Karriere mit Kind:Wo eine Erzieherin statt einer Sekretärin arbeitet

Karriere mit Kind: In Berliner Gemeinschaftsbüros mit Kinderbetreuung können Eltern konzentriert arbeiten, während die Kinder im Nachbarraum betreut werden.

In Berliner Gemeinschaftsbüros mit Kinderbetreuung können Eltern konzentriert arbeiten, während die Kinder im Nachbarraum betreut werden.

(Foto: Nanna Maja)

An Berliner Gemeinschaftsarbeitsplätzen können Eltern guten Gewissens arbeiten.

Von Verena Mayer

Wohin mit dem Baby, wenn man eine junge Mutter oder ein junger Vater ist und arbeiten will oder muss? Mitnehmen ins Büro natürlich! Das ist jedenfalls die neueste Antwort aus Berlin auf die Frage, wie sich Beruf und Familie vereinbaren lassen. In einigen Bürogemeinschaften der Hauptstadt kann man nämlich nicht nur einen Platz buchen, um tage- oder wochenweise zu arbeiten, sondern die Kinderbetreuung gleich mit dazu.

Im Bezirk Prenzlauer Berg etwa. Dort liegt "Le Box", ein Ladenlokal, das mit seinen hellen Schreibtischen und der offenen Küche wirkt wie eine Mischung aus Designstudio, Altbauwohnung und Kaffeebar. Und im Nebenzimmer wartet schon eine ausgebildete Erzieherin darauf, dass man ihr die Kinder übergibt.

Was die Kinderbetreuung betrifft, haben die Möglichkeiten in Berlin den Bewohnern anderer Städte schon immer die Tränen in die Augen getrieben. Es ist nicht nur gesellschaftlich vollkommen akzeptiert, nach der Geburt schnell wieder in den Job einzusteigen. Sondern es stehen auch jede Menge freier Kita-Plätze zur Verfügung, 6000 derzeit, um genau zu sein, und die sind ab Mitte 2018 auch noch vollkommen kostenlos. Und jetzt gibt es eben auch noch Coworking mit Kind. Betriebskitas für Kreative, Freiberufler und Arbeitsnomaden gewissermaßen.

Kein schlechtes Gewissen mehr

Doch was bedeutet das für die Kinder? Und wie arbeitet man eigentlich, wenn das Baby immer in Reichweite ist? Sandra Runge, eine Berliner Anwältin, die eine Kita mit angrenzender Bürogemeinschaft gegründet hat, sagt, der Arbeitsplatz sei "normaler, als man denkt". Weder würde man im Büro ständig über die Kinder reden noch vom Schreibtisch aufspringen, wenn man denkt, es sei etwas mit den Kindern. Dafür falle das "permanente schlechte Gewissen" weg, zu wenig für den Job zu tun oder zu selten bei den Kindern zu sein. Und dass man die Elternabende gleich im Büro abhalten könne, sei "ziemlich praktisch".

Die Leute, die in solchen Bürogemeinschaften sitzen, arbeiten in den Medien oder in der PR, studieren oder gründen ein Start-up; eine Lehrerin bereitet ihre Stunden vor, eine Musikerin erledigt ihren Papierkram, eine Frau macht im Coworking Space ihren Job für eine NGO. Die meisten sind Mütter, und hier enthüllt die schöne neue Arbeitswelt eine Kehrseite: Coworking mit Kind ist, wie so vieles, ein Frauenmodell. Die Väter bleiben nach der Geburt in ihren angestammten Büros, Praxen oder Kanzleien.

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