EU-Ratspräsidentschaft:Polen droht im Streit um Tusk mit Blockade des EU-Gipfels

EU-Ratspräsidentschaft: EU-Ratspräsident Donald Tusk und die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło im September 2016.

EU-Ratspräsident Donald Tusk und die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydło im September 2016.

(Foto: AFP)
  • Die polnische Regierung hat erklärt, der EU-Gipfel sei "gefährdet", falls die vorgesehene Abstimmung über eine zweite Amtszeit von EU-Ratspräsident von Donald Tusk stattfindet.
  • Die rechtsnationale Regierung in Warschau lehnt die erneute Wahl von Tusk ab - sie wirft ihm vor, sich in die Innenpolitik des Landes einzumischen.
  • Rechtlich hat die polnische Regierung allerdings keine Möglichkeit, die Abstimmung zu blockieren.

Dramatische Wendung im Streit um die Wiederwahl von EU-Ratspräsident Donald Tusk: Die polnische Regierung droht mit der Blockade des gesamten Gipfels der europäischen Staats- und Regierungschefs, bei dem an diesem Donnerstag über die Personalie abgestimmt werden soll. Polen werde die anderen EU-Staaten informieren, "dass der ganze Gipfel gefährdet sein wird", falls eine Abstimmung über die Personalie erzwungen werde, sagte Außenminister Witold Waszczykowski dem Fernsehsender TVN24.

Die rechtsnationale Regierung in Warschau lehnt ein zweite Amtszeit für Tusk kategorisch ab, dessen Partei in Polen der Opposition angehört. Die Regierung in Warschau wirft Tusk vor, sich in die polnische Innenpolitik eingemischt zu haben. Sie hat mit dem Europa-Abgeordneten Jacek Saryusz-Wolski einen Gegenkandidaten aufgestellt, für diesen gibt es aber bisher offiziell keine weiteren Unterstützer.

Rechtlich hat die polnische Regierung, beim Gipfel vertreten durch Ministerpräsidentin Beata Szydło, keine Handhabe, die Abstimmung zu blockieren. Der EU-Ratspräsident wird mit qualifizierter Mehrheit gewählt, das kann auch in Abwesenheit Polens geschehen. Es ist deshalb unklar, was die Polen vorhaben.

"Wir werden alles tun, damit die Abstimmung heute nicht stattfindet", sagte Außenminister Waszczykowski. "Wir haben den Deutschen bereits die Botschaft übermittelt, dass es heute nicht notwendig ist, über den Präsidenten des Europäischen Rates abzustimmen."

Zwei mögliche Szenarien

Polnische Medien sprachen nun von zwei Szenarien: Entweder bekommt Warschau die Zusage, dass über den Ratspräsidenten nur einstimmig abgestimmt wird oder die polnische Regierung werde sich weigern, den gesamten Gipfelschlussfolgerungen zuzustimmen. Bei dem Gipfel wollen die Staats- und Regierungschefs eine Reihe von Beschlüssen verabschieden. Sie müssen im Einvernehmen getroffen werden, Polen könnte sie blockieren. Geplant sind unter anderem Gipfelbeschlüsse zur Wirtschaftspolitik, zur Stärkung der EU-Verteidigungspolitik und ein klares Bekenntnis zum internationalen Handel vor dem Hintergrund des Kurswechsels in den USA.

Der Präsident des Europäischen Rates ist eines von drei Spitzenämtern der EU - neben dem Kommissionschef und dem Parlamentspräsidenten. Der Ratspräsident organisiert und leitet die Gipfel der 28 Staats- und Regierungschefs. Den Posten gibt es seit 2009. Die Amtszeit beträgt zweieinhalb Jahre. Der Präsident kann einmal wiedergewählt werden. Die erste Amtszeit des früheren polnischen Regierungschefs Donald Tusk in dieser Funktion endet am 31. Mai 2017. Außer Polen hat bisher keine andere EU-Regierung ihren Widerstand gegen Tusk erklärt. Bundeskanzlerin Merkel sagte in ihrer Regierungserklärung, sie freue sich auf die weitere Zusammenarbeit mit ihm.

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