Rainer Wendt:Null Stunden als Polizist - 77 721,13 Euro Nebeneinkünfte

Affäre um Beamtensold für Polizeigewerkschafter

Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), spricht am 14.09.2016 beim Landeskongress der Gewerkschaft in Berlin.

(Foto: dpa)
  • Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, steht in der Kritik, weil er jahrelang ein Polizistengehalt bekam, ohne als Polizist zu arbeiten.
  • Nun wird bekannt, dass er dank dreier Posten in Aufsichtsräten offenbar zusätzlich Nebeneinkünfte in Höhe von 77 721,13 Euro hat.
  • Auch die Bezüge von André Schulz wurden überprüft. Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter soll künftig nicht mehr wie bisher zur Hälfte von der Stadt Hamburg bezahlt werden.

Von Detlef Esslinger

Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Rainer Wendt, erzielt pro Jahr Nebeneinkünfte in Höhe von 77 721,13 Euro, weil er Mitglied in Aufsichtsräten und anderen Gremien ist. Dies teilte sein Rechtsanwalt Axel Mütze am Mittwochabend der Süddeutschen Zeitung auf Anfrage mit. Zuvor waren zwei führende DPolG-Gewerkschafter aus Nordrhein-Westfalen aus Protest gegen ihn von ihren Ämtern auf Bundesebene zurückgetreten.

Das Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen leitete ein Disziplinarverfahren gegen Wendt ein. In seiner Eigenschaft als Polizeibeamter hätte er für Nebentätigkeiten eine Genehmigung gebraucht; die holte er sich offenbar nicht ein. Der Anwalt Mütze aus Berlin gab eine Übersicht über die Einkommensverhältnisse Wendts. Vom Land Nordrhein-Westfalen habe er monatlich 3348, 68 Euro brutto erhalten, und von der Polizeigewerkschaft eine Aufwandsentschädigung von 520 Euro brutto. Die mehr als 77 000 Euro Nebeneinkünfte gehen auf fünf Funktionen zurück: Mitglied im Bundeshauptvorstand der DPolG, Mitglied der Gesellschafterversammlung im Beamtenwirtschaftsbund sowie Aufsichtsratsposten bei der Axa-Lebensversicherung, der Immobilienfirma BTA sowie dem DBB-Vorsorgewerk.

Bei den beiden letzteren Firmen sowie beim Beamtenwirtschaftsbund (einer Vermögensverwaltung) handelt es sich um Tochterunternehmen des Beamtenbunds, dem die DPolG als eine von 42 Gewerkschaften angehört. Der größte Betrag sind die bereits am Dienstagabend bekannt gewordenen 50 000 Euro von der Axa. Rechtsanwalt Mütze schrieb: "Im Ergebnis erhält Herr Wendt also Bezüge, welche dem eines Polizeipräsidenten vergleichbar sind." Zusätzlich werde ihm in Berlin eine 46 Quadratmeter große Wohnung "zur Verfügung gestellt, um Hotelkosten zu ersparen". Wer diese Wohnung bezahlt, sagte Mütze nicht. Schließlich teilte der Anwalt mit, dass Wendt im vergangenen Jahr 410 Euro Honorar als Referent und Fachzeitschriftenautor erzielt habe; diesen Betrag habe er komplett gespendet - ebenso wie alle Tantiemen aus seinem Honorar für das Buch "Deutschland in Gefahr".

NRW hatte die Gewerkschaft über Jahre faktisch subventioniert

Bei den beiden DPolG-Funktionären, die am Mittwoch ihre Rücktritte erklärten, handelt es sich um den nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Erich Rettinghaus und seinen Stellvertreter Wolfgang Orscheschek. In diesen beiden Ämtern bleiben sie zwar. Aber Rettinghaus trat aus dem Bundesvorstand der Gewerkschaft zurück, Orscheschek will nicht länger Rechnungsprüfer des Bundesverbands sein. Die beiden traten am Mittwoch zu einer Zeit zurück, als öffentlich nur die Axa-Zahlungen bekannt waren.

Die Entscheidungen "der Bundesleitung" könnten "weder mitgetragen noch gutgeheißen" werden, hieß es in einer Erklärung des Landesverbands. Offen blieb, ob damit die Solidaritätserklärung der Bundesleitung für Wendt vom Sonntag gemeint war, oder dessen persönliches Agieren in der Angelegenheit. "Das scheibchenweise Bekanntwerden von möglichen weiteren Zahlungen belastet, kostet Glaubwürdigkeit und Vertrauen", hieß es in der Erklärung. "Wir erwarten nun eine lückenlose Aufklärung und Offenlegung weiterer Einnahmen, welche unter Umständen auch eine Beurlaubung und Bezahlung ermöglicht hätten."

Mit dieser Formulierung weisen die beiden Gewerkschafter auf den Kern der Sache hin: Das Land Nordrhein-Westfalen hatte die DPolG über Jahre hinweg faktisch subventioniert, indem es Wendt auf der Basis einer 28,5-Stunden-Stelle weiterbezahlte - obwohl er null Stunden als Polizist arbeitete, sondern ausschließlich als Gewerkschaftschef tätig ist. Damit wollte das Land die DPolG finanziell entlasten, die bundesweit etwa halb so viele zahlende Mitglieder wie die konkurrierende Gewerkschaft der Polizei (GdP) hat. Hätte das Land um Wendts Zusatzeinkünfte gewusst, wäre es vielleicht zu dem Schluss gekommen, dass dessen Bezahlung aus Landesmitteln nicht erforderlich ist und ihn stattdessen als Polizist beurlaubt, damit er DPolG-Chef sein kann - das ist die Gedankenkette, die sich hinter der Formulierung der Gewerkschafter Rettinghaus und Orscheschek verbirgt.

Beamte müssen Nebentätigkeiten vom Dienstherrn genehmigen lassen

Dass dies in der Landesregierung exakt so gesehen wird, ergibt sich aus einer Mitteilung, die Innenminister Ralf Jäger (SPD) am Mittwoch verbreiten ließ. Er forderte das Landesamt für Aus- und Fortbildung der Polizei (LAFP) auf, ein Disziplinarverfahren gegen Wendt einzuleiten. "Hintergrund ist seine jetzt bekannt gewordene Aufsichtsratstätigkeit für einen Versicherungskonzern", sagte der Sprecher des Ministeriums, Ludger Harmeier. Auch diese Mitteilung kam zu einem Zeitpunkt, als Wendts Aufsichtsratstätigkeiten in Tochterfirmen des Beamtenbunds in der Öffentlichkeit noch unbekannt waren.

Auch gegen den Vorsitzenden des Bundes Deutscher Kriminalbeamter (BDK), André Schulz, gibt es nun den Vorwurf, Geld bezogen zu haben, das ihm so nicht zustand. Seit 2014 wurde er zu 50 Prozent von der Hamburger Polizei bezahlt, obwohl er, wie sich jetzt nach einer Überprüfung ergeben hat, nicht als Polizist gearbeitet hatte. "Der Polizeipräsident hat entschieden, dass diese Praxis umgehend beendet wird", sagte ein Sprecher der Hamburger Polizei. Aktuell würden mit Schulz Gespräche geführt, wie er der vereinbarten Teilzeitbeschäftigung im Landeskriminalamt nachkommen werde. Der Polizeipräsident habe das Ziel, "das Beschäftigungsverhältnis auf eine solide rechtliche Grundlage zu stellen sowie Herrn Schulz die Ausübung seiner Funktion des Bundesvorsitzenden BdK zu ermöglichen".

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels hieß es fälschlicherweise im Teaser, Rainer Wendt habe ein "doppeltes Gehalt" bezogen. Wir haben den Fehler korrigiert und bitten, ihn zu entschuldigen.

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