasser testen. Dabei werden verschiedene Reinigungstechniken ausprobiert, etwa ein Verfahren bei mindestens 35 Grad Lufttemperatur, das ohne Luftzufuhr arbeitet und bisher nur in wärmeren Regionen eine Rolle spielt. Dabei entsteht Energie in Form von Methan, die genutzt werden kann. Zudem ist die Menge des anfallenden Klärschlamms bis zu 80 Prozent geringer als bei konventionellen Reinigungsverfahren. Vor allem aber soll das aufbereitete Abwasser am Ende die optimale Nährstoffkombination für die Pflanzen enthalten.

Dass sich die Anbaumethode auf den Geschmack auswirkt, hält der Experte für ein Vorurteil

Der Energieaufwand für die hydroponische Pflanzenzucht ist zwar höher wegen der nötigen Pumpen. Das werde aber durch höhere Erträge aufgrund einer besseren Steuerung von Wasser und Nährstoffen wieder ausgeglichen, erklärt der Agrarwissenschaftler Michael Böhme von der Humboldt-Universität Berlin. Pestizide würden zudem kaum eingesetzt. Dass die Anbaumethode Auswirkungen auf den Geschmack habe, hält Boehme für ein Vorurteil: "Der ist vor allem von den Sorten abhängig, die dafür ausgelegt sind, dass Tomaten und Gurken das ganze Jahr geerntet werden können."

Die Anwendungsbereiche der Hydroponik sind jedenfalls vielfältig: In New York produzieren Hochhausgärtner damit Gemüse; in Singapur werden in einer "vertikalen Farm" jährlich 80 Tonnen Hydroponik-Gemüse geerntet. Und in Berlin werden in einer Aquaponik-Farm Abfälle aus der Fischzucht direkt als Düngemittel für Gemüseanbau weiterverwendet. "Ein gutes Verfahren, dass die Ressourcen nutzt, bei dem es aber noch viel Forschungsbedarf gibt", sagt Boehme.

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