Adblue:Der Stoff, der Dieselautos sauberer macht

AdBlue für Dieselmotoren

Der Einfüllstutzen, um Adblue nachzufüllen, befindet sich meist direkt neben den Tankstutzen für den Dieselkraftstoff.

(Foto: Julian Stratenschulte/dpa)
  • Adblue, eine Mischung aus 32,5 Prozent hochreinem Harnstoff und 67,5 Prozent demineralisiertem Wasser, reinigt Dieselabgase wirkungsvoll von Stickoxiden.
  • Die wässrige Lösung klebt zwar fürchterlich, aber ist ungiftig und stinkt auch nicht.
  • Das Problem: Ein Dieselauto braucht viel mehr davon, als von den Herstellern versprochen.

Von Max Hägler

Alles kann nicht perfekt sein, auch nicht bei Zaubermittelchen: Dieses Adblue genannte Zeug klebt ganz furchtbar. Bekommt man es an die Finger, pappt alles, und es bedarf doch eines energischen Rubbelns, bis alles wieder weg ist. Ansonsten ist dieses Gemisch aber eigentlich die Lösung für ein großes Problem von Dieselautos: Diese Stickoxide, von denen seit eineinhalb Jahren, seit Bekanntwerden des Dieselskandals, die Rede ist. Eingespritzt in die Abgase, verschwinden die Reizgase dank chemischer Reaktionen beinahe ganz. Alles sauber, alles clean. Das Mittel ist die Grundlage für: "Den saubersten Dieselmotor der Welt". So bewarben deutsche Autohersteller vor einem Jahrzehnt ihre Dieselautos. Gerade die großen, bei denen sogenannte Speicherkatalysatoren nicht ausreichen, mit denen man ebenfalls Stickoxide reduzieren kann.

Doch es gibt ein zweites Problem bei Adblue, ein gravierenderes als die Klebrigkeit, das dann dafür sorgte, dass die vermeintlich so sauberen Motoren meist doch rechte Dreckschleudern waren. Ein Problem, das letztlich dazu führte, dass in dieser Woche die Münchner Staatsanwaltschaft bei Audi zur Razzia kam, wegen des Verdachts des Betruges und der strafbaren Werbung.

Denn es braucht ordentliche Mengen dieser Lösung, damit alles funktioniert. Mehr, als den Autofahrern gefallen dürfte. Deswegen pumpten diverse Audis, aber auch andere Wagen aus dem VW-Konzern in den vergangenen Jahren vor allem dann Adblue ins Abgasrohr, wenn der Wagen auf dem Prüfstand war. Beim normalen Fahren indes vertröpfelte der Injektor eher pro forma ein bisschen was von der wässrigen und ungiftigen Lösung.

Man könnte übrigens meinen, dass die Ingredienzien das dritte Problem sind. Im Sinne von "das ist eklig und stinkt nach Pissoir". Denn Adblue besteht zu 32,5 Prozent aus Harnstoff und zu 67,5 Prozent aus demineralisiertem Wasser. Tatsächlich riecht das aber nach nichts.

Von den hohen Dosierungen und Nebenwirkungen des Wundermittelchens war indes bei der Einführung - zu der auch technisches Zubehör namens SCR-Kat gehört - keine Rede. Im Gegenteil. Es gibt diverse Videos und Werbematerialien der Zulieferindustrie und der Autohersteller, die an sich wohl schon damals sehr unterhaltsam waren, aber aus heutiger Sicht eben auch noch irreführend wirken. So, wie das die Staatsanwaltschaft eben unterstellt.

Nachfüllen? Nur alle 10 000 Meilen

Sehr hübsch etwa das Video mit dem Audi-Techniker Giovanni. Der steht irgendwo in den USA vor einem silbernen Audi A 5. "Giovanni, wir fahren mit dem saubersten Diesel der Welt", sagt die Moderatorin in dem wackeligen Beitrag. Genau, meint Giovanni, macht den Tankdeckel auf und zeigt auf die beiden Öffnungen: hier Diesel, dort Harnstoff. Den man aber nur alle 10 000 Meilen nachfüllen müsse.

"During the Öl-Wechsel", sagt er. Es schien der optimale Weg, um endlich diese Treibstoffart auch in den Staaten populär zu machen, wo sie kaum verbreitet war, wo fast alle mit Benzinmotoren fahren. Die Initiative "Bluetec-Allianz", die dazu führte, dass auf vielen Heckklappen etwas von "Blue" zu lesen ist, ging vor zehn Jahren von Audi, VW und Daimler-Chrysler aus.

Allerdings, und das ist nun eben auch Gegenstand von Ermittlungen: Das mit den 10 000 Meilen, also 16 000 Kilometern, stimmt nicht. Der Tank mit dem Harnstoff ist einfach zu klein dimensioniert. Und das musste eigentlich jedem klar sein, der ein wenig von Chemie und Physik verstand. Auf 100 Liter Diesel müssen etwa fünf Liter Adblue kommen, damit alles sauber wird. Doch dem Kunden wollte man das häufige Nachfüllen nicht zumuten. Auch weil das Zeug so pappt.

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