Reichtum in Deutschland:Milliardäre, wir brauchen euch!

Reichtum in Deutschland: Gegend mit hohen Immobilienpreisen: Hamburger Stadtteil Blankenese.

Gegend mit hohen Immobilienpreisen: Hamburger Stadtteil Blankenese.

(Foto: Imago Stock&People)

Aus keinem anderen Land hauen mehr Milliardäre ab als aus Deutschland. Das zu beklatschen ist falsch. Große Vermögen nutzen der Gesellschaft.

Kommentar von Marc Beise

Die Geschichte kommt aus China, aber sie schlägt einen hübschen Bogen nach Deutschland. Einmal im Jahr listet der sogenannte Hurun-Report die reichsten Menschen weltweit auf und untersucht bei dieser Gelegenheit noch ein paar andere Fragen von allgemeinem Interesse. So wertet der Report aus, welche Milliardäre weltweit in einem anderen Staat als ihrem Geburtsland leben. Die Liste der reichsten Migranten also. Ausgerechnet diese Liste nun führt Deutschland an. Aus keinem anderen Land wandern mehr Milliardäre aus als aus Deutschland - die meisten übrigens in die Schweiz.

Über die Gründe ist zu spekulieren. Wollen die Damen und Herren einfach Steuern sparen? Fühlen sie sich in Deutschland vom Finanzamt drangsaliert? Von der öffentlichen Ungleichheitsdiskussion genervt? Fliehen sie vor allem vor dem Euro und fühlen sich im Hoheitsbereich des Schweizer Franken sicherer? Oder ist die Schweiz nicht vielleicht einfach nur ein wunderschönes Land, in dem es sich eben zu leben lohnt - für diejenigen, die sich das leisten können?

Die Frage nach dem Warum lässt sich auf Basis der vorliegenden Daten nicht beantworten. Wie wäre es aber mit dieser Frage: Sollen die Deutschen nicht froh sein, wenn ihre Milliardäre das Weite suchen, und die Multi-Millionäre gleich mit? Ist ein Land mit weniger Superreichen nicht einfach besser dran? Lasst uns also froh und dankbar sein für jeden, der geht?

So viel immerhin ist klar: Je weniger Milliardäre, umso gerechter sieht die volkswirtschaftliche Gesamtanalyse aus. Weil dann das Gefälle bei den Einkommen oder Vermögen schrumpft, gibt es per Definition weniger Armut und weniger Ungleichheit. Kleiner Tipp also an die Wahlkämpfer mit der sozialen Agenda: Immer hübsch draufhauen auf die Reichen, dann löst sich das Problem mit der Unterprivilegierung von selbst. Und wem das zu primitiv ist, der schalte einfach einen Gang runter. Der bitte die Reichen höflich, aber konsequent zur Kasse. Eine Reichensteuer obendrauf auf den Steuertarif, eine Vermögensteuer oder -abgabe, noch ein paar Stellschrauben mehr angezogen - ach, macht das Leben als Wahlkämpfer doch Spaß. Wenn es denn so einfach wäre!

Die Reichen über das bekannte Maß der progressiven Steuer (je höher das Einkommen, desto höher auch der Steuersatz) hinaus abzukassieren, macht keinen Armen reicher. Es ist die Crux der Umverteilung, dass ganz oben, bei Multimillionären und Milliardären, in der Summe gar nicht genug nachbelastet werden kann, um unten spürbar zu entlasten. Weshalb derart gestrickte Steuerreformen mit ziemlicher Regelmäßigkeit von oben bis weit in die Mittelschicht hineingreifen und damit jene treffen, die zunächst gar nicht gemeint waren.

Deutschlands Reiche geben Geld, wo Banken sich schwertun

Nun mag die Politik solche Effekte billigend in Kauf nehmen, weil sie einfach ein Zeichen der Solidarität und der Gerechtigkeit setzen will. Und tatsächlich kippt ja derzeit die Stimmung in Deutschland, haben immer mehr Menschen den Eindruck, dass es zunehmend ungerecht zugeht - darauf deuten einige der jüngsten Umfragen tatsächlich hin. Es ist auch die Blaupause des Wahlkampfes mindestens von SPD, Linken und Grünen. Auch wenn die Fakten nicht überall deckungsgleich zur Stimmung sind, kann man es für sinnvoll erachten, "die Reichen" an den Pranger zu stellen. Allerdings blendet diese Sichtweise die positiven Implikationen von großen Vermögen in einer Gesellschaft sträflich aus.

Auch Gesellschaften, die so sozial organisiert sind wie die deutsche, profitieren von großen Vermögen. Sie sind das Rückgrat manches Traditionsunternehmens. Sie investieren in neue Unternehmen und Ideen. Sie geben Geld, wo Banken sich schwertun. Sie investieren in Kunst und Kultur und in den regionalen Standort. Wenn namentlich in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, wie sie viele deutsche Kommunen kennen, die finanziellen Möglichkeiten der öffentlichen Hand zusammenschnurren, wenn die Schwimmbäder und Theater geschlossen werden und das Geld nicht mal mehr für eine Kulturfabrik reicht, dann sind das Engagement und die Spenden der größeren und großen Privatvermögen sehr willkommen.

Manchmal sind diese Vermögen von schwerem Makel behaftet. Sie sind durch illegales oder fragwürdiges Tun entstanden, durch Steuerhinterziehung, kriminelle Geschäfte und das Gemeinwesen schädigendes Verhalten. Häufig genug aber sind sie Folge von Leistung und Eigeninitiative in einer offenen Gesellschaft. Man sollte sie nicht vertreiben, sie stehen Deutschland gut.

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