Fußball:Einer Bundesliga, einer Bezirksliga

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Einst Team-Kollegen: Florian Niederlechner (l.), der nun für Freiburg in der Bundesliga spielt, und Bekim Shabani vom Bezirksligisten Forstinning. (Foto: Eibner/Imago Sportfoto, Claus Schunk)
  • Die Fußballer Bekim Shabani und Florian Niederlechner hatten einst viel gemeinsam: Beide galten als hoch veranlagt, wagten miteinander den Sprung in die Männer-Landesliga und hofften auf eine große Karriere.
  • Inzwischen spielt Niederlechner für den SC Freiburg in der Bundesliga, Shabani beim Bezirksligisten VfB Forstinning.
  • Die Geschichte der beiden Stürmer zeigt, wieso es ein Talent bis ganz nach oben bringt - und viele andere nicht.

Von Andreas Liebmann

Man kann problemlos eine Geschichte über Freiburgs Erstliga-Angreifer Florian Niederlechner erzählen, in der Bekim Shabani nicht vorkommt. Aber in einer Geschichte über den Bezirksliga-Fußballer Bekim Shabani sollte dringend Florian Niederlechner erwähnt werden. Und man sollte dafür kurz ins Jahr 2009 zurückblenden, als die Wege der beiden so plötzlich auseinanderliefen.

Shabani war 18, als er damals zum Landesligisten Falke Markt Schwaben kam, Niederlechner 17. Die beiden Angreifer hatten viel gemeinsam: Sie hatten mit ihren Toren für den TSV Ebersberg Seite an Seite die Jugend-Kreisliga aufgemischt. Alle beide galten als hoch veranlagt, sie wagten miteinander den großen Sprung in die Männer-Landesliga. "In Markt Schwaben werden sie verheizt - hier könnten sie sich vernünftig weiterentwickeln", fürchtete Ebersbergs Jugendleiter Martin Schedo.

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Verheizt wurde keiner. Beide bekamen ihre Einsätze, beide überzeugten. Niederlechner, der schlitzohrige Knipser, dem es an Fitness fehlte, der einige Kilo zu viel mitbrachte; und Shabani, ein wendiger, technisch versierter Athlet, der schon in jungen Jahren einen Körper hatte, wie man ihn später bei Xherdan Shaqiri sah. Niederlechner blieb ein zweites Jahr, dann ging es für ihn weiter - und stetig bergauf: Ismaning, Unterhaching, Heidenheim, Mainz, Freiburg. Er ist nun mittendrin im Millionengeschäft Fußball. Vor Wochenfrist erzielte er zum 2:1-Sieg bei Eintracht Frankfurt beide Freiburger Treffer, seine Saisontore sechs und sieben. "Jeder seiner Schritte war richtig", glaubt Anton Bobenstetter, der ihn damals beim FC Falke trainierte.

"Eine richtige Aktion zur richtigen Zeit, und plötzlich bist du drin"

Shabani kehrte nach einem Jahr ohne Torerfolg zum Bezirksligisten TSV Ebersberg zurück. Er hatte einen Leistenbruch, bekam Rückenprobleme. "Jetzt muss ich wieder von null anfangen", klagte er. Erst vier Jahre danach sollten ihm doch noch ein paar Landesliga-Treffer gelingen, elf, im Trikot des SV Türkgücü-Ataspor. Doch im Sommer 2014, als Niederlechner mit Heidenheim in Liga zwei aufstieg, wechselte Shabani zum TSV Haag, Kreisklasse. In der neunten Liga wollte er mit seinem Bruder kicken. Aktuell ist er Torjäger des Bezirksliga-Zweiten VfB Forstinning, immerhin. In bislang 15 Einsätzen traf er zehn Mal. An diesem Samstag, während Niederlechner auf Hoffenheim trifft, endet für Shabanis Team die Winterpause mit einem Gastspiel in Kolbermoor. "Ich bin superglücklich hier", erzählt er, "alles ist super organisiert. Ich habe hier Freunde gefunden, und meine Eltern sind bei jedem Spiel dabei." Shabani mag das. Er ist jetzt 27, er zählt damit zu den Älteren im Kader.

Bobenstetter freut sich, dass sein ehemaliger Schützling wieder Erfolg hat. Zu jener Zeit, als Niederlechner und Shabani nach Markt Schwaben kamen, hatte sich der ewige Erfolgscoach des Regionalliga-Dorfklubs TSV Buchbach eine dreijährige Auszeit von seinem Heimatverein genommen, um bei Falke etwas aufzubauen. Für Niederlechners erstaunlichen Werdegang, sich ohne Ausbildung in einem Topklub bis in die erste Liga emporzuarbeiten, hat er eine simple Erklärung: "Weil ich sein erster Seniorentrainer war!" Wann immer Niederlechner heute ein Tor schießt, werde das im Hause Bobenstetter bejubelt und mit einem Glas Rotwein gefeiert, erzählt der Trainer. "Ich bin schon glücklich, dass er damals zu mir gekommen ist."

Vor acht Jahren stürmten Florian Niederlechner (l.) und Bekim Shabani noch gemeinsam für Falke Markt Schwaben. Und heute? (Foto: Andreas Liebmann)

Natürlich gibt es an der scherzhaften Erklärung des 55-Jährigen einen Haken: Shabani. Auch für ihn war er ja der erste Trainer bei den Männern. Und Shabani ist vom Millionengeschäft Fußball heute Millionen Lichtjahre entfernt. Bei 18-Jährigen könne man nie genau wissen, wie weit sie kämen, sagt Bobenstetter, und natürlich gibt es sogar reichlich ehemalige Jugend-Nationalspieler, die es doch nie zu den Profis schaffen. "Aber es stimmt schon", sagt Bobenstetter: "Diese beiden sind ein besonders krasses Beispiel, weil sie damals wirklich nicht weit auseinander waren."

Ein krasses Beispiel also, wieso es ein Talent bis ganz nach oben bringt, und viele andere nicht. Wie viel Glück dazugehört, im rechten Moment fit zu sein oder einen Trainer auf seiner Seite zu wissen. Oder den Ball vielleicht einfach eine Schnürsenkelbreite anders zu treffen. Shabani etwa, der auch deshalb ein wenig an Shaqiri erinnert, weil er überraschend wuchtig aus der Distanz schießen kann, traf während seiner Saison für Falke mehrmals ästhetisch wertvoll die Latte - ein Erfolgserlebnis blieb ihm verwehrt. Während er den Schritt zurückging, entwickelte sich Niederlechner von Station zu Station weiter, lernte dazu, achtete auf seinen Körper, wurde professioneller und athletischer. Ob es Shabani ähnlich ergangen wäre?

Forstinnings Trainer Ivica Coric kennt sich aus in diesem Thema. Ein Kreuzbandriss hatte ihn selbst kurz nach der Jugend bei der SpVgg Unterhaching gestoppt. "Ich hatte auch Mitspieler, die Profis geworden sind, aber es gibt kein Rezept dafür", weiß Coric. "Jedes Kind träumt davon, aber du brauchst ein paar Glücksmomente. Eine richtige Aktion zur richtigen Zeit, und plötzlich bist du drin." Shabani sei ein super Typ, der wichtige Tore erziele, der für jeden Spaß zu haben sei, der auf seinen Körper achte und "für dieses Niveau eine sehr professionelle Einstellung" habe, lobt er. "Ich bin einfach froh, dass ich ihn habe."

Und Shabani selbst? Macht sich solche Gedanken gar nicht. "Ich bereue nichts", sagt er. Der Schritt zu Falke damals sei richtig gewesen. "Es war eine Bereicherung, unter diesem Trainer in dieser Liga zu spielen. Und es war schon ein Schlag für mich, als ich nicht weitermachen konnte." Shabani hat kürzlich seinen Meister gemacht, er arbeitet fürs Europäische Patentamt, nun hat er wieder mehr Zeit für seinen Sport.

Mit Niederlechner hat er kaum Kontakt, aber er freut sich riesig für ihn: "Respekt, wie er das geschafft hat, er hat sich megakrass entwickelt." Manchmal, wenn er ihn mit Kollegen im Fernsehen sieht, erzählt Shabani, dann prahlt er: "Schaut, mit dem habe ich zusammengespielt." Schon in jungen Jahren habe Niederlechner die Gabe gehabt, immer an der richtigen Stelle zu sein, in dieser Hinsicht sei ihm der Jüngere ein Vorbild gewesen. "Ich bin stolz, dass ich ihn kenne", sagt Shabani. Er freue sich sogar für Hohenlinden, Niederlechners kleinen Heimatort. Denn auch Shabani hat dort gelebt und mit dem Fußballspielen begonnen, nachdem seine Familie aus dem Kosovo nach Deutschland kam.

Klar, irgendwie sei es auch komisch, wenn der alte Kumpel plötzlich im Fernseher erscheint, aber wehmütig ist Shabani nicht. Wer wisse schon, wie alles weitergegangen wäre, hätte Shabani noch etwas länger mit Niederlechner Schritt gehalten. Beruflich wäre es sicher nicht so gut gelaufen. Inzwischen ist Shabani verheiratet. "Vielleicht hätte ich auch meine Frau nie kennen gelernt, wenn es anders gewesen wäre", sagt er. Er ist davon überzeugt: "Für alles, was kam, gab es einen guten Grund."

© SZ vom 11.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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